„Ich wurde als Adolf Hitler beschimpft“
Wer auch nur erahnen will, wie sich Shane Lowry am Sonntag vor seinem entscheidenden Putt gefühlt hat, muss bei Martin Kaymer nachfragen. Der deutsche Golf-Profi weiß ganz genau, wie es ist, sich in die Geschichtsbücher seines Sports zu lochen. Aus knappen zwei Metern versenkte er beim Ryder Cup 2012 seinen Ball, holte den entscheidenden Punkt für Team Europa und komplettierte damit das „Wunder von Medinah“ – die bis dahin unglaubliche Aufholjagd auf US-Boden. Vor den Einzeln hatte es noch 10:6 für die USA gestanden, am Ende siegte Europa damals mit 14,5:13,5.
„Den Putt zu machen: Ich weiß einfach, was für ein Riesengeschenk das ist“, berichtete Kaymer nun im Podcast „Tee Time“ bezogen auf den jüngsten Triumph des europäischen Teams (15:13), den der Ire Lowry am 18. Loch seines Einzels gesichert hatte. Es war genau dieselbe Situation wie damals bei Kaymer – nur dass diesmal nicht Europa die Aufholjagd startete, sondern sich gegen das aufkommende US-Team erwehren musste.
„Mein Vorteil war, dass ich den Moment total präsent und bewusst wahrgenommen habe. Ich wusste, der Putt ist für den Ryder Cup – dafür dass Europa oder Amerika gewinnt. Ich war total begeistert, habe mich gefreut auf den Moment. Das war ein Vorteil“, erinnert sich Kaymer. Dass er den immensen Druck, der in einem solch entscheidenden Moment auf seinen Schultern lastete, nicht als hinderlich wahrgenommen hat, hätte an seiner Karriere bis dahin gelegen.
„Ich glaube, dass ich in der Lage war, so gut zu reagieren, weil ich sehr wenig Negatives vor diesem Erlebnis erlebt. Ich hatte noch keine Scar Tissues (psychische Narben, d. Red.) durch schlechte Performances. Diese Erfahrung hatte ich noch nicht“, sagte der viermalige Ryder-Cup-Teilnehmer: „Die kommen natürlich im Laufe der Karriere – und ich hatte sie jetzt auch. Aber damals hatte ich noch keine schlechten Erfahrungen. Ich habe nicht eine Sekunde darüber nachgedacht, was passiert, wenn der Putt daneben geht. Das ist ein Riesenvorteil gewesen.“
Der diesjährige Ryder Cup hatte aber nicht nur die sportlich schöne Seite, die des dramatischen wie historischen Auswärtssieges Europas. Einige der Zuschauer im Bethpage State Park vor den Toren New Yorks zeigten sich menschlich von ihrer hässlichsten Seite. Die europäischen Spieler wurden samt Anhang bepöbelt, beleidigt und verhöhnt, mit Bierbechern beworfen oder im Schlag gestört. Gerade Rory McIlroy entwickelte sich an den drei Tagen auf dem Black Course zum Feind des US-Publikums.
Ansagerin heizt Publikum zu „Fuck you Rory“-Chören an
Ganz unschuldig waren die Offiziellen vor Ort nicht, auch wenn sie mit Verhaltensregeln auf den Leinwänden für Ordnung sorgen wollten. Heather McMahan, die die Partien am ersten Loch ansagte, hatte das Publikum am Samstag zu „Fuck you, Rory“-Chören angeheizt. Vor den Einzeln am Sonntag war sie dann von ihren Aufgaben zurückgetreten und hat sich entschuldigt. „Es ist ein ganz falscher Platz für so etwas. Da fängst du den Tag ja schon mit einer Dummheit an“, ordnete Kaymer das Verhalten der Ansagerin ein.
Auch zu den Beleidigungen hatte der zweifache Major-Champion eine eigene Geschichte. Zwar sei mit ihm und seinem Team „immer respektvoll umgegangen“ worden. An einen Zwischenfall mit Fans erinnert sich der heute 40-Jährige aber noch. „Ich glaube schon, dass die Amis auch super Fans sind, die einfach total leidenschaftlich dabei sind. Du hast immer ein paar Idioten dabei, die respektlos sind. Ich wurde damals teilweise als Adolf Hitler beschimpft. Da steht ein erwachsener Mann neben seinem Kind und schreit so was. Das sind einfach Idioten“, sagte Kaymer.
Im Vergleich zwischen den im Zweijahresrhythmus wechselnden Austragungsorten des Kontinentalvergleichs sieht Kaymer in Bezug auf das Publikum einen klaren Sieger. „Beide Fanlager haben Vor- und Nachteile. Die Europäer sind aber einfach respektvoller“, sagte er. „Klar gibt es auch in Europa ein paar Idioten, aber in Amerika ist es noch mal ein anderes Level.“ Gerade Aktionen wie solche gegen McIlroys Frau Erica Stoll kritisierte Kaymer: „Wenn die Familie mit reingezogen wird, hat das nichts mehr mit Sport zu tun. Ich finde, man sollte die sportliche Leistung respektieren.“
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke