Das Sommer-Transferfenster lässt selbst die erfahrensten Beobachter fassungslos zurück. Die englische Premier League dominiert alles und bricht sämtliche Rekorde. Dabei macht sie auch vor der Bundesliga nicht halt. So unter Druck geraten wird diese nun ihre Schlüsse ziehen. Nur welche?

Die Aufregung war groß. Da standen sie nun, die englischen Klubs. Sie hatten die Tür zu den Hinterzimmern des Transfermarkts aufgerissen und ihre Investoren mitgebracht. Sie warfen mit Geld um sich und schnappten sich hier einen soliden Mittelfeldspieler (Anton Stach, TSG Hoffenheim) und da einen entzückenden Stürmer (Hugo Ekitiké, Eintracht Frankfurt).

Sie beobachteten das emsige Treiben des FC Bayern um Max "Sisyphos" Eberl, freuten sich über die markigen Worte von Uli Hoeneß und schlugen dann zu. Zuerst Florian Wirtz und dann Nick Woltemade. Es war ein bizarrer Raubüberfall, bei dem eine Menge Geld zurückblieb und nur Spieler verschwanden. Mit panischer Begeisterung beobachteten die Ausgeraubten das Treiben und schmiedeten Pläne. Einige davon sind dazu geeignet, den deutschen Fußball von Grund auf zu ändern.

Am Ende kassierte die Bundesliga für 20 Transfers ins englische Oberhaus beinahe 663,50 Millionen und für vier weitere in die zweite englische Liga noch einmal 22,50 Millionen Euro. Dazu kommen Leihen mit Kaufpflicht, die diese Summe im kommenden Jahr noch einmal steigern werden. Im Gegenzug wechselten aber auch 21 Spieler aus der Premier League nach Deutschland. Viele von ihnen aus der zweiten Reihe. Doch insgesamt kamen so 235,20 Millionen Euro zusammen, aus der Championship kamen fünf weitere Profis für 27 Millionen Euro. Auch hier dürften im kommenden Jahr einige geliehene Spieler bei ihren neuen Klubs in der Bundesliga bleiben.

Vincent Kompany hat eine Ahnung

"Money", sagte Bayern-Trainer Vincent Kompany sei der Grund für die Flucht nach England, die es in dieser Form so noch nicht gegeben hat. Der außer Kontrolle geratene englische Markt legte einen vielerlei Hinsicht bemerkenswerten Transfersommer hin. Die Klubs der Premier League investierten dreieinhalb Milliarden Euro - und damit 200 Millionen Euro mehr als die vier anderen Top-Ligen aus Spanien, Frankreich, Italien und eben Deutschland zusammen. Mit "Money" verfehlt Kompany den Kern der Attraktivität der englischen Liga, nicht ganz, aber knapp.

Als die DFL im Juli zu einem Sommergespräch einlud, hatte sie allerhand Grafiken dabei. Eine zeigte das Hauptproblem der Bundesliga. Von allen großen Ligen Europas bietet sie den langweiligsten Meisterkampf und hat nicht sonderlich attraktive Klubmarken. Sie besitzt mittelmäßig viele "Starspieler und Local Heroes" und agiert zutiefst durchschnittlich in den europäischen Wettbewerben. Ganz oben auf der Grafik "Internationale Vermarktung" stand in allen Punkten, außer den Erfolgen in Europa, die englische Premier League.

Die Topliga Englands hat mit ihrer Einführung zur Saison 1992/1993 den modernen Fußball erfunden und dominiert ihn auf allen Ebenen und Plattformen, die sich seitdem aufgetan haben. Sie ist groß in Asien und Amerika, sie begeistert im Streaming und im TV, sie bespielt X und Tiktok. Ihre Protagonisten sind Popstars, auf der ganzen Welt bekannt. Hier investieren die Staaten der arabischen Halbinsel und hier hat der US-dominierte Private-Equity-Markt eine Heimat. Hier gibt es neben all dem Geld und all der Inszenierung aber auch den besten Fußball.

In England ist alles größer

Deswegen greift Kompanys Kritik zu kurz. Besonders bei den Bayern, die mit einem Gehaltsbudget von über 300 Millionen Euro weiterhin zur europäischen Spitze gehören. Aber natürlich: Die Ausgaben in diesem Sommer sind erstaunlich. Einiges Geld floss in andere Ligen, anderes Geld blieb dem englischen System erhalten. Dort musste der Saudi-Klub Newcastle United anerkennen, dass er zwar einen Woltemade aus der Bundesliga abgeworben werden kann, aber ein Alexander Isak sich immer noch wegstreiken kann. Denn ganz oben in der Pyramide steht der vom heutigen Red-Bull-Vertreter Jürgen Klopp wiederaufgebaute FC Liverpool mit seinen amerikanischen Besitzern. In England duellieren sich die Schwergewichte der Finanzwelt auch mit Fußballklubs.

Das unendliche Geld der Premier League generiert sich jedoch nicht nur aus den Besitzverhältnissen. Das Geld des Sommers 2025 sei ein Mix aus der Stabilität der neuen TV-Verträge, der Teilnahme von gleich sechs Klubs an der Champions League, den in den USA bei der Klub-WM erwirtschafteten Reichtümern, einer Reihe neuer Ausrüsterverträge in der Liga und den eher zurückhaltenden Transferphasen in den vergangenen Jahren, rechnet die "Times" vor.

Der Blick auf die Zahlen der jüngsten Ausrüsterverträge verrät eine Menge. Manchester City erhält von Puma über 100 Millionen Euro pro Saison, Liverpool kassiert von Adidas ein Grundstock von 70 Millionen Euro. Der Puma-Klub Borussia Dortmund erhält inklusive aller Bonuszahlungen und Signing Fees etwas über 40 Millionen Euro im Jahr, Bayern erhält von Adidas in etwa 60 Millionen pro Saison.

