Nach dem größten Erfolg der Vereinsgeschichte und einem gelungenen Saisonstart knallt es bei den Füchsen Berlin gewaltig. Trainer und Sportvorstand müssen gehen - die Aufregung ist riesig. Geschäftsführer Bob Hanning weht Unverständnis entgegen, nun erklärt er sich.

Supercup-Sieg im August 2024, die erste Meisterschaft der Vereinsgeschichte im Juni 2025, Einzug ins Champions-League-Finale eine Woche später. Vor zwei Wochen dann die Titelverteidigung im Supercup. Saisonstart in der Handball-Bundesliga mit zwei Siegen in zwei Spielen. Und jetzt ist Trainer Jaron Siewert bei den Füchsen Berlin entlassen worden. Diese Nachricht sorgt für ein Beben und für viel Unverständnis.

Das schlägt Bob Hanning entgegen, dem Geschäftsführer, dem Macher seit mehr als 20 Jahren. Siewert ist so etwas wie sein Ziehsohn, geboren in Berlin-Reinickendorf, wo die Füchse ihre Basis haben. Eingetreten in den Verein mit sieben Jahren, Hanning kennt ihn seit er 15 Jahre alt ist. Hat ihn gefördert und gefordert und ihm eines Tages knallhart gesagt, dass er nicht das Zeug zum Erstligaspieler hat, in ihm aber einen Top-Trainer sieht.

Gesagt, getan, Siewert sattelt um. Wird mit Hannings Kontakten mit gerade einmal 23 Jahren Trainer beim Zweitligisten TUSEM Essen, schafft es erst, den Abstieg zu verhindern, dann führt er den Klub in die erste Liga. Hanning holt ihn mit 26 Jahren zu den Füchsen zurück, er wird der jüngste Trainer der Liga. Fünf Jahre sind seitdem vergangen, immer geht es tabellarisch ein bisschen nach oben. Bis zur Krönung. Jüngster Meistertrainer.

Und jetzt? Nimmt er Siewert nicht nur dessen mutmaßlichen Traumjob, sondern auch die Chance, sich mindestens vernünftig zu verabschieden. "Ich habe mich bei ihm entschuldigt. Er ist Opfer des Systems geworden", sagt Hanning im ZDF-"Morgenmagazin". Denn: "Ich war mit Jaron handelseinig. Wir haben bis auf die Unterschrift alles besprochen. Ein Vertrag lag vor." Es sei "der schwierigste Prozess meines Lebens", so Hanning. Er müsse "die Interessen des Klubs auch an so einem Tag tragen", sagt er dem Sportinformationsdienst. Die Entscheidung fühle "sich richtig an. Trotzdem sieht das persönliche Seelenleben ganz, ganz anders aus."

Risse im Meister-System

Denn das "System" hat durch den angekündigten Abschied von Sportvorstand Stefan Kretzschmar Risse bekommen. Dieser hatte am Dienstag mitgeteilt, den Klub am Ende der Saison zu verlassen. Vorausgegangen waren wochenlange, teils in der Öffentlichkeit ausgetragene Diskussionen über die Vertragsverhandlungen von Kretzschmar und Siewert, die beide nur bis zum Sommer 2026 gültige Verträge hatten.

Dann kamen die Gespräche zu einem jähen Ende: Bei Instagram teilte Kretzschmar emotional seine Entscheidung mit, den Klub nach fünf Jahren zu verlassen. "Es war eine unglaublich intensive und prägende Zeit", schrieb er, und: "Öffentliche Diskussionen um die strategische Ausrichtung tun dem Verein nicht gut." Eine Diskussion, die Gesellschafter und Präsident Frank Steffel in der Sommerpause entfacht hatte, als er der "Sport Bild" sagte: "Die größten Fehler macht man immer im Erfolg. Deswegen müssen wir aufpassen, dass wir jetzt keine Fehler machen. Jaron ist seit fünf Jahren bei uns, und wir gehen nun gemeinsam in die sechste Saison. Wir sind super happy, wie er bei uns zu einer echten Persönlichkeit gereift ist. Die Frage für ihn ist doch: Wann ist für ihn der beste Zeitpunkt, etwas Neues zu machen?"

Hanning: Kretzschmar setzt Personalplanung aus

Seitdem türmen sich die Nachfragen bei allen Verantwortlichen. Immer wieder gibt es die Aussagen, man sei in Gesprächen. Hanning sagt, es solle im September oder Oktober soweit sein. Immer wieder aber kommen auch kleine Andeutungen hinzu, dass es nicht so harmonisch läuft, wie man nach der rosaroten Meisterschaftszeit hätte annehmen können. Es ist bekannt, dass sich die Alphatiere Hanning und Kretzschmar aneinander reiben, dass sie für den Erfolg aber zusammengearbeitet haben. Damit war nun aber offenbar Schluss.

Hanning sagt im ZDF: "Bei Stefan war es am Ende des Tages so, dass er mir vor 14 Tagen gesagt hat, dass er sich nicht in der Lage sieht, Spieler zu holen, solange er keinen Vertrag hat. Das kannst du jetzt auf der einen Seite sagen, 'Mensch, der hat aber einen Vertrag noch dieses Jahr und als Arbeitgeber kannst du aber auch sagen, es ist ehrlich' und ich nehme jetzt mal den zweiten Teil." Die Konsequenz nach Kretzschmars Ankündigung: "Jetzt zehn Monate zu machen mit dem Wissen, wie der andere sich dabei fühlt, das macht keinen Sinn. Deswegen haben wir uns einfach getrennt."

