Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Noch 2021 verfügten laut einer Studie mit mehr als 10.000 Teilnehmern nur rund drei Prozent der deutschen Haushalte über eine Klimaanlage. 2023 waren es laut dem Verbraucherportal Verivox dann schon 13 Prozent. Und 2024 stieg der Anteil laut Verivox sogar auf 19 Prozent. Klimaanlagen boomen in Deutschland, was natürlich vor allem mit den immer häufigeren Hitzewellen und tropischen Nächten zusammenhängt.

Keine Überraschung ist das für Matthias Mauder, Meteorologie-Professor an der TU Dresden, der viel zum Thema Stadtklima forscht. "Gerade in Großstädten und Ballungszentren wird es aufgrund der zunehmenden Urbanisierung noch heißer als im Rest von Deutschland", sagt er. "Da ist es verständlich, dass Menschen in dem ihnen zur Verfügung stehenden Rahmen zu Gegenmaßnahmen greifen."

Was für die Menschen in den Wohnungen oft ein Segen ist, könnte sich für die Temperaturen vor der Haustür allerdings als Bumerang erweisen. Denn Klimageräte funktionieren im Kern wie Wärmepumpen zum Heizen, nur in umgekehrte Richtung: Sie entziehen dem Innenraum Wärme – und leiten diese nach außen ab. In dichten Wohnquartieren heizt sich dadurch die ohnehin warme Stadtluft weiter auf. Der Effekt der sogenannten "Städtischen Hitzeinseln" wird verstärkt.

Wie Klimaanlagen die Nacht erwärmen

Wissenschaftliche Studien aus aller Welt zeigen, wie deutlich dieser Effekt ausfallen kann. In Phoenix (Arizona, USA) führte der Betrieb von Klimaanlagen während einer Sommerhitzeperiode dazu, dass sich die Stadtluft nachts um mehr als ein Grad Celsius zusätzlich aufheizte. In Singapur summierte sich die vor allem durch Klimageräte in Gebäuden erzeugte Abwärme auf bis zu 2,2 Grad Temperaturerhöhung.

Für den Großraum Paris modellierten Forscher Szenarien, bei denen die außen abgegebene Wärme durch Klimaanlagen während einer neuntägigen Hitzewelle, wie es sie schon einmal gab, zu einer um bis zu 2,4 Grad höheren Nachttemperatur führt, wenn Klimaanlagen großflächig verbreitet sind – bei noch heißeren Hitzewellen seien auch 3 bis 4 Grad höhere Nachttemperaturen möglich.

Auswirkungen von Klimaanlagen auf die Lufttemperatur: Diese Karten zeigen den Temperaturanstieg durch Klimaanlagen unter verschiedenen Hitzewellenbedingungen.
(a) Schwankungen der Lufttemperatur in den Straßen aufgrund der Wärmeabgabe von Klimaanlagen um 4 Uhr morgens nach 9 Tagen einer Hitzewelle ähnlich der von 2003. Die Lufttemperatur steigt um bis zu 2,4 °C.
(b) Schwankungen der Lufttemperatur in den Straßen aufgrund der Wärmeabgabe von Klimaanlagen um 4 Uhr morgens nach 9 Tagen der intensivsten Hitzewelle, die in der Studie betrachtet wurde. Die Lufttemperatur steigt um bis zu 3,6 °C.
Bildrechte: V. Viguié et al.: "Early adaptation to heat waves and future reduction of air-conditioning energy use in Paris"

Und eine Forschungsgruppe aus Berlin hat in der deutschen Hauptstadt vor einigen Jahren ermittelt, ob vertikal angebrachte Klimaanlagen (an der Hauswand) andere Auswirkungen auf die Umgebungstemperatur in der Stadt haben als horizontal angebrachte (auf dem Hausdach). Ergebnis: Die an der Hauswand angebrachten heizten die Umgebung messbar stärker auf.

In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wird der Effekt nicht so stark sein

Allerdings sind Singapur, Paris und auch Berlin riesige, dicht bebaute Metropolen. "Die Bebauung der großen Städte in Mitteldeutschland ist zum Glück nicht ganz so dicht", sagt Stadtklima-Forscher Mauder. "Der Effekt wird daher geringer sein, aber dennoch vermutlich spürbar, wenn tatsächlich die Nutzung einer Klimaanlage zur Kühlung von Wohnräumen in Deutschland zum Standard werden würde."

