Grenzenlose Fifa-Gier quetscht Fans eiskalt aus
Selbst beim Glitzer-Turnier in Katar waren die Tickets um ein Vielfaches günstiger: Die Fifa schockt Fans mit hohen Eintrittspreisen für die WM 2026. Der Fußball ist längst nicht mehr für alle da, besonders das Dynamic Pricing dürfte für Fassungslosigkeit sorgen.
"Wir wollen Fans aus aller Welt beim Turnier im nächsten Jahr vereinen", erklärte Gianni Infantino freudig. "Auf der ganzen Welt müssen mehr Gelegenheiten geschaffen werden, um Verbundenheit zu fördern und Mannschaften, Menschen und Fans zusammenzubringen. Millionen Fans werden im nächsten Jahr in den USA, Kanada und Mexiko erwartet; unser Ziel ist es, ein echtes Fußballfest zu feiern."
Der Fifa-Präsident zeichnete Ende August im Anschluss an ein Treffen der Präsidenten der 54 afrikanischen CAF-Mitgliedsverbände in Nairobi aufs Neue ein Bild eines Samariter-Weltverbands. Als einen Hüter des Sports, der angeblich Fans, Werte und Zusammengehörigkeit als das höchste Gut betrachtet.
Doch die jüngste Entscheidung der Fifa widerspricht diesem Selbstbild. Mal wieder. Es geht um die Eintrittskarten für die Fußball-Weltmeisterschaft. Wie der Weltverband nun bestätigte, wird er erstmals bei einer WM das vielfach kritisierte System des "Dynamic Pricing" für den Ticketverkauf verwenden.
Keine Preisobergrenze, Katar weitaus günstiger
60 US-Dollar für ein WM-Ticket? Das klingt in Ordnung, auch wenn selbst dieser Preis für einen Großteil der Menschen weltweit nicht stemmbar ist. So viel wird das günstigste Ticket bei dem Turnier im kommenden Sommer kosten. Allerdings dürfte dies nur für den schlechtesten Platz bei einem Gruppenspiel zwischen zwei eher unbedeutenden Teams der Fall sein. Ein Ticket fürs Finale kostet dagegen bis zu 6730 US-Dollar. Zum Vergleich: Bei der WM in Katar war eine Eintrittskarte fürs Endspiel mehr als 5000 US-Dollar günstiger.
Aber die Ticket-Angst geht bei Fans vor allem um – abgesehen von Visa-Problemen und Einreiseverboten in den USA –, weil eben jenes Dynamic Pricing angekündigt wurde. Dynamisches Preismanagement passt Preise mit einem Algorithmus auf Basis des aktuellen Marktbedarfs an. Für die WM bedeutet das: Je mehr Fans ein bestimmtes Spiel sehen wollen, desto teurer wird eine Eintrittskarte. Theoretisch gibt es keine Preisobergrenze, denn dynamische Preise basieren nicht auf der Anzahl der Tickets, sondern auf der Anzahl der Personen, die versuchen, Eintrittskarten zu kaufen. Am Ende gewinnt der mit dem meisten Geld.
"Es ist wichtig, die Mission und das Ziel der Fifa hervorzuheben, nämlich die Bereitstellung von Finanzmitteln, die Schaffung von Möglichkeiten und die Förderung des Wachstums unseres Sports in allen 211 Mitgliedsverbänden", erklärte Heimo Schirgi, Chief Operating Officer der Fifa für die Weltmeisterschaft 2026, die Ticket-Entscheidung gegenüber ntv.de. Der Weltverband versuche damit, "die Einnahmen zu optimieren, aber auch die Zuschauerzahlen in den Stadien zu steigern".
Taylor Swift lehnt Dynamic Pricing ab
Die Meinung vieler Fans und Fußball-Romantiker, dass globale Ereignisse unabhängig von den Marktkräften weiterhin für alle oder zumindest für so viele wie möglich zugänglich sein sollten, teilt die Fifa anscheinend nicht. Und sie versteckt ihren Standpunkt auch nicht mehr, wie in der Vergangenheit noch oft. Profit und Geld regieren das Turnier in den USA, das auch dafür aufgebläht wurde.
Aufgrund einer Art Treuhandpflicht gegenüber seinen Mitgliedsverbänden handelt die Fifa nicht im Interesse des Fußballs allgemein. Warum genau die Fans beim Ticketkauf darunter leiden müssen, erklärt der Weltverband nicht. Die Fifa schreibt jedes Jahr neue Rekordzahlen, für die Finanzperiode 2019 bis 2022 belaufen sich die Einnahmen auf einen Rekord von 7,568 Milliarden US-Dollar. Für den Zeitraum von 2023 bis 2026 erwartet die Fifa gar Einnahmen von elf Milliarden US-Dollar. Ob da schon Dynamic Pricing reingerechnet wurde? Geschenkt eigentlich, denn den größten Anteil machen die Verkäufe von TV-Rechten aus, weshalb der fanunfreundliche Schritt noch größere Verwunderung auslöst.
