Am 8. Juni 2025 sind die Füchse Berlin nach einem 38:33 bei den Rhein-Neckar Löwen erstmals Deutscher Handball-Meister. Geschäftsführer Bob Hanning, Sportvorstand Stefan Kretzschmar und Trainer Jaron Siewert haben eine Weltklasse-Mannschaft geformt, die Zukunft in dieser Konstellation verspricht viele weitere Titel.

Genau 90 Tage später, am 6. September 2025 werden die Füchse in der heimischen Max-Schmeling-Halle von Dauer-Rivale SC Magdeburg beim 32:39 komplett zerlegt. Siewert und Kretzschmar wurden zwei Tage zuvor gefeuert, Hanning wird von den eigenen Fans ausgepfiffen und beschimpft.

So kam es zum Gau im Fuchsbau

8. Juni: Berlin ist Meister und will eine Woche später in Köln die Champions League gewinnen. Hanning fürchtet durch die Meisterfeier einen Spannungsabfall, sagt aber auch: „Unser Trainer wird das schon machen. Wenn es einer schaffen kann, dann Jaron.“

15. Juni: Die Füchse verlieren chancenlos das Champions-League-Finale gegen Magdeburg 26:32. Zu wenig für Hanning? Schon da deutet er nach Sport Bild-Informationen gegenüber Vertrauten noch in den Kölner Katakomben an, dass man „sich auch mal trennen kann, wenn es am schönsten ist“.

Nach der Saison 2023/24 hatte Siewert schon einmal bei Hanning auf der Kippe gestanden. Die Führungsetage war unzufrieden, dass der Trainer die jungen Spieler zu wenig einsetzt. Selbst in der Meistersaison gab es offenbar Kritik an Siewert: Nach dem 29:29 in Hamburg soll Hanning moniert haben, dass Welthandballer Mathias Gidsel die 60 Minuten durchspielte, obwohl er sein schlechtestes Saisonspiel machte (zwei Tore, ein Assist). Tenor: Wie gut – oder schlecht – ist die Mannschaft, wenn Gidsel mal nicht überirdisch abliefert?

25. Juni: Berlins Präsident Frank Steffel sagt in „Sport Bild“ Sätze, die in den kommenden Wochen ein gewaltiges Handball-Beben lostreten, als es um die Zukunft von Meisterheld Siewert geht: „Die größten Fehler macht man immer im Erfolg. Deswegen müssen wir aufpassen, dass wir jetzt keine Fehler machen.“

Hinter den Kulissen soll es schon brodeln, weil Siewert einige Zeit davor die Berater-Agentur gewechselt hatte, von Andre Tzschaschel (Valuemedia/früher Füchse-Pressesprecher und Hanning-Vertrauter) zum Ex-Handballer und ehemaligen Pur-Manager Uli Roth.

22. Juli: Die Füchse gehen in die Vorbereitung. Siewert stellt klar, dass er langfristig bleiben will – und Kretzschmar stellt klar, dass er das befürwortet: „In meinen Augen gibt es überhaupt keinen Bedarf, daran etwas zu ändern. Dieser Trainer ist Deutscher Meister geworden, und in einer unfassbaren Art und Weise hat er dieses Ziel erreicht.“

10. August: Bild am Sonntag berichtet exklusiv, dass Nicolej Krickau als Nachfolger von Siewert im Gespräch ist. Hanning wiegelt ab: „Krickau ist für uns zum jetzigen Zeitpunkt definitiv kein Thema.“ Die erste Kontaktaufnahme zu Krickau soll nach SPORT BILD-Informationen tatsächlich schon vor Monaten durch Kretzschmar erfolgt sein. Der Ex-Flensburg-Coach gilt als Lieblingstrainer von Superstar Gidsel seit gemeinsamen Zeiten bei GOG Håndbold in Gudme (Dänemark).

21. August: Vor dem Supercup gegen Pokalsieger Kiel reagieren Siewert und Kretzschmar zunehmend genervt auf Nachfragen zu ihren Verträgen. Der Sportvorstand geht auf Konfrontationskurs zu Hanning: „Vor dem Supercup sage ich dazu nichts mehr. Wir möchten keine Nebengeräusche erzeugen. Es ist so, dass die Transferpolitik momentan beim Geschäftsführer liegt.“ Kretzschmar will keine Personalplanungen vorantreiben, wenn er nicht weiß, ob er in Zukunft überhaupt noch da ist.

23. August: Die Füchse gewinnen in einem dramatischen Spiel (34:33) gegen den THW Kiel nach Siebenmeterwerfen auch den Supercup.

25. August: „Sport Bild“-Award in Hamburg, alle Preisträger stehen abends beim Gruppenfoto auf der Bühne, Hanning, Kretzschmar und Siewert allerdings räumlich deutlich voneinander getrennt. Am Nachmittag jenes Tages hatte Hanning seinen Sportvorstand Kretzschmar im Hotel „Tortue“ zum Gespräch gebeten. Es endet ergebnislos. Hanning kann oder will Kretzschmar (rund 350 000 Euro Jahresgehalt) offenbar nicht finanzieren, und man ist sich über die Trainerfrage nicht einig. Kretzschmar ist weiter der Überzeugung, langfristig mit Siewert zu verlängern.

