„Ich bereue nichts. Aber natürlich wäre vielleicht noch mehr drin gewesen“
Die Karriere von Julian Draxler hatte einige Höhen aber auch ein paar Tiefen. 2014 feierte er in Brasilien mit der deutschen Nationalmannschaft den WM-Titel. Der Mittelfeldspieler wechselte vom FC Schalke nach Wolfsburg, ging dann zu Paris St. Germain. Dort konnte er sich aber genauso wenig wie bei Benfica Lissabon durchsetzen. Seit zwei Jahren spielt der 31-Jährige bei Al-Ahli SC in Katar.
Frage: Hinter ihrem Ex-Verein Schalke liegt die schlechteste Saison der Vereinsgeschichte. Wie haben Sie das erlebt?
Julian Draxler: Schalke verfolge ich aus der Ferne als Fan. Ich hoffe, dass es dieses Jahr wieder besser wird. Mit Frank Baumann haben sie einen sehr fähigen Mann geholt. Hoffentlich kann er das Schiff wieder in die richtige Richtung lenken. Aber ich erwarte noch keine Wunderdinge wie den Aufstieg.
Frage: Können Sie sich vorstellen, noch einmal für Schalke zu spielen?
Draxler: Das ist schwer zu sagen. Vor meinem Wechsel nach Katar habe ich tatsächlich intensiv hin- und herüberlegt, ob das irgendwie klappen könnte. Damals hatte ich nur noch ein Jahr Vertrag in Paris und hatte überlegt, ob ein ablösefreier Wechsel möglich sein könnte.
Frage: Gab es Kontakt mit der Schalke-Seite?
Draxler: Nein, es gab keinen direkten Kontakt zu Schalke. Das waren eher meine eigenen Gedanken. Jetzt ist die Situation anders. Nach meinem Drei-Jahres-Vertrag in Katar bin ich dann fast 35 Jahre alt. Ob ich da noch Schalke weiterhelfen kann, ist jetzt schwer zu beurteilen – das ist mir zu weit weg.
Frage: Wie oft blicken Sie auf Ihre Karriere zurück und fragen sich, was noch möglich gewesen wäre?
Draxler: Wenn ich heute auf meine bisherige Karriere zurückblicke, überwiegt zunächst einmal Stolz. Ich kann erhobenen Hauptes in den Spiegel schauen und sagen, dass ich bisher eine geile Karriere habe. Aber natürlich wäre vielleicht noch mehr drin gewesen, wenn man vereinzelte sportliche Entscheidungen anders getroffen hätte. Darüber denke ich manchmal nach.
Frage: Meinen Sie damit den Wechsel von Schalke nach Wolfsburg?
Draxler: Nicht unbedingt. Vielleicht hätte ich Schalke früher verlassen müssen, vielleicht hätte ich statt Paris einen anderen Verein wählen und damals den Schritt nach England machen sollen, vielleicht hätte ich PSG wieder früher verlassen müssen. Das sind aber alles Spekulationen, wer weiß, ob es wirklich besser geworden wäre. Ich bereue keine Entscheidung, weil ich immer eine schöne Zeit hatte. Am Ende bin ich durchweg zufrieden.
Frage: Ihren Vertrag in Katar haben Sie Anfang des Jahres bis 2028 verlängert. Warum?
Draxler: Bevor ich den Schritt von Paris nach Katar gewagt habe, hatte ich durchaus einige Bedenken. Jetzt habe ich aber den Spaß am Fußball wiedergefunden, bin verletzungsfrei. Zudem habe ich das Gefühl, gebraucht und respektiert zu werden. Mittlerweile bin ich Familienvater, meine Familie fühlt sich in Katar sehr wohl, ich werde dort nicht auf der Straße erkannt und wir können ein normales Leben führen – das hatte ich zuletzt mit 16 oder 17.
Frage: War die Entscheidung schnell klar?
Draxler: Ja. Ich bin in einem Alter, in dem ich mir die Vereine nicht mehr unbedingt aussuchen kann. Ich muss auch an die weiteren Jahre in der Karriere denken, und natürlich war es auch finanziell eine sehr gute Option. Jetzt will ich meinem Verein und der Liga helfen, weiter zu wachsen.
Frage: Mit welcher deutschen Liga würden Sie das sportliche Niveau in Katar vergleichen?
Draxler: Diese Frage stelle ich mir öfter. In meiner Karriere habe ich nur auf sehr hohem Niveau gespielt. Deswegen fällt es mir schwer, das richtig einzuordnen. Vielleicht ist es die zweite deutsche Liga – in jedem Fall ist es ähnlich spannend: Jeder kann jeden schlagen. Aber klar, die Liga hat noch kein europäisches Top-Niveau.
Frage: In Deutschland gibt es große Kritik an Katar. Wie beurteilen Sie die Situation vor Ort?
Draxler: In gewisser Weise ist die Kritik berechtigt. Ich persönlich kann aber über das Land nichts Schlechtes sagen: Es ist sehr sicher und für uns als Familie ein guter Ort. In Deutschland sind wir immer ganz vorn dabei, mit dem Zeigefinger auf andere Länder zu zeigen. Ich habe da, glaube ich, eine etwas differenziertere Sichtweise durch meine Stationen in Frankreich oder Portugal, wo man das etwas anders beurteilt.
Frage: Sie beschäftigen sich viel mit ihrer Zeit nach der Karriere, haben in über zehn Unternehmen investiert und eins selbst gegründet. Wann haben Sie die Entscheidung getroffen, als Unternehmer tätig zu werden?
Draxler: Wahrscheinlich so mit 25. Ich war irgendwann müde von dem Alltag: Kabine, Training, immer die gleichen Themen. Deshalb habe ich angefangen, über den Tellerrand hinauszuschauen. Das macht mir großen Spaß.
Frage: Neben den Investments studieren Sie Sportmanagement. In welcher Position wollen Sie später arbeiten?
Draxler: Gute Frage. Ich mache das vorsorglich, um optimal auf die Zeit nach der Karriere vorbereitet zu sein. Aktuell bin ich noch hin- und hergerissen, tendiere aber eher zum Management. Den Fußball von der anderen Seite zu sehen, reizt mich sehr.
Das Interview wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, „Bild“, „Sport Bild“) erstellt und zuerst in der „Bild“ veröffentlicht.
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