Das Dilemma des HSV beim Versuch der Schadensbegrenzung in München
Unweigerlich kommt einen natürlich beim Blick nach München und entsprechender Neigung zum HSV das Frühjahr 2013 in den Sinn. Die Hamburger hatten sich damals dran gemacht, dem FC Bayern irgendetwas entgegenzusetzen. Was auch immer das einst sein sollte, es misslang jedenfalls gründlich. Schon nach fünf Minuten war der Widerstand gebrochen (1:0 durch Shaqiri) und das ohnehin nicht sonderlich hoffnungsvoll gestartete Hamburger Unterfangen endete in einer Schmach.
Am Ende stand es 2:9, was im Nachgang irgendwie besänftigt werden musste. Denn der Furor nach der Abreibung war groß, weil spätestens überdeutlich wurde, wie weit die Schere zwischen beiden Klubs auseinandergegangen war. Was einst mal als Nord-Süd-Gipfel galt, verkam für den HSV nur noch zum bloßen Blick in den Abgrund. „Was sollen wir denn machen? Wir können die Mannschaft ja schwer entlassen“, hatte der ehemalige Vorstandsvorsitzende Carl Jarchow nach der Partie gesagt.
Die Hamburger Klubführung entschied sich für ein Grillfest mit den Fans auf Kosten der Mannschaft, um die Gemüter zu besänftigen. Der aktuelle Hamburger Trainer Merlin Polzin war damals im Münchener Stadion, nicht aber beim Grillen, wie er jetzt erzählte. Und nun beim neuerlichen Gastspiel am Samstag in München (18.30 Uhr, im Sport-Ticker der WELT), dazu rief er auf, solle jeder bereit sein, „Widerstände zu brechen“. Er erwarte, dass es nicht nur darum gehe „in welcher Höhe wir verlieren. Auch wenn wir sicherlich eher der zweite Favorit sind“.
Das ist vielleicht sogar noch übertrieben, was nicht nur die ersten Eindrücke nach dem Aufstieg der Hamburger nahelegen. 17 Jahre ist es her, dass der FC Bayern letztmals zu Hause Punkte gegen den HSV abgab. Beim 2:2 Mitte August 2008 machte der heutige Bayern-Trainer Vincent Kompany sein letztes Bundesliga-Spiel für die Hamburger, ehe es den Verteidiger zu Manchester City zog.
Die folgenden neun Bundesliga-Heimspiele gewannen die Münchener allesamt, und das meist sehr deutlich. Regelmäßig wurden die Gäste abgebraten, faktisch hätte es genug Auslöser zum zigfachen Angrillen im Hamburger Volkspark gegeben. In den vergangenen Duellen in der Allianz Arena erzielten die Bayern sagenhafte 50 Tore, das macht im Schnitt mehr als sechs pro Partie. Der HSV kam in diesen schmerzlichen Lehrstunden insgesamt lediglich auf drei.
Olise ist auf den Spuren von Torjäger-Legenden des FC Bayern
Einiges deutet darauf hin, dass es an diesem Wochenende ähnlich deutlich ausfallen könnte, denn der Rekordmeister ist bisher gut aufgelegt. Mit neun Toren nach zwei Spieltagen egalisierten die Bayern ihren Vereinsrekord. Die Münchener starteten mit einem 6:0 gegen RB Leipzig und einem 3:2 beim FC Augsburg.
Die historische Bundesliga-Bestmarke von Borussia Dortmund (zehn Treffer an den ersten beiden Spieltagen 1994/95) wurde nur um ein Tor verpasst und wäre bei einer besseren Chancenverwertung in Augsburg möglich gewesen. Der historische Rekord nach drei Spieltagen steht bei 15 Treffern (Bayern 2022). Angesichts der letzten Ergebnisse gegen den HSV könnte dieser also fallen.
20 Torschüsse gab der FC Bayern in Augsburg ab, kein einziger davon ging auf das Konto von Harry Kane – der allerdings zwei Treffer vorbereitete. Die Münchener haben in der Offensive aber so viel Klasse, dass sie auf Kanes Tore nicht unbedingt angewiesen sind. Michael Olise beispielsweise traf im sechsten Bundesliga-Spiel in Folge – längere derartige Serien gelangen im Bayern-Dress nur den klassischen Torjägern Robert Lewandowski, Roy Makaay und Gerd Müller.
Düstere Prognose von van der Vaart für den HSV
Besteht dennoch Hoffnung für den HSV? Nein, geht es nach dem ehemaligen Hamburger Spielmacher Rafael van der Vaart. Der 42-Jährige traut dem Bundesliga-Rückkehrer nicht viel zu. „Auf den HSV wartet eine schwere Aufgabe“, sagte er in einem Interview mit dem Portal „ran“: „Alles unter fünf Gegentoren wäre aus meiner Sicht gut.“ Nach einem 0:0 zum Auftakt bei Borussia Mönchengladbach hatte der HSV im brisanten Stadtduell 0:2 daheim gegen den FC St. Pauli hochverdient verloren.
„Das erste Bundesliga-Spiel nach dem Aufstieg war ordentlich. Gegen St. Pauli hatte der HSV aber wieder Zweitliga-Niveau“, sagte van der Vaart: „Natürlich ist jedes Spiel anders und jede Mannschaft hat es gegen den FC Bayern schwer. Aber es stimmt definitiv nicht positiv, wenn man zuvor zu Hause gegen St. Pauli keine Chance hatte und nun nach München muss.“
Die Hamburger sollten es dort einfach genießen und lernen, ein ordentliches Spiel zu machen - und sie sollten hoffen, „dass es keine Packung gibt“, sagte der Niederländer, der vom Sommer 2005 und Mitte 2012 jeweils für drei Jahre beim HSV gespielt hatte. Beim denkwürdigen 2:9 in München war van der Vaart einst mit von der Partie und später am Grill, liefert erst mit zwei Ecken die Vorlage zu den Hamburger Treffern und dann Würste. Nach der Partie sprach er von „einem schwarzen Tag für den HSV. So etwas habe ich noch nie erlebt. Wir waren überhaupt nicht da, sind wie Schuljungen hinterhergelaufen“.
Ähnliches soll nun in München vermieden werden. Es gehe darum, „in guten Höhen zu verteidigen und nicht nur den Bus vor dem Tor zu parken“, skizzierte HSV-Trainer Polzin. Er steht dennoch vor einem Dilemma. Zwar muss er, die Saisonregie will es so, seine Truppe zur Schadensbegrenzung nach München manövrieren, im Grunde aber schon Kurs auf eine Partie halten, in der es, wie der „Kicker“ schrieb, „nicht vornehmlich um Haltungsnoten, sondern um Punkte geht“.
Am Samstag der nächsten Woche steht das Heimspiel gegen den FC Heidenheim am. Es dürfte ein direkter Konkurrent für die Hamburger im Kampf gegen Abstieg sein – um nichts mehr als das werden die Hamburger voraussichtlich in dieser Saison ringen können.
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