31. August: Die Füchse gewinnen den HBL-Auftakt 39:27 gegen den Bergischen HC. Kretzschmar bleibt dabei, die Personalplanung vorerst nicht in die Hand nehmen zu wollen: „Dafür müsste meine Situation erst einmal geklärt sein. Das ist die Grundvoraussetzung.“ In der Halbzeitpause platzt Hanning im Interview bei Dyn der Kragen. Hanning: „Wenn’s dann heißt: Du musst die Personalplanung jetzt auch selbst machen, solange keine neuen Verträge da sind, dann ist es halt auch schwierig.“ In der FAZ legt er nach: „Die Aussagen von Stefan, die Personalplanung einzustellen, finde ich grenzwertig. Er ist Angestellter des Vereins.“

Seit Kretzschmar 2020 in Berlin angefangen hatte, hatte es zwischen ihm und Hanning immer wieder Reibungspunkte gegeben. Ein Streitpunkt war oft, dass der Sportvorstand mehr Geld in die Mannschaft investieren wollte, Geschäftsführer Hanning seinerseits hätte es gerne gehabt, dass Handball-Ikone Kretzsche sich aktiver in die Sponsoren-Akquise einbringt.

2. September: Kretzschmar kündigt über Instagram in einem emotionalen Post an, nach Sommer 2026 nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Dass diese Nachricht kommt, erfährt am Dienstagmorgen nur die Mannschaft. Kretzschmar teilt es dem Team persönlich vor dem Training mit. Hanning bekommt später von ihm nur eine WhatsApp-Nachricht.

Der Streit zwischen den Alpha-Füchsen ist endgültig eskaliert. Kein neues Gefühl für Hanning, der sich in seiner langen Handball-Laufbahn auch schon beim HSV mit Mäzen Andreas Rudolph oder beim DHB mit Heiner Brand (73) überworfen hatte.

3. September: Die Füchse gewinnen ihr zweites Saisonspiel in Göppingen 32:26 und sind Tabellenführer. Kretzschmar ist mitgereist, sitzt im schwarzen Füchse-Shirt hinter der Bank. Hanning fehlt wie üblich bei Auswärtsspielen. Siewert stellt sich um 18.55 Uhr am Dyn-Mikro, sagt zu seiner Situation: „Da gibt es nichts Neues. Wir sind in Gesprächen.“ Keine zwei Stunden nach Spielende berichtet Sport Bild online, dass Siewerts Zeit bei den Füchsen noch in dieser Woche ablaufen wird.

Hanning trifft sich in Berlin mit den Gesellschaftern, sie bitten Krickau, nach Berlin zu kommen. Der Däne löst seinen Vertrag in Flensburg auf.

4. September: Die Füchse kommen am frühen Morgen gegen 6 Uhr mit dem Bus aus Göppingen. Drei Stunden später bittet Hanning Siewert zum Gespräch und teilt ihm mit, dass er gehen muss. Um 15.24 Uhr berichten Bild und Sport Bild exklusiv: Siewert und Kretzschmar sofort weg!

5. September: Hanning überrascht beim Pressetermin mit seinen Aussagen, er habe Siewert feuern müssen, nachdem Kretzschmar per Alleingang sein Aus verkündet habe. Eigentlich habe er mit Siewert verlängern wollen: „Wir waren uns einig, der Vertrag war schon fertig, es fehlte eigentlich nur die Unterschrift. Ich wollte das eigentlich schon zum BHC-Spiel verkünden, doch dann hat sich die Situation mit Stefan Kretzschmar überschlagen.“ Hanning weiter: „Die Gesellschafter und ich haben uns dann für den radikalen Cut entschieden. Es war der schwierigste Prozess meines Lebens. Ich muss mich bei Jaron Siewert entschuldigen, er ist jetzt Opfer des Systems geworden. Natürlich fühle ich mich damit nicht gut, und ich will mir gar nicht ausmalen, wie Jaron sich jetzt fühlt. Seine Wut und Enttäuschung sind nachvollziehbar. Doch alle Entscheidungen treffe ich nach dem Kodex, was für die Füchse in der Situation das Beste ist. Ich muss auch strategisch an die nächsten fünf bis sechs Jahre denken.“

Krickau übernimmt eine Doppel-Funktion als Trainer und Sportlicher Leiter. Hanning spart sich so ein Gehalt. Er versichert: „Vor dem 29. August habe ich nicht mit Krickau gesprochen. Und dann auch eher als Vorstand Sport, nicht als Trainer. Stefan ist uns dann zuvorgekommen. Ob mir das als Chef gefällt, ist ein anderes Blatt.“

6. September: Die Füchse werden von Magdeburg böse vermöbelt. Superstar Gidsel ist mental am Ende, weint im Kabinengang und wehrt sich gegen Gerüchte, er sei eine treibende Kraft hinter Siewerts Rauswurf gewesen.

Die Füchse sind am Tiefpunkt – nur 90 Tage nach dem Höhepunkt.

Der Artikel wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) verfasst und zuerst in SPORT BILD veröffentlicht.

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