Eine irre Szene während des Topspiels am Samstagabend zwischen dem 1. FC Nürnberg und dem VfL Bochum sorgt auch Tage später noch für irritiertes Staunen. Der Ball eines VfL-Profifußballers fliegt fast senkrecht in den Nachthimmel - und lässt eine entscheidende Frage zurück: "Wer hat den gescoutet?"

"Der Ball ist heute Morgen in Fürth gelandet", steht unter einem Video des Bochumer Fußballprofis Ibrahim Sissoko vom Spiel seines VfL am Samstagabend in Nürnberg. Der Ball, den Sissoko fast senkrecht nach oben in den fränkischen Nachthimmel schoss, lässt die Fußballfans des Landes bei der Betrachtung der Szene auch Tage später noch irritiert und verzweifelt zurück. Sie fragen sich angesichts des unglaublichen Fehlschusses - übrigens in fast identischer Form bereits eine Woche zuvor von Sissoko beim Auswärtsspiel seines Klubs in Paderborn fabriziert - völlig zurecht: "Wer hat denn den gescoutet?"

Auch die beiden Kommentatoren des RTL-Topspiels, Marco Hagemann und Patrick Helmes, meinten nur launig und ironisch: "Den müssen wir als Torschuss zählen lassen, oder?" Und ergänzten: "Das kommt in die Statistik. Da muss man von ausgehen!" Doch für die leidgeplagten Fans des VfL Bochum ist diese Szene natürlich nicht so lustig. Sie ist weit mehr. Denn auch nach dem Rauswurf des Geschäftsführers Sport, Dirk Dufner, nach nicht einmal fünf (!) Monaten im Amt geht das Rätselraten tief im Westen der Republik weiter. Wie konnte es nur zu diesem sportlichen Desaster und Offenbarungseid kommen? Ein Fan im Internet hat eine Antwort. Er schreibt unter Sissokos Fehlschuss: "Dufners Arbeitsleistung in einem Video!"

Tatsächlich kann der Spieler Ibrahim Sissoko am allerwenigsten für diese Szene, die aktuell viral geht. Seine Verpflichtung als Profi für die zweite deutsche Liga haben andere zu verantworten. Und da haben sie in Bochum ganz offensichtlich seit einiger Zeit - um es vorsichtig zu formulieren - einige Defizite angehäuft. Bereits im Mai hatte der mittlerweile entlassene Trainer Dieter Hecking gemeint, dass er mit der Scouting-Abteilung "zuletzt nicht sehr glücklich" gewesen sei. "Mehr Vorarbeit" hätte er sich gewünscht, denn so sein Fazit: "Kaderplanung ist ja kein Hexenwerk." Offensichtlich doch, wie sie in Bochum jetzt wissen.

Wie der Mann hinter van der Sar zur VfL-Legende wurde

Wer allerdings davon ausgeht, dass nur an der Castroper Straße so gearbeitet wird, den muss man enttäuschen. Im Profifußball werden leider ganz allgemein und schon immer die Kader nicht selten mit einer bemerkenswerten Leichtigkeit des Seins zusammengestellt, wie diese zwei ganz unterschiedlichen Fälle aus der Historie des bezahlten Fußballs zeigen. Und um den VfL Bochum nicht gänzlich in einem schlechten Licht erscheinen zu lassen: Nicht immer liegen die Verantwortlichen mit ihren spontanen Entscheidungen daneben.

Manchmal haben sie einfach auch ganz viel Glück, wie die Geschichte des legendären VfL-Torhüters Rein van Duijnhoven zeigt. Der Niederländer spielte von 1999 bis 2006 in Bochum. Auf welch überraschende Art und Weise van Duijnhoven zum Traditionsklub im Revier kam, erzählte er einmal mit seinem erfrischenden Lächeln und seinem sympathischen niederländischen Akzent selbst bei einem Abend unter Fußballfans.

