5 Spiele auf einem Bildschirm? Diese Schwächen offenbaren sich bei Skys Angriff auf DAZN
Plötzlich jubelt ein Leverkusener. Da waren die Augen einmal kurz auf die große Kachel gerichtet, in der am Samstagnachmittag Frankfurts Saisonauftakt gegen Werder Bremen läuft. Zack, Tor verpasst. Wie genau der Treffer gefallen ist? Erst einmal nicht aufzuklären. Wer genau der Torschütze ist? Kaum zu erkennen, zu klein ist der Ausschnitt selbst auf dem 65-Zoll-Fernseher, auf dem WELT den neuen Bundesliga-Samstag bei Sky über weite Strecken testet. Zwei Knöpfe auf der Fernbedienung gedrückt, dann klärt der Kommentator auf. Bayers neuer Innenverteidiger Jarell Quansah hat nach einem Freistoß eingeköpft.
So läuft das also jetzt bei Sky. Die Konferenz, das eigene TV-Baby, geschaffen vor 25 Jahren durch den Vorgänger Premiere, ist weg. Verloren an den größten Konkurrenten DAZN. Oder wie Sky-Sport-Chefredakteur Alexander Rösner es im „Watson“-Interview positiv hinzudrehen versuchte: „Wir haben im Zuge dieser bewussten Entscheidung die Rechte an der Konferenz nicht erworben.“
Stattdessen will Sky dem Konkurrenten die Zuschauer nun durch eben jene Kacheln abluchsen. Eine große und vier kleine sind es an diesem Samstag. Auf ihnen sind die Einzelspiele parallel zu sehen. Es ist Teil eins von zwei des „neuen Standard in der Art und Weise, wie Fans die Bundesliga erleben können“, wie Sky-Boss Barny Mills sagt. Die andere Möglichkeit: Zuschauer, die sich für ein Einzelspiel entscheiden, bekommen Benachrichtigungen über wichtige Ereignisse bei den Parallelspielen – Tore, Elfmeter, Platzverweise – und können sich die Szene, wenn gewünscht, per Knopfdruck ansehen. Die Zuschauer sollen bloß nichts verpassen, so lautet die Sky-Devise.
Kann dieses Konzept die Konferenz wirklich ersetzen? DAZN vielleicht sogar wirklich gefährlich werden?
Nichts zu verpassen, ist in der Parallel-Ansicht jedenfalls gar nicht so leicht, das wird schnell klar. Sollen die Augen lieber die Pyroshow der Bremer Fans oder die in rot und weiß getauchte Alte Försterei beobachten? Auch Tore wirklich live zu sehen, erfordert höchste Konzentration. Wer dazu noch eine Info vom jeweiligen Kommentator möchte, braucht eine gute Auge-Hand-Fernbedienung-Koordination. Den Jubel auf einer Kachel erkennen, schnell zur Fernbedienung greifen. Die jeweilige Tonspur auswählen. Hoffen, dass man nicht zu spät dran ist für eine Beschreibung des Tores.
Sky hat die Möglichkeiten noch nicht ausgereizt
Wer sich berieseln lassen wollte, ist in diesem Modus falsch. Bundesliga gucken wird zur Aktiv-Aufgabe. Vielleicht war die Vorahnung von DAZN-Programmchef Michael Bracher gar nicht so schlecht. Er „lehne sich lieber zurück und wolle nicht rumzappen“, sagte Bracher im Vorfeld.
Dabei hat Sky die Möglichkeiten des „Rumzappens“ nicht einmal ausgereizt. Die Anordnung der fünf Spiele „wird von der Redaktion vorgenommen und kann nicht geändert werden“, heißt es in einer Erklärung des Senders, die sich im Hilfe-Bereich des Fernsehers findet. Wer im Großbild lieber Unions Traumtor zur Führung gegen Stuttgart statt Frankfurt gegen Bremen sehen möchte, schaut in die Röhre. Auch einzelne Spiele aus der Ansicht zu eliminieren, ist nicht möglich. Eigentlich schade, denn so würde das „Interaktiv“-Versprechen, das Sky-Moderator Michael Leopold noch im Vorlauf anpreist, wirklich eingelöst.
So bleibt ein Gefühl des Halbgaren. Der Zuschauer hat in der Theorie zwar die Chance, alles zu sehen. In der Realität geht aber mindestens die Hälfte unter, gerade bei den vier Spielen, die in den Mini-Kacheln untereinander in einem Streifen auf der rechten Seite des Bildschirms angeordnet sind und bei denen die Spielstände je nach gewählter Ansicht nur in Millimetergröße zu sehen sind. Noch größer wird dieses Problem, je kleiner der Bildschirm wird. Den kurzen Test auf einem iPad bricht WELT nach wenigen Minuten ab. Die Spieler sehen hier aus, als würden sie sich durchs Miniaturwunderland in Hamburg bewegen. Die mobilen Zuschauer werden so zu den großen Verlierern.
Nun gibt es bei aller Kritik auch einen großen Lichtblick. Der „Match Alarm“ – also das Einzelspiel mit den Benachrichtigungen von den anderen Plätzen – hat all die geschilderten Probleme nicht. Die entscheidenden Szenen tauchen, sofern man die Funktion per Knopfdruck aktiviert, zum Ansehen unten links auf. Einfach anwählen, kurz anschauen, und zurück zum ausgewählten Spiel. Ja, auch hier ist Arbeit an der Fernbedienung erforderlich, doch die Bedienung funktioniert intuitiv (wie übrigens die gesamte Bedienung des Sky-Menüs) – und nichts geht im parallelen Durcheinander unter. Wer sich im Vorhinein für ein Hauptspiel entscheiden kann, wird hier bestens informiert.
Ob das allerdings reicht, um DAZN zu ärgern? Programmchef Bracher gab sich mit Blick auf die neuen Sky-Formate schon im Vorfeld des Saisonstarts gelassen. „Es wird uns ein paar Zuschauer kosten, die vielleicht nicht von Sky zu DAZN wechseln. Aber es werden eben auch nur ein paar sein“, sagte Bracher. Nach dem Gesehenen am ersten Spieltag dürfte er im Großen und Ganzen Recht behalten.
Luca Wiecek ist Sportredakteur bei WELT. Er berichtet über Fußball und zahlreiche weitere Themen aus der Welt des Sports.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke