• Die Geschäftsführung des betroffenen Unternehmens hat eine Belohnung für Hinweise versprochen.
  • Die Motive der Täter sind noch unklar. Laut Polizei könnten sie das Arsen möglicherweise weiterverkaufen wollen.
  • Wie die Diebe auf das Firmengelände gelangt sind, ist ebenfalls Gegenstand der Ermittlungen. Das Landesverwaltungsamt will das Unternehmen überprüfen.

Aus dem Chemieunternehmen in Osterwieck im Landkreis Harz ist mehr Arsen gestohlen worden als bisher angenommen. Wie die Polizei am Freitag mitteilte, haben die Täter nicht nur zwei Liter Arsentrichlorid, sondern auch drei Kilogramm hochreines Arsen-Granulat mitgenommen. Beide Stoffe seien hochgiftig und lebensgefährlich. Die Polizei sucht weiter nach den Chemikalien, die Anfang der Woche aus dem Bestand einer Firma gestohlen wurden.

Alle anderen durch die Diebe im Umfeld zurückgelassenen Behälter waren laut Behörden noch intakt. Somit seien keine Chemikalien in die Umwelt gelangt.

Mehrere Liter Arsen weiterhin vermisst: 5.000 Euro Belohnung für Hinweise

Polizeisprecherin Maxi Fritzsche sagte MDR SACHSEN-ANHALT, eine Prüfung im Unternehmen hätte sich hingezogen, deshalb sei es erst jetzt zu diesen neuen Erkenntnissen gekommen. Fritzsche: "Die Täter haben Teile der Beute auf dem Firmengelände entpackt, geöffnet und auch ein Chaos hinterlassen. Das ist ein Tatort, wo alle Spuren dokumentiert werden müssen, erst danach kann die Firma genauer hinschauen und prüfen, was noch da ist oder fehlt."

Es würden auch noch weiterhin Mitarbeiter des Unternehmens befragt. Viele Ermittler seien rund um die Uhr im Einsatz, und das vermutlich auch noch die ganze nächste Woche. Nach MDR-Informationen soll eine Überwachungsanlage manipuliert gewesen sein. Die Polizei wollte das bisher nicht bestätigen. Auch die Geschäftsführung des Unternehmens verwies auf die laufenden Ermittlungen. Sie hat eine Belohnung von 5.000 Euro versprochen für Hinweise, mit denen die Täter gefasst werden können oder die Beute gefunden wird.  

Der Diebstahl der Chemikalien hatte am Dienstag einen Großeinsatz in Osterwieck ausgelöst. Bildrechte: picture alliance/dpa | Stefan Sobotta

Was ist Arsen?

Arsen ist ein giftiges Schwermetall (chemisch gesehen ein Halbmetall, As, Ordnungszahl 33). Es ist gefährlich für Augen und Atemwege, giftig bei Verschlucken oder Einatmen. Über einen längeren Zeitraum können kleine Mengen Hauterkrankungen, Störungen des Nervensystems und Krebs verursachen. Bei akuten Vergiftungen kann es zu Brechdurchfällen, Kreislaufkollaps und Atemlähmung kommen. Arsen wurde bis in die Achtzigerjahre als Pflanzenschutzmittel und bis in die Zweitausenderjahre als Holzschutzmittel verwendet. Arsen in der Luft stammt unter anderem aus Kupferhütten und Kohlekraftwerken. Die Hauptmenge des Rohstoffs Arsen fällt als Nebenprodukt bei der Gewinnung und Reinigung von Kupfer, Blei, Kobalt und Gold an. Es wird für Metall-Legierungen, in der chemischen Industrie und zur Herstellung von Spezialglas und Halbleitern eingesetzt. Arsen galt jahrhundertelang als Mordgift. In Kriminalromanen und Theaterstücken spielte das Gift eine wichtige Rolle.

Musterfläschen mit Arsen – roter Deckel heißt: hochgiftig. Arsen ist gefährlich für Augen und Atemwege.Bildrechte: MDR/Swen Wudtke

Motive nach ersten Vernehmungen unklar

Zu den Motiven der Täter gibt es laut Polizei verschiedene Hypothesen. Man schließe nichts aus. Es gebe zum Beispiel Szenarien, dass das gestohlene Arsen weiterverkauft werde oder dass damit eine chemische Waffe für einen Anschlag gebaut werden solle. Weil noch unklar ist, wohin die Täter gereist sind, ist Sachsen-Anhalts Landespolizei in Kontakt mit der Bundespolizei und mit anderen Bundesländern, zum Beispiel mit dem Nachbarland Niedersachsen.

Einer der beiden Geschäftsführer der betroffenen Firma sagte MDR SACHSEN-ANHALT, ein Gramm Arsentrichlorid sei rund 2.000 Euro wert. Das wären bei vier Flaschen etwa vier Millionen Euro. Verkaufen lasse sich der Stoff allerdings schwer, denn dafür brauche es Herstellernachweise, Zertifikate et cetera.

Landesverwaltungsamt prüft Unternehmen in Osterwieck

Auch wie die Täter auf das Firmengelände gelangt sind, ist noch unklar. Dem Geschäftsführer zufolge wurden die Sicherheitsmaßnahmen der Firma überprüft. "Wir sind überrascht worden von der kriminellen Energie", so Riecken. Nun wolle man sicherstellen, dass sich so ein Vorfall nicht wiederholen kann.

Das Landesverwaltungsamt bereitet derzeit eine Vor-Ort-Kontrolle im Unternehmen vor. Letztmals sei im November die Einhaltung der Richtlinien zur Lagerung von Arsen bestätigt worden, teilte eine Sprecherin des Verwaltungsamtes am Donnerstag mit. Der Zugang sei ausschließlich fachkundigem Personal gestattet und erfolge gesichert über Transpondersysteme, Zutrittskontrollen und Umzäunung. 

