„Bis zum Umfallen. Habe mich ins Ziel gequält“ – Langes harter Tag
Patrick Lange brauchte eine Weile. Nicht, weil ihm die Enttäuschung die Sprache verschlagen hatte oder er sich einfach nur verkriechen wollte, sondern weil sein Körper nach den Strapazen der vergangenen 8:14:13 Stunden völlig ausgelaugt war. Lange saß an einer Bande hinter dem Ziel der Ironman-WM von Nizza und musste erst mal klarkommen. Hin und wieder klatschte er von dort unten Kontrahenten ab oder nahm aufmunternde Worte entgegen wie von Jan Frodeno, der sich zu ihm hinunterbeugte und mit ihm einschlug.
Dies war nicht der Tag des Patrick Lange (39) – sondern ein Festtag für die Norweger. Mehr als 22 Minuten nach Überraschungssieger Casper Stornes, der zuvor noch nie einen Ironman gewonnen hatte, und dessen Landsmännern Gustav Iden sowie Kristian Blummenfelt kämpfte sich Lange als Neunter ins Ziel. Bester Deutscher: der 31-jährige Jonas Schomburg, eigentlich auf der kürzeren olympischen Distanz zu Hause, der in seinem ersten Langdistanzjahr gleich sein WM-Debüt gab und lange vorn mitbestimmte. Am Ende wurde er Sechster.
„Ein super harter Tag. Ich habe alles da draußen gelassen. Bis zum Umfallen. Habe mich ins Ziel gequält“, sagte Lange, als er wieder Luft hatte und sich aufrichten konnte. „Der Tag verlief alles andere als so, wie ich ihn geplant hatte.“ Nachdem er es im vergangenen Jahr auf Hawaii allen gezeigt hatte, die ihn abgeschrieben hatten und sechs Jahre nach seinem zweiten den dritten WM-Titel zu seiner Sammlung hinzugefügt hatte, wollte er eigentlich wieder um den Sieg kämpfen.
Lange: Pech beim Schwimmen
Dass er sich auf der mit 2400 Höhenmetern gespickten Radstrecke nicht verstecken muss, hatte Lange 2023 als Zweiter hinter Sam Laidlow bewiesen. Damals wurde die Ironman-WM erstmals nach Geschlechtern örtlich und zeitlich getrennt – die einen im September in Nizza, die anderen im Oktober traditionell auf Hawaii. Ab 2026 ist das Geschichte, und es geht zurück zur Tradition: ein gemeinsamer Renntag auf Hawaii für alle. Vorher treten die Frauen noch einmal alleine an: am 11. Oktober in Kailua-Kona. Nizza war also zumindest vorerst letztmals Schauplatz der WM.
Während Schomburg vom Schwimmstart an in der Führungsgruppe lag und als Zweiter den Strand erreichte, hatte Lange zwei Minuten später wieder Land unter den Füßen – völlig in Ordnung für ihn. „Ärgerlich war aber, dass mir jemand die Schwimmbrille vom Kopf geschlagen hat und ich kurz anhalten musste, um sie wieder zu richten“, erzählte Lange später.
Auf der Radstrecke verlor er rasch an weiteren Minuten, während Schomburg an der Spitze mit Marten Van Riel (Belgien) und Jamie Riddle (Südafrika) für ein Höllentempo sorgte. Am Ende fuhren die Favoriten um Laidlow und die Norweger heran, Schomburg musste dem Tempo ein bisschen Tribut zollen – und Lange verlor mehr als 20 Minuten. Selbst für ihn ein Rückstand, den er beim Marathon nicht mehr aufholen kann. Er, der dreimalige Weltmeister, ging also aussichtslos auf die Laufstrecke. Aber aufgeben kam nicht infrage. Stattdessen hieß es: den Kopf irgendwie umpolen und nun das neue Ziel verfolgen – kämpfen und mit Würde ins Ziel kommen.
„Meinen Riesenrespekt“, sagt Kienle über Lange
„Ich finde es mental unheimlich stark, als Titelverteidiger unter ferner liefen vom Rad zu steigen und dann noch so zu kämpfen“, sagte Sebastian Kienle beim HR-Fernsehen. Der Hawaii-Sieger von 2024 ergänzte: „Da kann ich gar nicht tief genug meinen Hut ziehen. Riesenrespekt.“ Lange berichtete später im Zielbereich: „Ich hatte zum Glück mein Team an der Strecke, die mich im Rennen gehalten haben – ich hätte am liebsten einen Wandertag auf der ersten der vier Laufrunden daraus gemacht.“
Seine leichte Erkältung von Anfang der Woche mit Halsschmerzen will er nicht als Ausrede gelten lassen. „Vielleicht sind das die paar Prozent, die in so einem Feld fehlen. Es wird jedes Jahr krasser“, sagt er. „Aber ich habe alles gegeben, bin am Ende mit der Top-Ten-Platzierung noch ganz happy. Und es zeigt: Wenn man bis zum Ende kämpft, ist das bestmögliche Ergebnis drin. Und das war heute eben Platz neun.“
Lange lief nicht nur irgendwie ins Ziel, sondern in 2:31:33 noch einen starken Marathon, den zweitschnellsten an diesem Tag hinter Casper Stornes. Der Norweger holte durch seine Marathonzeit von 2:29:25 Stunden seine Teamkollegen auf der Strecke ein und machte seinen Überraschungscoup perfekt. Ob Lange jetzt auf eine Revanche 2026 auf Hawaii brennt? Daran wollte er an diesem Tag noch nicht denken. Erst mal erholen.
Aber es gibt sie: deutsche Weltmeister in Nizza
Mindestens zwei Deutscher erkämpften sich übrigens dann doch den WM-Titel an diesem Sonntag: Lars Wichert gewann in der Altersklasse 35-39 in 9:02:42 Stunden und Norman Stute in der AK 45-49 (9:28:14). Und ein weiterer kam auf das Podest: In der AK 40-44 lief Wolfgang Teschner auf Rang zwei (9:09:49). Noch auf der Strecke kämpft Johannes Dietrich, der bei 28 Kilometer des Marathons in der AK 70-74 führt.
Melanie Haack ist Sport-Redakteurin und in Nizza vor Ort. Für WELT berichtet sie seit 2011 über olympischen Sport, extreme Ausdauer-Abenteuer sowie über Fitness & Gesundheit. Hier finden Sie alle ihre Artikel.
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