Deutschland nicht mehr die bestbesuchte Liga

Auf allen Ebenen überragt England die Bundesliga. Der Gesamtumsatz der Premier League betrug in der Saison 2023/2024 6,968 Milliarden Euro, der der Bundesliga betrug 3,835 Milliarden Euro. Die Spieltagserlöse der Premier League erreichten dabei beinahe die Milliardengrenze, die zuschauerstärkere Bundesliga kam auf 536 Millionen Euro. In der abgelaufenen Spielzeit überholte die Premier League die Bundesliga auch bei den Zuschauerzahlen. Im Sponsoring erzielte England im Jahr 23/24 2,254 Milliarden Euro und Deutschland 1,124 Milliarden Euro. Die Unterschiede sind gigantisch.

"Es gibt da nicht den einen entscheidenden Faktor für diesen 'perfekten Sturm'. Einige der größten Transfers wurden zwischen Klubs der Premier League getätigt", sagt der Sportökonom Kieran Maguire in der "Times" mit Bezug auf den Rekordtransfer von Isak oder Manchester Uniteds Ausgaben für den ehemaligen Hertha-Spieler Matheus Cunha. "Das erzeugt einen Welleneffekt, das dem verkaufenden Verein frisches Geld für neue Einkäufe gibt." Trotz ligainternen Transfers, trotz zusätzlicher Millionen durch die Verkäufe von Spielern wie Luis Diaz zum FC Bayern, bleibt in diesem Sommer ein Transferdefizit der Premier League von rund eineinhalb Milliarden Euro.

Was ist der Kern des deutschen Fußballs?

"Für viele ist das jetzt normal. Für mich ist es ein Signal", meldete sich Oliver Kahn nach dem Ende auf der Business-Plattform LinkedIn und forderte ein Ende der "Sicherheit und Solidität". Mit klarer Kante forderte er mehr Wagemut, denn anders gewinne man keine Titel. Der ehemalige Bayern-Boss stoppte kurz vor der großen 50+1-Frage. Er forderte "mutige Entscheidungen" gegen strukturelle Zwänge und warf damit seine Stimme in die Debatte, die die kommenden Wochen bestimmen dürfte.

Denn die jüngsten Ereignisse auf dem Transfermarkt führen allesamt wieder zu der Kernfrage des deutschen Fußballs: Was sind in dieser sich so schnell drehenden Welt des Fußballs die Alleinstellungsmerkmale der Bundesliga? Soll die Liga sich bedingungslos in den Wettkampf stürzen, 50+1 aufgeben und neuem Geld hinterherrennen? Soll sie sich von den Regeln der finanziellen Vernunft verabschieden und doch nicht an Attraktivität gewinnen? Der Verlust des sportlichen Wettbewerbs in der vergangenen Dekade, der sich im derzeitigen Zerfall der Leverkusener Meistermannschaft manifestiert - denn, was zu gut wird, wird gefressen - hat immer noch nicht zu einem Ende des Wachstums in Deutschland geführt.

Dies ist langsamer, wird aber weltweit beachtet. Stehtribünen, weiterhin akzeptable Eintrittspreise und eine in Europa einmalige, vielfältige und sportpolitisch hochaktive Fankultur wiegen die fehlenden Superstars auf. Auch das will die DFL auf allen Kanälen verbreiten. Mit der freien Ausstrahlung der zweiten Liga über YouTube und freien Streaming-Angeboten für die Bundesliga sowie dem Versuch von Mikro-Payments für Einzelspiele geht die Liga neue Wege in der Auslandsvermarktung. Doch auch in der Auslandsvermarktung dominiert England ebenfalls die Erlöse.

Die Bundesliga braucht neue Argumente

In seiner Verzweiflung fordert der Mulitfunktionär Hans-Joachim Watzke in der "Frankfurter Rundschau" eine Gehaltsobergrenze. Damit alles nicht noch mehr aus dem Ruder laufe. Wie diese in einem weltweiten System einzuführen sei und wer daran Interesse haben sollte, erklärt er nicht. Andere Vorschläge, wie die von Leverkusens Simon Rolfes, befassen sich mit der verstärkten Förderung des Nachwuchses. Doch aus den Leistungszentren der Liga kommt schon lange nicht mehr die Masse an Spielern. In den Jahren 2018 bis 2023 schafften es 141 Spieler aus den Nachwuchsbereichen der Klubs in die deutschen Profikader. In England waren es 332.

Die Premier League ist überall enteilt und so weit weg, dass nicht einmal Uli Hoeneß sie mit dem Fernglas noch sehen kann. "Wir brauchen der englischen Liga nicht mehr hinterherhecheln. Das ist genauso, wie wir als Fortuna Düsseldorf nicht mehr davon träumen müssen, Champions League zu spielen", sagte Alexander Jobst, der Vorstandsvorsitzende von Fortuna Düsseldorf, dieser Tage bei ntv.de.

Wenn sich die Vertreter der DFL am heutigen Dienstag und am Mittwoch in Berlin zur Generalversammlung und zum Warm-Up treffen, wird es auch darum gehen, andere Wege einzuschlagen. Und nicht auf die Forderungen von Kahn & Co hereinzufallen, 50+1 herzuschenken. Das wäre nun wirklich blöd. Die, die diesen Sommer die Hinterzimmer des Transfermarkts gestürmt haben, haben ganz andere Argumente. Nicht alle sind finanzieller Natur. Die DLF muss erst einmal den sportlichen Wettbewerb innerhalb der Liga wieder ans Laufen bekommen.

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