Schlotterbecks Comeback macht auch Deutschland Hoffnung
Nico Schlotterbeck genoss die Ovationen. Der Nationalspieler, der gerade sein Comeback für Borussia Dortmund gegeben hatte, wurde von den Fans vor die Südtribüne gerufen. Die feierten ihn in Sprechchören, Schlotterbeck verbeugte und bedankte sich. „Ich habe mir das sechs Monate hart erarbeitet und es war wunderschön, wie die Fans mich hier empfangen haben. Da sieht man, dass man viele Sachen richtig gemacht hat, seit man in diesem Verein ist“, sagte er. Es sei ihm „eine Ehre“ gewesen.
Der Innenverteidiger ist, nachdem er sich Anfang April einen Meniskusriss zugezogen hatte, wieder da. Nach einer langen Reha und nur wenigen Tagen im Mannschaftstraining war Niko Kovac am Samstag, einen Tag vor dem Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg (1:0) auf ihn zugekommen. „Der Trainer hat mich gefragt: `Hast du Bock?` Ich habe geantwortet: Stell mich auf“, so Schlotterbeck: „Als Fußballer sagst du dann natürlich nicht Nein.“
Und ein Profi wie der 25-Jährige, der seit dreieinhalb Jahren für den BVB spielt und genauso lange zum Kreis der Nationalelf zählt, erst recht nicht. Schlotterbecks Ehrgeiz ist fast schon sprichwörtlich – wurde allerdings wegen der Zwangspause, die ersten längeren dieser Art in seiner Karriere, auf eine Geduldsprobe gestellt. „Es war eine harte Zeit und für mich herausfordernd, weil es das erste Mal war“, räumte er ein.
Wichtiger Hinweis von Christian Streich
Es war ihm schwergefallen, tatenlos mitverfolgen müssen, wie seine Kollegen im April gegen den FC Barcelona denkbar knapp im Viertelfinale der Champions League ausschieden, wie sie bei der Klub-WM in den USA spielten und auch, wie sie noch am vergangenen Dienstag mit einem 4:4 bei Juventus Turin in die neue Saison in der Königsklasse gestartet waren. Dabei hatte der BVB in der Nachspielzeit noch zwei Gegentore kassiert. Fünf Tage darauf bekam er von Kovac endlich grünes Licht.
„Für mich ist es wichtig, dass ein Spieler, der lange in der Reha-Phase war, gesund wiederkommt – und vor allem fit. Denn wir können jetzt nicht noch versuchen, ihm in den nächsten Spielen mal zehn und dann 20 Minuten zu geben“, sagte Kovac. Der BVB-Coach ist kein Freund davon, Spieler langsam heranzuführen. Das führe nur zu einer Zerfaserung, belaste das Wechselkontingent und gefährde den Matchplan. Kovac stellte Schlotterbeck am Sonntag auf, weil er sich sicher war, dass der „sofort brennen kann“ – und er ließ ihn dann auch die komplette Dauer durchspielen.
Das ging selbst bei einem Kämpfer wie Schlotterbeck ans Eingemachte. Auch fiel es ihm zunächst nicht leicht, sich wieder an die Intensität zu gewöhnen. „Ich habe mir vorgenommen, mit leichten Bällen ins Spiel zu kommen – das hatte mir Christian Streich mal empfohlen“, verriet der frühere Freiburger. Doch schon nach relativ kurzer Zeit traute er sich zu, wieder die für ihn typischen lange Pässe zu spielen, für Seitenverlagerungen zu sorgen – und das Dortmunder Aufbauspiel so wieder mit einer Variante zu bereichern, die in den vergangenen Monaten im wahrsten Sinne zu kurz gekommen war. Denn ohne Schlotterbeck hatte das Kovac-Team vornehmlich mit kurzen Pässen von hinten heraus gespielt. Das machte es den Gegnern leicht, sich darauf einzustellen.
„Wenn ein Gegner ein bisschen höher steht, kann man ihm mit gezielten langen Bällen hinter die Kette weh tun“, so Kovac. Mit Schlotterbecks Pässen über 40, 50 Meter lassen sich Räume überbrücken und Überraschungsmomente kreieren. Lange Zeit galt dieser Stil als unsexy. Doch in Zeiten, in denen vor allem die Aufbauspieler im zentralen Mittelfeld immer früher attackiert werden, ist diese Variante oftmals die einzige Möglichkeit, Tiefe ins eigene Spiel zu bekommen. Kovac schwebt ein Mix aus Kurzpassspiel und öffnenden Pässen vor – auch um die Geschwindigkeit der Flügelstürmer Karim Adeyemi und Maximilian Beier nutzen können. Dabei fällt Schlotterbeck eine Schlüsselrolle zu.
In der Fähigkeit, das Spiel lesen zu können und situationsabhängig aus dem taktischen Schema auszubrechen, liegt seine größte Stärke – die sich perspektivisch auch wieder Julian Nagelsmann zu Nutze machen dürfte. Von allen Innenverteidiger-Kandidaten, unter denen der Bundestrainer im Hinblick auf die WM im kommenden Jahr wohl auswählen kann – Antonio Rüdiger, Jonathan Tah, Waldemar Anton, Robin Koch, Matthias Ginter und Schlotterbeck – ist Letzterer der beste Spieleröffner. Außerdem wusste die deutsche Innenverteidigung in Abwesenheit von Schlotterbeck zuletzt nicht zu überzeugen, besonders beim 0:2 in der Slowakei nicht.
Bis zur WM sind es noch neun Monate. Die will Schlotterbeck vor allem nutzen, um den BVB, der dritte von Bundesligaspielen gewonnen hat, weiter zu stabilisieren. Dazu will er auch mit seiner Persönlichkeit, seinem Führungsanspruch beitragen. Er kehrt in eine Mannschaft zurück, für die es derzeit ohnehin läuft. Denn seit Kovac im vergangenen März von einer Vierer- auf eine Dreierabwehrkette in der Abwehr umgestellt hat, hat der BVB kein Bundesligaspiel mehr verloren.
„Wir bleiben dran“, sagt Schlotterbeck zur Verfolgerrolle
Von Titelansagen hält Schlotterbeck zwar trotzdem nichts. Doch sich ausschließlich auf die Defensive zu beschränken, das ist auch verbal nicht sein Ding. „Bei Borussia Dortmund ist man, um etwas zu gewinnen. Dafür bin ich hierhin gekommen“, erklärte er. Allerdings gelte es zunächst, den Trend zu verfestigen. „Mir ist es wichtig, in der Hinrunde an den Bayern dranzubleiben. Wir sind gerade in der Hinrunde in den vergangenen Jahren oft hinterhergerannt. Wenn wir das ändern können, entwickelt sich vielleicht etwas“, so Schlotterbeck.
Für den Anfang sieht das schon mal recht vielversprechend aus. „Die Bayern haben am Samstag vorgelegt, wir haben am Samstag nachgelegt und bleiben dran“, sagte er zufrieden. Dann ging Nico Schlotterbeck nach Hause und feierte im Familienkreis sein gelungenes Comeback.
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