Siewert ist da plötzlich das "Opfer". Er hatte sich aus den kleinen Sticheleien herausgehalten, immer betont, wie gern er bleiben würde. Nun aber war er einfach irgendwie im Weg. Mit Kretzschmar verlässt einer den Klub, der Identifikationsfigur ist, trotz seiner Streitbarkeit ein Sympathieträger für viele Fans, einer, der dem Klub Aufmerksamkeit verschafft. Und der ein proppenvolles Telefonbuch besitzt, sowie die Überzeugungskraft, die Stars nach Berlin zu locken. Er holte den inzwischen zweimaligen Welthandballer Mathias Gidsel zu den Füchsen. Als alle lästerten, was der talentierte Rückraumspieler denn bei einem "zweitklassigen" Klub will, wo er nicht Champions League spielen kann. Doch Kretzschmar überzeugte ihn, traf den Menschen Mathias ins Herz, baggerte nicht nur um die Dienste des Weltklassespielers. Seinen Vertrag hat er inzwischen bis 2029 verlängert - und etwa Neuzugang Tobias Gröndahl konnte wegen ihm verpflichtet werden. Der Norweger machte keinen Hehl daraus, dass er unbedingt mit dem besten Handballer der Welt zusammenspielen möchte.

Krickau und Gidsel - alte Verbundenheit

Inzwischen spielen die Füchse Champions League - dort, in der Bundesliga und im DHB-Pokal coacht sie ab sofort Nicolej Krickau. Der Däne ist nämlich der Grund, warum Siewert seinen Herzensverein verlassen muss. Er kommt als Trainer und Manager in Personalunion. Weil Hanning auf der Managerebene nicht alles allein machen kann, wie er sagt: "Auf dem Niveau das Ganze zu tun, kann ich nicht. Ich habe jemanden gebraucht, der mir beides abnehmen kann in einer Hand." Krickau war frei, hatte stets betont, wie gern er in der Bundesliga arbeiten würde. Aufgrund seiner Vergangenheit als Trainer liegt es nahe, dass er für eine Position "nur" als Manager nicht zu haben gewesen wäre.

Die "Bild" hatte zuvor zudem davon berichtet, Spieler hätten sich eine Veränderung auf der Trainerposition gewünscht. Siewert solle den Rückhalt teilweise verloren haben. Kretzschmar hatte sich zu seinem stärksten Fürsprecher entwickelt, mit seinem Abtritt konnte er nicht mehr für den jungen Trainer einstehen.

Zumindest passend ist es bei diesen Gerüchten, dass mit Krickau der Trainer kommt, von dem Gidsel im Podcast "Hand aufs Harz" im vergangenen Oktober sagte: "Er kennt mich besser als ich mich selbst." Die beiden Dänen haben bereits bei GOG Handbold von 2017 bis 2022 zusammengearbeitet. Gidsel betont, wie wichtig Krickau für seine Karriere ist, wie große Stücke er auf ihn setzt. Zuletzt war der 38-Jährige bis Dezember 2024 Trainer der SG Flensburg-Handewitt, dort aber nach eineinhalb Jahren freigestellt worden. Mit dem Klub gewann er zwar die European League, schaffte es aber nicht, das Team wieder auf einen der ersten beiden Bundesliga-Plätze zu führen, die für die Qualifikation für die Champions League nötig sind.

Krickau hat größtmöglichen Druck

Krickau geht "demütig" an die Aufgabe heran, sagt er. "Von außen gesehen ist es dumm, den Job zu übernehmen." Schließlich übernimmt er den Klub auf dem Höhepunkt - und die Fallhöhe ist damit riesig. "Aber ich habe riesige Ambitionen und glaube, die Mannschaft auf längere Sicht weiterentwickeln zu können". Ihn umweht der Ruf, Talente entwickeln zu können, zahlreiche dänische Weltmeister gingen durch seine Schule. Ein Fakt, der Hanning enorm wichtig ist: Mit Nils Lichtlein, Tim Freihöfer, Matthes Langhoff und Lasse Ludwig haben sich nach Fabian Wiede und Paul Drux weitere Füchse-Nachwuchsspieler im Profikader einen Stammplatz erspielt. Wenn Krickau genügsam ist, was das Fordern nach Topstars betrifft und es schafft, den Nachwuchs zu integrieren, ist ein Streitpunkt aus dem nun Ex-Duo Hanning/Kretzschmar ausgeräumt.

Der Druck für Krickau aber könnte nicht größer sein. Am morgigen Samstag steht bereits eines der wichtigsten Spiele der Saison an: Der SC Magdeburg - Vizemeister hinter den Füchsen, aber Champions-League-Sieger vor den Füchsen - tritt zum Duell in Berlin an (15.40/Dyn, ARD, sportschau.de, Welt-TV). Es ist der größtmögliche Kracher zum Einstieg. Das Team sei vor dem Hintergrund der bisherigen Erfolge "mental robuster und bereiter für Veränderungen", so Krickau. Er habe daher "die Überzeugung", gegen den SCM etwas mitnehmen zu können, "aber es wird schwierig".

Sportlich schwierig - und auch emotional. Denn es scheint völlig unklar, wie die Fans reagieren werden. In den Sozialen Netzwerken gibt es Aufforderungen zum Streik, einige wollen am liebsten ihre Dauerkarten zurückgeben. Hanning ist derzeit der Buhmann, der zwei Identifikationsfiguren entlassen hat.

Kretzschmar hatte in seiner Rücktrittsankündigung geschrieben, er gebe es bekannt, "um den medialen Druck zu nehmen und den Fokus auf unsere ambitionierten Ziele in dieser Saison zu lenken". Die Nachricht und die Folgen daraus aber haben alles andere erzeugt. Die Aufregung ist riesig, das Sportliche geht völlig unter. Krickau hat die schwere Aufgabe, dies gegen Magdeburg zu ändern.

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