Nach einer körperlichen Tortur hat Laura Philipp auf den letzten Metern eines hochdramatischen Rennens ihr Lächeln wieder gefunden. Schon weit vor dem Ziel ging der Daumen nach oben, im Zielkanal klatschte sie mit ausgebreiteten Armen die Zuschauer ab. „Es war auf jeden Fall für mich persönlich der härteste Tag, den ich je hatte“, sagte sie der ARD: „Ich hatte viele schwere Momente und bin stolz, dass ich bei mir geblieben bin.“

Aus der so erhofften Titelverteidigung bei der Ironman-Weltmeisterschaft in Hawaii wurde es nichts für die 38 Jahre alte Profi-Triathletin aus Heidelberg, nachdem sie vor gut einem Jahr in Nizza über die 3,86 Kilometer Schwimmen, 180,2 Kilometer Radfahren und 42,2 Kilometer Laufen triumphiert hatte. Hinter der norwegischen Überraschungssiegerin Solveig Løvseth und der Britin Kat Matthews schaffte es Philipp aber noch aufs Podest – wonach es lange nicht ausgesehen hatte.

Doch die extremen Bedingungen brachten sogar die Besten an ihre Grenzen – und darüber hinaus. „Ich wurde so richtig durchgekocht“, sagte Philipp. Andere erwischte es aber noch heftiger.

Ausscheidungsrennen auf den letzten Kilometern

In einem wahren Hitze-Drama auf der Laufstrecke musste zuerst die Hawaii-Siegerin von 2023, Lucy Charles-Barclay, aufgeben. Drei Kilometer vor dem Ziel ging dann bei Taylor Knibb aus den USA nichts mehr. Beide waren getorkelt, beide schienen kurz vorm Kollaps. Beide hatten das Feld lange angeführt und vor allem auf der Radstrecke mächtig Tempo gemacht.

„Es ist nicht die Art und Weise, wie man aufs Podium kommen will“, sagte Mit-Profiteurin Philipp. Es sei aber auch darum gegangen, das Tempo so zu gestalten, um das Ziel zu erreichen. „Was da draußen passiert ist, ist noch nicht so oft passiert in einem Rennen.“

Dabei gab’s die erste böse Überraschung schon beim Wachwerden mitten in der Nacht. Nicht nur, dass sie schlecht geschlafen hatte, es hatte auch noch ordentlich geregnet im Urlaubsparadies, das an diesem Tag mit Relaxen gar nichts zu tun hatte. Zum vorerst letzten Mal gehörte die Sehnsuchts-Bühne des Langstrecken-Triathlons nur den Frauen. Im kommenden Jahr wird Ironman wieder die Männer und die Frauen zusammen an einem Ort - in Kailua-Kona - starten lassen.

Eine schwimmt allen davon

Über 1600 Frauen hatten sich diesmal qualifiziert im Profi- und Altersklassenbereich. Laura Philipp sprang mit der Startnummer 1 der Titelverteidigerin nach ihrem Triumph vor gut einem Jahr in Nizza ins warme Pazifik-Wasser. Neoprenanzüge waren nicht erlaubt, einer wie Charles-Barclay konnte das egal sein, die Britin wollte sich mal als Schwimmerin für die Olympischen Spiele in London qualifizieren.

Das klappte nicht, dafür wurde sie eine der prägenden Triathleten. 2023 gewann sie die WM in Hawaii, viermal war sie zuvor Zweite geworden. 2019 wurde sie geschlagen von Anne Haug, der bis dato immer noch einzigen Hawaii-Gewinnerin aus Deutschland.

Wie das Rennen begann

Dabei lief es für Laura Philipp, die mit 24 Jahren erst Schwimmen richtig gelernt hatte, in der ersten Disziplin auch zu ihrer eigenen Überraschung recht gut. Um 6.25 Uhr morgens gab traditionell ein Kanonenschuss das Rennen frei. In einer zweiten Verfolgergruppe konnte sich die deutsche Mitfavoritin halten und stieg gut sechs Minuten nach Charles-Barclay aus dem welligen Wasser.

Was zunächst dennoch vielversprechend aussah, entwickelte sich dann aber nicht im Sinne von Laura Philipp und ihrem Trainer und Ehemann Philipp Seipp. „Das Radfahren war bisher Kindergeburtstag“, sagte er der ARD am Streckenrand, bevor es hoch ging zum Wendepunkt der Radstrecke. Doch der Gegenwind auf dem Rückweg machte auch Laura Philipp zu schaffen, der Rückstand auf die Spitze wuchs.

Dort lieferten sich Charles-Barclay und Knibb ein Duell. Spätestens als die Britin eine einminütige Zeitstrafe absitzen musste, weil sie eine Trinkflasche verloren hatte, fuhr die Amerikanerin etwas davon. Als Führende startete sie auf die Laufstrecke, 1:43 Minuten später kam Charles-Barclay, weitere vier Minuten danach Løvseth, der Debütantin aus dem Land von Casper Stornes, der im vergangenen Monat die Männer-WM in Nizza gewonnen hatte.

Aufholjagd auf 42 Kilometern

Philipps Rückstand war mittlerweile auf 15 Minuten angewachsen, mit ihr nahm Nizza-Vizeweltmeisterin Kat Matthews den Marathon in Angriff. Deren Tempoverschärfung konnte Philipp aber nicht mitgehen. Ganz vorn setzte sich Charles-Barclay mit einem Klaps für Knibb an die Spitze nach rund sieben Kilometern – aber zu früh gefreut.

Die Weltmeisterin von 2023, die damals mit einem Muskelfaserriss in der Wade nach nicht mal zwei Kilometern zu ihrem ersten WM-Triumph in Hawaii rannte, torkelte durch eine Verpflegungsstelle. Sie stopfte sich verzweifelt Eiswürfel in den Rennanzug. Die Führung hatte sie vorher schon wieder hergeben müssen an Knibb. In den Armen ihres Mannes, der sie stoppte, beendete Charles-Barclay völlig aufgelöst das Rennen und wurde im Medical Car betreut.

Philipp mit Spezialfach im Rennanzug

Den Körper kühlen, kühlen, kühlen – und dabei kühlen Kopf bewahren. Genau das machte Philipp. Ihr Anzug trug ein Extra-Fach für Eiswürfel, zudem hatte sie ein kühlendes Tuch für den Nacken dabei. Sie zeigte keine Schwäche, sie kämpfte und lief konstant stark. Das nächste Drama gab’s weiter vorne: Bei Knibb ging auf einmal auch nichts mehr – drei Kilometer vor dem Ziel. Sie torkelte ebenfalls wie benommen und setzte sich entkräftet auf den Asphalt. Løvseth passierte, Matthews zog vorbei – und Philipp.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke