CDU glaubt an Lösung - SPD bleibt bei Kandidatin
Der Streit um die Richterwahl ist eine Belastungsprobe für Schwarz-Rot. CDU-Generalsekretär Linnemann beteuert nun: "Wir kriegen das hin" - bekräftigt aber die Kritik an Kandidatin Brosius-Gersdorf. Die SPD hält an ihr fest und kritisiert die CSU deutlich.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat sich zuversichtlich für eine Beilegung des Koalitionsstreits um die geplatzte Verfassungsrichterwahl gezeigt. "Ja, wir kriegen das hin", sagte Linnemann dem Tagesspiegel.
Wichtig sei, "dass wir nun in der Koalition hinter den Kulissen und in aller Ruhe zu einer breit getragenen Lösung kommen". Auf die Frage, wie die aussehen könne, antwortete er: "Genau darüber werde ich jetzt nicht öffentlich sprechen."
"Hätten schneller reagieren müssen"
Linnemann räumte ein, auf die Vorbehalte gegen die Kandidatin in der Unionsfraktion "hätte schneller reagiert werden müssen". Gegen die bisher von der SPD nominierte Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf gebe es "viele ernstzunehmende Einwände, unter anderem von den Kirchen, aber auch von Juristen und Medizinethikern", erklärte der CDU-Generalsekretär. "Die Mär, man habe sich von Extremisten beeinflussen lassen, weise ich strikt zurück."
Mit scharfen Worten wandte er sich auch gegen den unter anderem von der ehemaligen Grünen-Chefin Ricarda Lang erhobenen Vorwurf, dass Unionsfraktionschef Jens Spahn bewusst ein Ende der schwarz-roten Koalition herbeiführen wolle, um den Weg für eine Zusammenarbeit mit der AfD zu ebnen. "Das ist eine perfide Unterstellung und ich bin mir ziemlich sicher, dass Frau Lang das auch weiß", betonte Linnemann.
SPD-Fraktion wütend über CSU
Doch bei den Sozialdemokraten wollen manche sich nicht damit abfinden, den Streit hinter den Kulissen abzuräumen. Vor allem die SPD-Fraktion schäumt wegen Äußerungen von zwei Ministern aus den Reihen der CSU: Innenminister Alexander Dobrindt und Wissenschaftsministerin Dorothee Bär. Die bayerische SPD-Landesgruppenchefin Carolin Wagner bezeichnete deren Wortmeldungen als "unerträglich". "Die Forderungen an die Juristin, ihre Kandidatur ad acta zu legen, sind ein unverschämter Versuch, Konsequenzen aus der gescheiterten Richterwahl der Betroffenen zuzuschieben", sagte Wagner.
Den Kardinalfehler im Bundestag hätten aber Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) und dessen Fraktion zu verantworten: Ruf und Karriere einer hervorragenden Wissenschaftlerin würden durch eine Hetzkampagne beschädigt und die zuständige Ministerin lege der Betroffenen lediglich Selbstkritik nahe - "das ist beschämend". Bär hatte in der ARD-Talkshow Maischberger die Kritik an der Richterin aus der Union verteidigt und "ein bisschen Resilienz" eingefordert. Von jemandem, der sich ins höchste deutsche Gericht wählen lassen wolle, müsse man auch Kritikfähigkeit erwarten können.
Bayerns SPD-Landesgruppenchef Carsten Träger warf Dobrindt zudem eine Täter-Opfer-Umkehr vor, wenn er "öffentlich darüber sinniert", dass es nicht die Intention der Bewerberin für das Verfassungsgericht sein könne, die Polarisierung der Gesellschaft weiterzubefördern. Fakt sei aber, dass sich nur die Mitglieder der Unionsfraktion von Falschaussagen und unhaltbaren Anschuldigungen hätten in die Irre führen lassen. "Diesen Fehler hat allein die Union zu korrigieren und sonst niemand."
SPD-Spitze sieht Union am Zug
Schon bevor die Sozialdemokraten aus Bayern sich geäußert hatten, hatte die Bundespartei klargestellt, dass sie die Union weiter in der Pflicht sieht, den Streit zu lösen. "Bei der Wahl zum Bundesverfassungsgericht bestehen wir weiter auf den Verabredungen mit der Union und fordern endlich Verlässlichkeit ein. Der Umgang mit dieser Wahl hat Spuren hinterlassen", sagte SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Bereits am Sonntag hatte SPD-Parteichef Lars Klingbeil betont, dass er an der Kandidatin seiner Partei für das Bundesverfassungsgericht festhält. Zudem fordert er, die geplatzte Richterwahl des Bundestags zu wiederholen. Die Bedenken der Union gegen die Juraprofessorin Brosius-Gersdorf wegen angeblicher Plagiatsvorwürfe seien ausgeräumt.
"Deshalb können wir die Wahl wieder auf die Tagesordnung des Bundestags setzen", sagte Klingbeil der Bild am Sonntag. Er wiederholte seine Einordnung, es sei "eine prinzipielle Frage, ob man dem Druck von rechten Netzwerken nachgibt, die eine hoch qualifizierte Frau diffamiert haben".
Linkspartei fordert Vorschlagsrecht
Linken-Chef Jan van Aken warf der Koalition mangelnde Fortschritte bei der Lösung des Konflikts vor. "Inhaltlich sind die Union und die SPD keinen Millimeter weiter als am 11. Juli", sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Van Aken erneuerte zudem die Forderung seiner Partei nach einem Vorschlagsrecht für Verfassungsrichterinnen oder Verfassungsrichter. Dies fordert die Linkspartei als Gegenleistung für die Unterstützung von Richterkandidaten der schwarz-roten Koalition.
"Für uns ist es wichtig, dass das alte Modell für das Vorschlagsrecht zur Richterwahl - drei Vorschläge von der Union, drei von der SPD, je einer von Grünen und FDP - neu diskutiert wird, entsprechend den neuen Kräfteverhältnissen im Bundestag und im Bundesrat", sagte der Linken-Chef.
Belastungsprobe für Schwarz-Rot
Die 54-jährige Brosius-Gersdorf steht im Mittelpunkt einer beispiellosen Auseinandersetzung um die Besetzung von Richterposten bei Deutschlands höchstem Gericht.
Nachdem die Unionsführung zunächst grünes Licht für ihre Wahl zusammen mit zwei weiteren Bewerbern gegeben hatte, zogen CDU/CSU am Freitag der vergangenen Woche die Notbremse und forderten den Koalitionspartner SPD auf, die Kandidatur von Brosius-Gersdorf zurückzuziehen.
Daraufhin musste im Bundestag die Neubesetzung aller drei Richterposten von der Tagesordnung genommen werden. Der Streit ist eine schwere Belastung für die erst seit Mai amtierende schwarz-rote Regierungskoalition.
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