Dynamic Pricing ist etwa in der Reisebranche und weltweit bei Uber üblich, auch Konzertkarten werden mittlerweile oft auf diese Art verscherbelt. Vor allem wegen Letzterem wurde die Strategie jüngst immer wieder stark kritisiert. Weltstar Taylor Swift etwa entschied sich explizit dagegen, dieses System für ihre "The Eras Tour" zu benutzen.
Unsicherheitsfaktor Donald Trump
Diese Praxis kommt nur dem verkaufenden Unternehmen zugute, zum Nachteil der Verbraucherrechte. Die Möglichkeit von Ticketmaster, die Preise für Konzertkarten je nach Nachfrage anzuheben, wurde nach dem Oasis-Fiasko sogar von der EU-Kommission unter die Lupe genommen. Die Sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament sagte gar, dass "dynamische Preisgestaltung ein Vorwand für ausbeuterische Preismodelle sein kann, die den Verbraucherrechten zuwiderlaufen". Bei dynamischen Preisen gehe es laut der Fraktion nicht um hohe Nachfrage, sondern es sei schlichtweg "Betrug".
Noch bitterer für die WM-Fans: Aufgrund der Preisdynamik kann sich normalerweise selbst im Online-Prozess die Summe zwischen dem ersten Anzeigen des Kaufpreises und dem finalen Bezahlen stark erhöhen. Fans, die wissen, dass es einen Ansturm auf die Tickets gibt und so schnell wie möglich bezahlen wollen, ohne alles genau zu überprüfen, könnten damit in eine Falle tappen.
Das System mit dynamischen Preisen regt dazu an, Eintrittskarten so früh wie möglich zu ergattern. Das führt zu einem weiteren Problem, speziell in den USA, wo die meisten der WM-Spiele stattfinden: Unter Donald Trump können sich die Einreisebestimmungen jederzeit ändern und viele Fans wissen nicht, ob und wann sie ein Visum für das Land erhalten und ob sie überhaupt einreisen und ihr Ticket wahrnehmen können.
Preis-Spielraum gibt es bei der WM nur nach oben
Dynamische Preisgestaltung wurde auch bei der diesjährigen Fifa Klub-Weltmeisterschaft angewendet, als etwa die Ticketpreise für das Halbfinale zwischen Chelsea und Fluminense im MetLife Stadium von 473,90 auf 13,40 US-Dollar gesenkt wurden. Doch bei der richtigen WM wird der Ansturm ein ganz anderer sein, und außerdem hat die Fifa festgelegt, dass die Preise nicht unter 60 US-Dollar fallen dürfen. Spielraum gibt es also nur nach oben, was die Korruptheit des Preissystems bei dem Turnier in den USA offenlegt.
Für ein Unternehmen, das in einem wettbewerbsintensiven Markt tätig ist, würde eine Preiserhöhung in letzter Minute schnell zu einem ruinierten Ruf und einem schrumpfenden Kundenstamm führen. Aber die Fifa weiß, dass sie den Markt beherrscht. Sie ist überhaupt keinem Wettbewerb ausgesetzt, sondern besitzt ein Monopol. Auf das größte (Sport-) Ereignis der Welt. Zudem ist die Fifa rein rechtlich ein Verein - und damit als gemeinnützige, nicht profitorientierte Organisation verpflichtet, ihre Gewinne und Reserven in den Fußball zu reinvestieren. Die dynamische Preispraxis ist ein weiterer Beweis dafür, dass der Verein längst zu einem Großkonzern verkommen ist.
Die Fifa bricht keine Regeln oder Gesetze. Doch sie weiß, dass sie die Weltmeisterschaft ausverkaufen wird. Egal zu welchem Preis. Und die lukrative WM 2026 findet auch in Nordamerika, weil dort das meiste verfügbare Einkommen vorhanden ist. Die Fifa wird sich so viel davon sichern, wie sie nur kann.
Profitgier statt Fußball für alle
In den USA sind extrem hohe Ticketpreise zwar normal, NFL-Spiele kosten Hunderte oder sogar Tausende von Dollar pro Ticket. Eine YouGov-Umfrage zeigt aber, dass US-Amerikaner dynamische Preisgestaltung für Sportveranstaltungen, in den Staaten mittlerweile eine Standardpraxis, mit einem Verhältnis von 2:1 für unfair halten, was zu den höchsten Werten weltweit zählt.
Gianni Infantino predigt den Fußball für alle. Und schiebt diesem Traum wieder einmal den Riegel vor. Profit regiert, das passt zur WM im zügellosen Kapitalismus-Traum USA. Und auch dazu, dass die erste Runde der Ticket-Ziehung – wobei Fans ein Zeitfenster für den Kauf, aber noch kein Ticket erhalten – auf Visa-Karteninhaber beschränkt ist. Diese erste Hauptsponsor-geprägte Phase läuft vom kommenden Mittwoch bis zum 19. September. Zwei weitere Runden folgen.
Ohne Fans wäre der größte Sport der Erde, wäre das größte Turnier der Welt nicht viel wert. In den Genuss des Stadionbesuchs bei einer WM kommen nun aber nur die Reichen. High-End-Pakete für VIP-Logen können übrigens bereits seit Mai gekauft werden. Die Option für New York mit acht Partien, inklusive des Finals, kostet läppische 73.200 US-Dollar.
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