Genervter Nagelsmann hält Torwart-Debatte für überflüssig
Es lief die 88. Minute am Montagabend im Windsor Park zu Belfast. 0:1 lag Nordirland daheim gegen die deutsche Nationalmannschaft zurück. Viel Zeit blieb also nicht mehr, um zumindest noch einen Punkt zu holen. Callum Marshall kam an den Ball, mit dem er in den Strafraum zog, um dann aus rund acht Metern zu schießen. Oliver Baumann tauchte ab und parierte den Ball im Nachfassen glänzend. Ein großartiger Reflex des Torhüters, der zuvor schon bei zwei, drei Aktionen stark reagiert und gehalten hatte.
RTL-Kommentator Wolff-Christoph Fuss fand nach der Baumann-Parade kurz vor dem Abpfiff zum einen lobende Worte für den 35 Jahre alten Keeper von der TSG 1899 Hoffenheim. Er sagte zum anderen aber auch das: „Wenn Oliver Baumann das Problem in der deutschen Nationalmannschaft ist, dann haben wir keins.“
Warum Fuss das sagte? Rund um die Qualifikations-Partien zur WM in Nordirland und zuvor gegen Luxemburg (4:0) war über eine mögliche Rückkehr von Manuel Neuer ins Tor der Nationalelf spekuliert worden. Eine Debatte, die Bundestrainer Julian Nagelsmann für „nicht zielführend“ hält, wie er es nach dem 1:0 (1:0)-Sieg am Montagabend formulierte – gerade auch mit Blick auf die derzeitige Nummer eins. „Jeder, der Mensch ist, kann sich gut vorstellen, dass es ihn nicht völlig kaltlässt“, sagte Nagelsmann und zeigte sich zufrieden mit den Leistungen Baumanns.
Experten befeuern Neuer-Debatte
„In den letzten zehn Spielen haben wir keines verloren, weil wir einen schlechten Torhüter drin hatten“, betonte Nagelsmann und stellte klar: „Wir haben aktuell kein Torwartproblem. Es kann im Sommer alles ganz anders werden, wenn ganz viele Dinge schlecht laufen.“ In Abwesenheit des derzeit verletzten Marc-André ter Stegen hütet Baumann das deutsche Tor.
Im Vorfeld der Partie gegen Luxemburg am vergangenen Freitag hatte erst Matthias Sammer die Neuer-Debatte befeuert, dann auch noch Joachim Löw.
Sammer, Europameister von 1996, hatte bei Sky gesagt: „Wenn wir es uns leisten können, auf die Besten zu verzichten, dann sollten wir nicht den WM-Titel als Ziel ausgeben.“ Löw, der als Bundestrainer mit Deutschland 2014 in Brasilien den WM-Titel gewann, sagte der „Bild“: „Wenn Manuel Neuer weiterhin auf diesem allerhöchsten Niveau spielt, wie wir es zuletzt gesehen haben und seit vielen Jahren kennen, bin ich mir sicher, dass Julian Nagelsmann das im Blick hat.“ Eine mögliche Rückholaktion, fügte er an, müsse rein sportlich bewertet werden und dürfe „keine Entscheidung aus Nostalgie sein“, aber Löw ist sicher, „dass Julian darüber nachdenkt, Manuel zurückzuholen“.
Eigentlich ist ter Stegen die Nummer eins
Neuer hatte nach der Heim-EM im vergangenen Jahr seinen Rücktritt aus dem Nationalteam erklärt – nach 124 Länderspielen. Im Anschluss war ter Stegen zur neuen Nummer eins aufgestiegen. Da dieser nun verletzt ist und wegen einer Rücken-Operation noch länger ausfällt, ist Baumann im Tor der Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) gesetzt. Rund um die Spiele gegen Luxemburg und Nordirland waren zudem Alexander Nübel (VfB Stuttgart) und Finn Dahmen (FC Augsburg) nominiert. Nachdem Dahmen verletzt abreisen musste, rückte Noah Atubolu vom SC Freiburg nach.
So gut es ter Stegen oder Baumann zuletzt auch machten, immer wieder kam die Diskussion über ein mögliches Comeback von Neuer auf – auch vor dem Hintergrund, dass die Nationalmannschaft oft nicht stabil war. Zudem bemängelten einige Experten fehlende Führungspersönlichkeiten – etwa Profis wie Toni Kroos, der vor dem EM 2024 in die Nationalelf zurückgekehrt war.
Auf die Frage, ob Neuer die Nationalmannschaft führen könnte wie Kroos es getan habe, hatte Kapitän Joshua Kimmich im Interview mit WELT AM SONNTAG gesagt: „Manu kann jede Mannschaft führen. Er ist seit 20 Jahren der beste Torhüter der Welt. Am Ende war es seine Entscheidung, zurückzutreten. Und wir alle haben seine Entscheidung zu respektieren. Insgesamt sind wir auf der Torhüterposition sehr gut besetzt, Oliver Baumann hat die letzten Spiele hervorragend gehalten.“
So wie auch in Belfast. Deshalb sei die Diskussion, wie Nagelsmann sagte, für keinen von Vorteil. „Ich glaube auch nicht für Manu. Für die Ruhe, die er bei Bayern braucht für seine zweifelsfrei guten Leistungen. Meines Wissens ist Manu auch zurückgetreten. Ich wundere mich, warum wir das jede Woche drei Stunden diskutieren“, sagte Nagelsmann, den die Debatte nervt. Baumann hingegen reagierte auf die bohrenden Fragen so cool wie bei seinem Auftritt zuvor auf dem Rasen.
Nagelsmann genervt, Bauman cool
Ob er denn nun nicht Ansprüche stellen könne, als Nummer eins zur WM 2026 zu fahren? „Da würde ich appellieren, dass wir die kurzfristigen Ziele angehen sollen. Für mich ist es so, dass ich so eine Leistung wie heute abliefern möchte“, sagte der 35-Jährige. Die Teilnahme zähle für ihn, nicht die persönliche WM-Perspektive. Sonderlich emotional wirkte der Team-Senior aber nicht – eher abgeklärt. In seinen acht Länderspielen seit Oktober 2024 spielte Baumann viermal zu null: „Wie immer erwähnt, ich möchte der Mannschaft helfen. Ich weiß, für euch ist es langweilig, aber für mich fühlt es sich extrem gut an.“
Baumann konnte nicht gelockt werden und vermied jeden Vergleich mit seinen Vorgängern als Nummer eins, ob nun ter Stegen oder Neuer. Dass es kein Problem im Kasten gebe, wollte auch Jonathan Tah hervorheben. „Als Mannschaft bekommen wir gar nicht so viel von der Situation mit. Ich kann nur sagen, dass Olli es überragend gemacht hat“, sagte der Verteidiger des FC Bayern: „Man hat das Gefühl, da ist jemand, auf den man sich immer verlassen kann. Auch in brenzligen Situationen.“
Die wird es in den verbleibenden Qualifikationsspielen eher bei der zweiten Aufgabe geben. Am 14. November tritt die deutsche Elf erst in Luxemburg an, drei Tage später dann in Leipzig gegen die Slowakei. Es könnte ein Endspiel um Platz eins in der Gruppe A werden. Aktuell führt die Nagelsmann-Auswahl die Gruppe mit neun Punkten an, gefolgt von der Slowakei mit ebenfalls neun Zählern und den Nordiren mit sechs Punkten.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke