Verrohung der Sitten im Gentlemen-Sport
Als Shane Lowry den entscheidenden Putt zum historischen Sieg der Europäer versenkt hatte, brach es aus ihm heraus. Er rannte über des 18. Grün des Bethpage-Black-Kurses, sprang immer wieder in Höhe und nahm bald darauf jeden in den Arm, der von ihm geknuddelt werden wollte.
Europa hatte erstmals seit dem eigenen Triumph von 2012 wieder einen Ryder Cup auswärts gewonnen und die US-Amerikaner im alle zwei Jahren stattfindenden Kontinentalvergleich auf deren eigenen Terrain besiegt. 15:13 hieß das Ergebnis am Ende eines dramatischen Sonntags, an dem die Europäer fast noch Opfer ihrer eigenen Nerven geworden wären und kurz davor waren, das größte Comeback der Ryder-Cup-Geschichte zuzulassen.
Zwei Tage lang hatten sie die favorisierten Amerikaner vor deren eigenen Fans in Grund und Boden und sich selbst zu einem haushohen Vorsprung gespielt. Die zwei noch fehlenden Punkte aus elf Einzeln am Sonntag schienen nicht mal mehr Formsache zu sein. Dann aber verloren die Europäer am Schlusstag Match um Match, einzig der Schwede Ludvig Aberg konnte sein Spiel gewinnen. Die Europäer retteten sich nur dank einiger Unentschieden, die jeweils einen halben Punkt bringen, über die Ziellinie. Den entscheidenden geteilten Zähler steuerte Lowry mit seinem versenkten Zwei-Meter-Putt zum Birdie bei.
Im Interview nach der golferischen Heldentat fand der 38-Jährige zunächst kaum Worte, zu groß waren die Emotionen. Dann wichen die Tränen aber doch noch einigen Dankesworten und Superlativen. Am Ende des kurzen Gesprächs wurde der Ire dann gefragt, wie besonders es für ihn sei, dass der nächste Ryder Cup im Jahr 2027 in seiner Heimat ausgetragen werde. Lowry, sagte, dass es ihm die Welt bedeute und schloss mit den Worten: „Es wird dort netter werden.“
Die Gastgeber dürfen im Ryder Cup alles bestimmen
Denn nett war es auf dem Platz nahe New York in den drei Tagen nicht zugegangen. Im Gegenteil. Es gehört zum besonderen Zauber des Ryder Cups, dass es dort anders zugeht als bei gängigen Golfveranstaltungen. Der europäische Anführer Rory McIlroy hatte im Vorfeld zurecht davon gesprochen, dass ein Auswärtssieg im Ryder Cup derzeit zu den größtmöglichen Leistungen im Golf zählt.
Dies liegt zum einen an der Macht der Gastgeber, die über alles bestimmen können, was den Golfplatz betrifft: von der Auswahl der Anlage, über die Höhe des Grases, die Fahnenpositionen auf dem Grün, bis hin zur Bestimmung der Abschlagboxen – alles wird so ausgerichtet, dass es der eigenen Mannschaft passt und dem Gegner bestenfalls nicht.
Der wichtigste Punkt sind aber die Zuschauer, die ihr Heimteam bedingungslos nach vorn peitschen und eine Atmosphäre schaffen, wie es sie auf Golfplätzen sonst nicht gibt. Sprechchöre hallen über die Anlage, jeder gelochte Putt wird genauso bejubelt wie Fehlschläge des Gegners. Schon das ist im Gentlemensport Golf grenzwertig, gehört aber zu diesem Event und wird von allen Spielern toleriert. Das gilt in der Regel auch für bissige Sprechchöre. So feierten die Fans 2010 in Wales beim Einlauf von Tiger Woods dessen schwedische Frau, die sich wenige Wochen zuvor hatte scheiden lassen: „Elin is a Euro, oh oh oho oh oh.“ Da musste selbst Woods ein wenig schmunzeln.
Donald Trump war live vor Ort
Was sich aber nun in New York abspielte, hat auf einem Golfplatz genauso wenig zu suchen wie sonst wo in einer zivilisierten Gesellschaft. Die Europäer, allen voran der Nordire McIlroy, wurden von Teilen der Zuschauer mehr oder weniger durchbeleidigt. Beim Golf ist dies wegen der sehr großen Nähe zu den Besuchern möglich, die entlang der Bahnen nur durch gespannte Seilen von den Spielern getrennt werde. Ob Herkunft, Körpergewicht oder private Probleme – nichts schien zu niveaulos, als dass es nicht heraus krakeelt wurde.
Auch McIlroys Frau wurde Opfer der Peinlichen, selbst ein Bierbecher flog in ihre Richtung. Zudem wurde wiederholt in der Schlagvorbereitung und dessen Ausführung hineingeschrien – die aus sportlicher Sicht größte Unsitte. Die Veranstalter sahen sich gezwungen, auf den Videoleinwänden einen gemäßigten Umgang mit Alkohol einzufordern. Und dass ein Golfer wie McIlroy mit erhöhtem Polizeischutz über den Platz gehen muss, ist fast schon absurd.
Donald Trump hatte vor einigen Tage bei der Beerdigung von Charlie Kirk einen sehr unchristlichen Satz von sich gegeben, nachdem dessen Witwe dem Attentäter vergeben hatte. „Ich hasse meine Gegner, und ich wünsche ihnen nichts Gutes“, widersprach der US-Präsident: „Tut mir leid, (....) aber ich kann die Gegenseite einfach nicht ausstehen.“ Freitag war Trump denn über Bethpage Black publikumswirksam in der „Air Force One“ gekreist und wohnte dem Ryder Cup anschließend als Zuschauer bei. Er konnte also live miterleben, wie Zuschauer den Gegner respektlos niedermachten.
Bleibt zu hoffen, dass er auch die amerikanischen Spieler gesehen hat. Diese müssen von der Kritik explizit ausgenommen werden. Vor allem Justin Thomas versuchte im Vierermatch gegen McIlroy die eigenen Fans auf den Grüns immer wieder mit beschwichtigenden Gesten zu beruhigen. Er und seinen Kollegen benahmen sich bei allen Emotion wie Sportler, Gentlemen und am Ende knappe, aber gute Verlierer.
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