Wie die Diebe auf der Gelände der Firma gelangten, ist noch nicht klar. Bildrechte: MDR/Swen Wudtke

Gift auf Feld entdeckt: Einbrecher hatten Arsen gestohlen und verteilt

Am Dienstagvormittag hatte der Landkreis Harz Alarm geschlagen, nachdem auf dem Firmengelände Behälter mit jeweils zwei bis drei Kilo Arsen gefunden wurden – in Form von Pulver und Granulat. Am frühen Morgen hatten Mitarbeiter der Firma die Behörden über die Funde und einen möglichen Einbruch informiert. Die Polizei bestätigte den Einbruch in die Firma am frühen Dienstagnachmittag offiziell.

Der mögliche Fluchtweg der Täter wurde mit einer Drohne abgeflogen, wobei auch auf einem angrenzenden Feld Behälter mit der giftigen Chemikalie entdeckt wurden. Sie konnten nach Angaben des Landkreises gesichert und die Behälter geborgen werden. Insgesamt gab es neun Fundorte. Verletzt wurde niemand.

Laut Polizei sind die Bereiche rund um die betroffene Firma seit kurz nach 23 Uhr am Dienstag wieder frei. Die Warnmeldung der Harz-Leitstelle für die Bevölkerung wurde am Mittwochmorgen offiziell aufgehoben.

Landkreis: Arsen nicht in Boden oder Wasser gelangt

Eine Gefahr für Böden und Grundwasser habe nicht bestanden, erklärte Alexander Beck vom Katastrophenschutz im Landkreis Harz dem MDR. "Die Stoffproben, die wir genommen haben, deuten darauf hin. Die Gebinde, die gefunden wurden, waren nur äußerlich beschädigt."

Dem Landkreis zufolge waren alle gestohlenen und im Anschluss aufgefundenen Arsen-Behälter intakt, sodass kein Arsen-Pulver oder -granulat verschüttet worden sei. Falls mit Blick auf die noch fehlenden Flaschen ein Austritt der Chemikalie in die Umwelt festgestellt werde – insbesondere in Gewässer oder den Boden – werde das Umweltamt des Landkreises Harz beteiligt und müsse über Schritte zur Gefahrenabwehr entscheiden.

Etwa 200 Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr am Dienstag vor Ort

Bis zum Dienstagmittag waren nach neuen Angaben der Kreisverwaltung etwa 150 Einsatzkräfte vor Ort, zwischenzeitlich waren es rund 200 Helfer. Sie erkundeten das Firmengelände und dämmten den Gefahren-Stoff ein. Mit dabei waren auch Mitarbeiter des Umweltamtes und sogenannte ABC-Kräfte. Sie kommen zum Einsatz, wenn gefährliche Stoffe freigesetzt werden – zum Beispiel bei einem Chemie- oder Atomunfall.

Auch die Gesundheit der Einsatzkräfte werde entsprechend überwacht, erklärte Einsatzleiter Alexander Beck: "Wir haben für alle hier vor Ort befindlichen Einsatzkräfte ein Biomonitoring angeordnet. Das heißt, es wird zum Schutz der Einsatzkräfte aufgezeichnet, ob eine Exposition stattgefunden haben könnte. Das ist aber eine reine Vorsichtsmaßnahme."

Auch das mobile Spezial-Labor des Instituts für Brand- und Katastrophenschutz Heyrothsberge wurde laut Verwaltung alarmiert. Es kann von allen Feuerwehren im Land genutzt werden.

Einsatzkräfte der Feuerwehr stehen zusammen und beraten die Lage. Bildrechte: MDR/Swen Wudtke

Was ist ABC-Alarm?

Ein ABC-Alarm wird ausgelöst bei Gefahren durch atomare (A), biologische (B) oder chemische (C) Stoffe. Das kann sein, wenn etwa ein Gefahrstoffaustritt, ein Terroranschlag oder ein Unfall mit radioaktiven, biologischen oder chemischen Substanzen vermutet oder bestätigt wird. ABC-Kräfte haben besondere Schutzanzüge und Geräte, um Menschen zu retten, Gefahren zu erkennen und Schäden zu begrenzen.

Zahlreiche Anrufe beim Bürgertelefon

Auf einer Pressekonferenz am Dienstag warnte die Polizei die Bevölkerung davor, verdächtige Behälter, Flaschen oder Kartons zu berühren. Wer einen solchen Behälter finde, solle den Notruf 112 oder 110 wählen. Für Anwohner und Anlieger wurde bei der Stadt Osterwieck zudem ein Bürgertelefon eingerichtet. Nach Angaben von Gundula Hauke vom Haupt- und Wirtschaftsamt Osterwieck gingen dort allein am Dienstag rund 60 Anrufe ein. Die Menschen wollten vor allem wissen, ob sie die Fenster wieder öffnen dürfen, welche Straßen noch gesperrt sind oder ob sie das Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten noch essen können, sagte Hauke MDR SACHSEN-ANHALT.

Am Mittwoch meldeten sich laut Hauke nur noch fünf Personen. Sie fragten unter anderem, warum sie nicht direkt von der Polizei über den Einsatz informiert wurden, warum kein Lautsprecherwagen durch die Straßen fuhr und warum die Warn-App bei ihnen nicht funktionierte.

dpa, MDR (M. Holzberger, N. Düsekow, A. Plaul, A. Höhne, H. Kerwin, A. Kühne, S. Liermann, K. Bunk, F. von der Eltz) | Zuerst veröffentlicht am 22. Juli 2025.

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