• Zu zweit auf 56 Quadratmetern - mit Gemeinschaftsräumen als Bonus
  • Mehrheit der Wohnungen noch zu stark an Kleinfamilienmodell ausgerichtet

Šárka verteilt getrocknete Tomatenstücke über einer dicken Rucola-Schicht. Was darunter aussieht wie Pizzateig, ist tatsächlich ausgerollter Mozzarella – den Urban und Sebastian nun mit Füllung zusammenrollen. Beim gemeinsamen Kochen in der Leipziger Clusterwohnung geht es ziemlich wuselig zu. Denn insgesamt leben hier zehn Erwachsene und drei Kinder – verteilt auf sieben Wohnungen auf zwei Etagen.

In den privaten Wohneinheiten haben Paare, Familien und Alleinstehende jeweils ihren persönlichen Rückzug.Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

In den privaten Wohnungen haben sie ihren Rückzugsort, mit eigenem Bad und teils auch eigener Küche. Doch im Gegensatz zu anderen, einzelnen Wohnungen in dem Mehrfamilienhaus im Leipziger Westen sind die Einheiten im Cluster über einen Gemeinschaftsbereich verbunden. In dem gemeinsamen Wohnzimmer mit Küche kommen die Familien, Alleinstehende und Paare, deren Kinder schon aus dem Haus sind, mal spontan zusammen, mal geplant. Von vier bis 84 Jahren ist jede Altersgruppe vertreten.

Von zwei Wohnungen auf 56 Quadratmeter

"Es gibt Tage, da frühstücke ich mit den einen und esse mit den anderen zu Mittag und mit den Dritten zu Abend", sagt Heidi Wittmer, die die Idee für das Wohncluster ins Rollen brachte.

Für Heidi Wittmer hat sich das gemeinschaftliche Wohnen im Cluster bewährt.Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Sie habe eigentlich immer in Wohngemeinschaften gewohnt und selbst eine Zeit lang als Alleinerziehende mit Aupairs noch andere Erwachsene um sich gehabt. Inzwischen sind ihre Kinder aus dem Haus. Mit ihrem Mann Andreas hat sich Heidi nun von zwei Wohnungen auf einmal 56 Quadratmeter reduziert. "Aber was uns zur Verfügung steht, ist tatsächlich ein Vielfaches", betont sie und verweist auf die zusätzlichen Gemeinschaftsräume.

Es gibt Tage, da frühstücke ich mit den einen und esse mit den anderen zu Mittag und mit den Dritten zu Abend.

Heidi Wittmerwohnt im Cluster

Gerade für eine resiliente Stadtentwicklung böten Clusterwohnungen daher ein großes Potenzial, sagt Michael Prytula, Professor für ressourcenoptimiertes und klimaangepasstes Bauen an der Fachhochschule Potsdam. "Ein geringer Individualflächenanteil wird da gar nicht als Verlust empfunden, sondern eher als Gewinn, weil man sich viele Dinge teilt."

Dabei reichten die Zielgruppen für Clusterwohnungen nicht nur von Studierenden und jungen Menschen in neuen Arbeitsverhältnissen über Familien bis hin zu betreutem Wohnen. Auch seien größere zusammenhängende Räume langfristig anpassungsfähiger und ließen sich leichter etwa für Co-Working umnutzen.

Mehr Ein-Personen-Haushalte beanspruchen wachsende Wohnflächen

Doch noch basierten die meisten Wohnungen auf Standardlösungen für das bürgerliche Kleinfamilienmodell, kritisiert etwa die Architektin und Professorin Elli Mosayebi. Dabei machen Ein-Personen-Haushalte in Deutschland mittlerweile knapp 42 Prozent aller Haushalte aus (Sachsen: 44,9; Sachsen-Anhalt: 42,2; Thüringen: 41,5). 1991 waren es noch knapp 33 Prozent (Sachsen: 28,7; Sachsen-Anhalt: 26,6; Thüringen: 24,4).

Eine einzelne Person verbraucht so deutlich mehr Fläche und Umweltressourcen als in Mehr-Personen-Haushalten. Entsprechend steigt auch die Wohnfläche pro Kopf seit Jahren. Mit 55,7 Quadratmetern pro Person ist der deutschlandweite Schnitt seit 1998 um fast zehn Quadratmeter gestiegen.

Wie Wohncluster aus der Nische gelangen könnten

Wieviele Clusterwohnungen es gibt, wird nicht zentral erfasst. Prytula schätzt, dass in Berlin seit 2020 zehn größere Projekte realisiert wurden. Auch in Leipzig entstehen bereits die nächsten Gebäude mit Clusterwohnungen und selbst im ländlichen Billberge im Norden von Sachsen-Anhalt ist ein solches Projekt geplant. Häufig sind es junge oder ganz neu gegründete Genossenschaften, die sich auf diese experimentellere Wohnform einlassen.

Trotz kleinerer Wohnung findet Šárka Voříšková das Leben im Cluster luxuriös.Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Dagegen besteht das Cluster von Heidi Wittmer und ihren Mitstreitern aus Eigentumswohnungen. Im Nachhinein wäre eine Genossenschaft einfacher gewesen, sagt Šárka Voříšková. Die Architektin hat das Mehrgenerationenhaus mit den Clusterwohnungen mit entwickelt und lebt selbst auch im Cluster. "Die Bauordnungen sehen so etwas überhaupt nicht vor." Sie würde sich mehr politische und finanzielle Unterstützung für solche Projekte wünschen. Gerade die Gemeinschaftsflächen warfen bei den Baugenehmigungen immer wieder Fragen auf.

Man lebt absolut luxuriös.

Šárka Voříškováwohnt im Cluster

Trotzdem, nach gut einem Jahr in der Clusterwohnung steht auch für Šárka fest: "Man lebt absolut luxuriös." Das gemeinschaftliche Wohnen erfordert zwar mehr Absprachen als mit abgetrennteren Nachbarn. Die Mischung aus Privatsphäre und Möglichkeit für Begegnung überzeugt die Clustergemeinschaft aber nach wie vor.

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