Geheimbesuch bei Hoeneß – warum Kompany zum Tegernsee fuhr
Für einen Moment war alles gut. Das furiose 6:0 zum Bundesliga-Auftakt gegen RB Leipzig ließ die Verantwortlichen des FC Bayern am vergangenen Freitagabend die Probleme und Sorgen der vergangenen Tage vergessen. Uli Hoeneß reichte im Jubel über das 3:0 von Michael Olise auf der Tribüne Max Eberl überschwänglich die Hand. Trainer Vincent Kompany sagte nach dem Spiel zufrieden: „Meine Rolle ist, dass die Mannschaft zeigt, wie viel Spielfreude wir haben, wie gut wir vorbereitet sind und wie viel Bock wir haben.“
Der Sieg gegen Leipzig kaschierte, dass es hinter den Kulissen beim FC Bayern alles andere als harmonisch zugeht. Intern gibt es kontroverse Debatten über den dünnen Spielerkader sowie die öffentliche Leih-Ansage von Hoeneß an Sportvorstand Eberl („Ich würde sehr dafür plädieren, den Kader noch aufzufüllen mit einem Leihspieler, der bis zum 30. Juni 2026 unter Vertrag genommen wird“). Die Folge ist ein Vorgang, der den bislang nie fordernden und öffentlich zurückhaltenden Vincent Kompany überrascht.
Nach Informationen dieser Zeitung soll es vor dem Bundesliga-Auftakt einen Geheimbesuch des Trainers bei Hoeneß gegeben haben: Kompany soll sich auf den Weg zum Tegernsee gemacht haben, um mit dem Ehrenpräsidenten persönlich über den ausgedünnten Kader zu sprechen. Ein Beleg für den Kader-Alarm bei den Bayern.
Kompany soll sich demnach auch für einen Transfer starkgemacht haben, den die Sport-Bosse Eberl und Christoph Freund im Hintergrund vorbereitet hatten: Xavi Simons von RB Leipzig. Ein Spieler wie der Niederländer, so soll Kompany argumentiert haben, würde perfekt in die Kader-Pläne der Bayern passen. Das Problem: Leipzig will den 22-jährigen Xavi nur verkaufen, nicht verleihen. Bisher hält der Aufsichtsrat, in dem das Wort von Uli Hoeneß großes Gewicht hat, weiter an seiner Leih-Vorgabe fest.
Simons steht auch bei Eberl hoch im Kurs. Bereits im vergangenen Sommer hatte sich das Duo Kompany/Eberl um Simons bemüht, ein Video-Call mit dem RB-Profi soll es gegeben haben. Seine Ideen soll Kompany bei seinem Besuch bei Hoeneß hinterlegt haben. Auf Anfrage wollte Hoeneß den Vorgang nicht kommentieren. Auch Simons lehnte auf Nachfrage ein Statement zu einer Einigung mit den Bayern ab.
Zum ungewöhnlichen Kompany-Besuch bei Hoeneß passt: Der sonst so diplomatische Trainer äußerte sich mittlerweile wiederholt zur Kadergröße. „Natürlich habe ich immer eine Meinung dazu, und wir tauschen uns sehr viel aus“, erklärte er zur Transfer-Diskussion nach dem Leipzig-Spiel. Schon vor dem 2:1 im Supercup in Stuttgart hatte Kompany mit Blick auf den Kader – und ob dieser für die großen Spiele reiche – gesagt: „Wir haben nicht die Breite. Noch nicht vielleicht.“
Bei dem Thema scheinen sich der Trainer und seine Mannschaft einig zu sein. Kapitän Manuel Neuer und Mannschaftsrat Harry Kane hatten öffentlich auf die dünne Kaderdecke hingewiesen. Für beide Profis sind Statements zur Kaderpolitik äußerst ungewöhnlich, wirken daher im Zuge mit den Kompany-Äußerungen abgesprochen.
Eberl hat in Gesprächen nun eine diffizile Aufgabe
In der Offensive verließen Thomas Müller, Leroy Sané, Kingsley Coman und Mathys Tel den Klub. Dem gegenüber steht nur der Transfer von Luis Díaz. Das bedeutet aktuell: Durch die Verletzung von Jamal Musiala (Wadenbeinbruch) stehen für den Angriff nur vier erfahrene Profis für vier Positionen zur Verfügung: Díaz, Olise, Kane und Serge Gnabry.
So gilt der Transfer von Christopher Nkunku (27) vom FC Chelsea noch nicht als gänzlich abgeschrieben. Und auch eine Leihe von „Blues“-Angreifer Nicolas Jackson (24) steht unmittelbar bevor. Die Bayern wissen, dass Chelsea trotz strenger Premier-League-Regeln, was die Anzahl an Leihspielern betrifft, noch Kapazitäten hat. War es hingegen zunächst das Ziel der Bayern, bei einer Leihe definitiv eine Kauf-Option zu verankern, wurde auch diese Bedingung letztlich aufgeweicht.