Die größten durch Klimaanlagen hervorgerufenen Temperaturunterschiede wurden in fast allen Studien nachts beobachtet, Klimaanlagen tragen also dazu bei, dass sich die Städte nachts noch weniger abkühlen. Macht ja nichts, könnte man sagen, Hauptsache, in den Schlafräumen ist es angenehm kühl. Aber es gibt eben auch Menschen, die keine Klimaanlage haben oder sich keine leisten können. Bei vulnerablen Gruppen wie älteren Menschen kann dann jedes Grad zu viel zur Gesundheitsgefahr werden. Außerdem beißt sich die sprichwörtliche Katze bei dieser Entwicklung in den Schwanz: Höhere Nachttemperaturen führen zu noch stärkerer Nutzung von Klimageräten – und damit zu noch mehr Abwärme. "Das zugrundeliegende Problem wird weiter verschärft", sagt Matthias Mauder.

Mehr Kühlung, mehr Planung

Für Stadtplaner und Architekten bedeutet die zunehmende Verbreitung von Klimageräten neue Herausforderungen. "Die Ventilation im Außenraum auf Fußgängerniveau ist für den thermischen Komfort von entscheidender Bedeutung", erklärt Meteorologe Mauder. "Diese lässt sich durch die Struktur der Bebauung und Bepflanzung stadtplanerisch beeinflussen." Gebäude, Straßen und Quartiere müssen so gestaltet werden, dass Abwärme nicht in engen Straßenschluchten gefangen bleibt. Gründächer, Fassadenbegrünung, Verschattung und gute Wärmedämmung sind zentrale Bausteine, um den Kühlbedarf zu reduzieren.

Die besten "Kühlarbeiter" sind dabei Bäume, weil sie Kühlung durch Beschattung und Verdunstungskühlung miteinander kombinieren, wie Matthias Mauder erklärt. "Es sollten aber große und alte Bäume sein, damit der Effekt auch zum Tragen kommt", so Mauder. "Bis die Bäume groß sind, braucht es viel Zeit. Daher ist eine langfristige und vorausschauende Planung wichtig."

Komplett ohne Klimaanlagen wird es aber selbst bei idealer Bebauung und Bepflanzung nicht gehen. Zumindest für Paris kommt die schon angesprochene französische Studie zu diesem Schluss. Die Autoren untersuchten mit einem integrierten Stadtklimamodell die Effekte alternativer Anpassungsstrategien (zum Beispiel Dämmung, Begrünung, Verhaltensänderung) auf die zukünftige Nutzung von Klimaanlagen. Sie errechneten, dass solche Maßnahmen den Bedarf an Klimaanlagen höchstens halbieren könnten. Ganz ohne Klimaanlagen würde es in Hitzeperioden in Paris – trotz optimaler städtebaulicher Maßnahmen – in vielen Innenbereichen zu warm werden, um gesundheitlich akzeptablen Komfort zu gewährleisten. Für viele andere Städte gilt das dann sicherlich in ähnlichem Maße.

Wärmepumpe als Klimaanlage?

Viele moderne Wärmepumpen können heute nicht nur heizen, sondern auch kühlen. Im Prinzip sind sie also multifunktionale Klimageräte. Luft-Luft-Wärmepumpen funktionieren wie klassische Split-Klimaanlagen. Luft-Wasser- oder Erdreich-Wärmepumpen können über Fußboden- oder Wandheizungen auch passive oder aktive Kühlung ermöglichen. Gerade die passive Kühlung mit Erdreichtemperaturen ist besonders energieeffizient, da dabei kaum Strom verbraucht wird.

Doch auch Wärmepumpen leiten die entzogene Wärme irgendwohin ab. In der Regel gelangt sie ins Erdreich oder ins Grundwasser – was langfristig ebenfalls das Mikroklima beeinflussen kann. Außerdem ist ihre Kühlleistung, je nach Bauart, nicht immer so stark wie die einer herkömmlichen Klimaanlage. Aber ökologisch schneiden Wärmepumpen insgesamt besser ab: Sie arbeiten meist energieeffizienter, nutzen oft umweltfreundlichere Kältemittel und werden häufig mit Ökostrom betrieben.

Links / Studien

  • Phoenix-Studie: F. Salamanca et al. (2014): "Anthropogenic heating of the urban environment due to air conditioning", Journal of Geophysical Research: Atmospheres
  • Singapur-Studie: A. Wang et al. (2023): "Impact of Anthropogenic Heat on Urban Environment: A Case Study of Singapore with High-Resolution Gridded Data", Multidisciplinary Digital Publishing Institute (MDPI)
  • Paris-Studie: V. Viguié et al. (2020): "Early adaptation to heat waves and future reduction of air-conditioning energy use in Paris", Environmental Research Letters
  • Berlin-Studie: L. Jin et al. (2020): "Impact of Air Conditioning Systems on the Outdoor Thermal Environment during Summer in Berlin, Germany", Multidisciplinary Digital Publishing Institute (MDPI)

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