"Hilpert, der Manager, hatte einen Anwalt, der nebenbei ein bisschen Spielerberater war. Die beiden waren für Privatgeschäfte im Büro und Hilpert wollte eigentlich gehen. Da hat ihn der Anwalt gefragt: 'Brauchst du noch was?' Hat der Hilpert gesagt: 'Ich brauche einen neuen Torwart!' 'Ja', meinte der Anwalt, 'so einen habe ich noch. Er ist in Holland der zweite Mann hinter van der Sar.' Dann hat es Knack gemacht, Termine, Angebot gemacht, kurz gesprochen, Dreijahresvertrag mit Option für noch zwei Jahre. Und jetzt sind es sieben geworden. Also, keiner hat mich gesehen - keine Minute. Manchmal hat man auch Glück, ne?!"

Die wundersame Geschichte von Ali Dia

Die andere Geschichte spielt im Jahr 1996, also in einer Zeit, als das Internet noch wenig bekannt war und kaum genutzt wurde. Für einen kurzen Moment glaubte damals Graeme Souness, der Trainer des FC Southampton, er habe einen Jackpot abgeräumt. Denn genau ihn hatte sich der Weltfußballer des Jahres, George Weah, ausgesucht, um einen todsicheren Tipp zu platzieren. In einem euphorischen Telefonat feierte der Liberianer seinen Cousin Ali Dia in den höchsten Tönen ab. Mehrfacher Nationalspieler sei der und in Frankreich eine ganz große Nummer. Souness müsse nur schnell zuschlagen, denn Dia sei sehr begehrt.

Und so zögerte der Coach des FC Southampton keine Sekunde, stattete Dia mit einem Vertrag aus und ließ sich auch von einem äußerst irritierend verlaufenden ersten Training nicht aus der Bahn werfen. Als dann kurz vor dem Spiel gegen Leeds United die Partie der zweiten Mannschaft von Sunderland wegen Unbespielbarkeit des Platzes ausfiel, nahm der Schotte einfach Dia mit zur Begegnung gegen Leeds. Als Ergänzungsspieler, der schon einmal die Atmosphäre in der Premier League hautnah, aber noch von draußen schnuppern sollte. So der Plan.

Wer hinter dem Dia-Anruf steckte

Doch dann musste der große Matt le Tissier in der 32. Minute das Feld verletzt verlassen - und für ihn kam: Ali Dia. Das unwürdige Spektakel dauerte präzise 20 Minuten, dann war die Karriere des vermeintlichen Cousins von George Weah in der Premier League auch schon wieder vorbei. Matt le Tissier hat diese quälend langen 1200 Sekunden später einmal mit dem Wort "Fremdschämen" umschrieben. Dia habe wie "Bambi auf dem Eis" gewirkt. Nicht eine einzige Szene konnte er für sich entscheiden, nicht einen einzigen Ball behaupten. Er agierte auf dem Rasen wie ein Esel in der Stierkampf-Arena. Deplatziert, planlos und völlig hilflos.

Als Souness sich, die Fans und Ali Dia in der 52. Minute endlich erlöste, war allen klar, dass hier und heute niemals ein afrikanischer Nationalspieler auf dem Platz gestanden hatte. Er hatte auch nie für hochklassige Klubs gespielt, sondern sich eher knapp über der Freizeitliga neben dem Studium mit Fußball fit gehalten. Und natürlich hatte auch nicht der Weltfußballer Weah bei Souness angerufen, sondern ein Freund von Dia. Aus einer Laune heraus hatte er sich den Spaß erlaubt, seinen Kollegen bei einem Premier-League-Klub anzubieten.

Das Beispiel von Ali Dia ist ein extremes Paradestück, wie der Profifußball immer wieder - von Hoffnungen und Träumereien geprägt - in eine Falle tapst. Ob es aus Ahnungslosigkeit, Faulheit oder vielleicht hier und da auch aus finanziellen Interessen passiert, ist dabei eher sekundär. Alleine die Ergebnisse auf dem Platz lassen anschließend die Fußballfans, wie hier am Beispiel des letzten Wochenendes in Nürnberg, irritiert und verzweifelt zurück.

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