Eberl hat in Gesprächen nun eine diffizile Aufgabe: Er muss den abgebenden Vereinen erklären, warum die Bayern einerseits bereit gewesen wären, für den Stuttgarter Nick Woltemade (23) 55 Millionen Euro zu investieren – andererseits andere Profis nur geliehen werden können.
Die Bayern-Bosse machen kein Geheimnis daraus, dass sich das so berühmte Festgeldkonto in den vergangenen Jahren sehr geleert hat. Dass dies aber nicht nur von den hohen Spielergehältern belastet wurde, wie oft von der Führung angemahnt wird, sondern auch durch unglückliche Transfers, wird dabei meist verschwiegen.
Rund 150 Millionen Euro wurden in der Zeit nach dem ehemaligen Sportvorstand Hasan Salihamidžić, der von der Führung gerne für die hohen Spielergehälter verantwortlich gemacht wird, für Profis ausgegeben, die keine große Rolle in den Planungen von Vincent Kompany spielen – wie Minjae Kim (42 Millionen Euro), Sacha Boey (30 Millionen Euro) oder der Dauerverletzte Hiroki Ito (23,5 Millionen Euro).
Oder für Profis, bei denen Schadensbegrenzung durch Leihen betrieben wird, wie im Fall von João Palhinha (51 Millionen Euro), der für eine Gebühr von fünf Millionen Euro bei Tottenham geparkt wurde, oder Bryan Zaragoza (16 Millionen Euro), für den Celta Vigo für diese Saison eine Million Euro überweist.
Eberl war dabei nur für die Personalien Ito und Palhinha mitverantwortlich. Durch Verpflichtungen von Salihamidzic wurden zuletzt mit Tel, Adam Aznou und Paul Wanner rund 70 Millionen Euro eingenommen.
Kingsley Coman sorgte für interne Diskussionen
Für interne Diskussionen soll dagegen der Verkauf von Kingsley Coman gesorgt haben. Das erste Angebot von Al-Nassr, welches Eberl dem Aufsichtsrat präsentierte, soll dem Gremium angeblich zu niedrig gewesen und abgelehnt worden sein. Am Ende soll der Deal für rund 30 Millionen Euro über die Bühne gegangen sein, was einige Verantwortliche immer noch als gering betrachten. Der Aufsichtsrat soll jedoch überrascht gewesen sein, als Eberl dann einen Ersatz kaufen wollte.
Dabei hat der FC Bayern weiterhin eine eiserne Reserve lagern. So soll angeblich eine geschätzte Summe von 100 bis 150 Millionen Euro bei der Stadion GmbH der Allianz Arena auf dem Konto schlummern. Dank Veranstaltungen wie zuletzt dem Champions-League-Finale und dem Final-Four-Turnier der Nations League soll auch bei dieser Jahreshauptversammlung ein zweistelliger Millionen-Gewinn erwartet werden.
Die Vorgabe des Aufsichtsrats bleibt dennoch klar: Weitere Fix-Transfers sollen nach den Zugängen von Díaz (für 70 plus fünf Millionen Ablöse), Jonathan Tah (zwei Millionen Euro) und Tom Bischof (ablösefrei) nicht getätigt werden.
Jeder bei den Bayern weiß: Eine Empfehlung von Hoeneß ist gleichbedeutend mit einem in Stein gemeißelten Gesetz. Der Aufsichtsrat um Boss Herbert Hainer und Karl-Heinz Rummenigge soll voll hinter dieser Ansage stehen: Schließlich müsse der Zugang „nur“ ein Back-up sein, zudem sollen den Nachwuchsspielern ausreichend Kaderplätze und Einsatzchancen gewährt werden.
Die sportliche Leitung kämpft gleichwohl weiter um Verstärkungen. Die vergangene Saison ist ihnen ein mahnendes Beispiel. Als der deutsche Fußball-Rekordmeister im Viertelfinale der Champions League gegen Inter Mailand ausschied, fehlten neun Profis. Das wäre aktuell ein Desaster. Dabei wollen die Bayern im zweiten Jahr unter Kompany mehr erreichen als nur die Meisterschaft.
Einen Vorteil gibt der Mini-Kader jedoch her: Die Gruppe wird noch mehr zu einer Einheit zusammengeschweißt. So soll Kompany seine Profis vor dem Saisonstart mit folgenden Worten motiviert haben: „Es gibt keine Freundschaftsspiele. Jedes Spiel ist für uns ein Champions-League-Finale!“
Er will den Titel-Hunger wecken – auch bei den Spielern, die schon oft Meister wurden: „Auch der fünfte oder zehnte Meistertitel ist ein Jahr Arbeit. Das zu verinnerlichen, unterscheidet Spitzen-Athleten von gewöhnlichen.“
Wie eindringlich und emotional der Trainer im direkten Dialog werden kann, wissen seine Spieler längst. Jetzt müssen seine Worte auch bei Ehrenpräsident Hoeneß eine ähnliche Wirkung entfalten, will Kompany seinen Wunschkader für die Saison bekommen.
Der Artikel wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) verfasst und zuerst in SPORT BILD veröffentlicht.
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