Seine grünblauen Augen leuchten, und ein Lächeln erhellt sein Gesicht, wenn er über die Comic-Helden seiner Kindheit ins Plaudern gerät. „Natürlich war auch ich ein riesiger Fan von Asterix und Obelix und bin das bis heute geblieben. Die beiden haben mich in vielerlei Hinsicht sehr geprägt“, erzählt Matthias Steiner, einst stärkster Mann der Welt, beim Gespräch im Wohnzimmer seines in der Nähe von Wien gelegenen Hauses.

Als Beweis verschwindet der Olympiasieger im Gewichtheben kurz auf den Dachboden, um von dort mit einem Stapel jahrzehntealter Asterix-Alben zurückzukommen. Nachdem der 43-Jährige die etwas abgegriffenen Werke, die noch in Schilling und D-Mark ausgepreist wurden, auf dem Couchtisch abgelegt hat, geht er in das Zimmer seines jüngsten Sohnes, Max, und bringt ein gutes Dutzend weiterer Hefte mit.

„Max verschlingt die Alben regelrecht, liest sie meistens zwei oder sogar dreimal. Er ist vernarrt in die Abenteuer der Gallier – so wie ich früher“, sagt Steiner. Wie viele von den 40 bislang aufgelegten Ausgaben er noch hat, vermag er aus dem Stegreif nicht zu sagen. Komplett sei seine Sammlung nicht mehr, denn hin und wieder verleihe er einen Band an Freunde, von denen er die dann aber nicht wiederbekommen habe.

Der gebürtige Österreicher, der auch Deutscher wurde, um seinen Traum vom Olympiagold zu verwirklichen und nach seiner glorreichen Sportkarriere als Buchautor, Motivationsredner und nunmehr als erfolgreicher Unternehmer in der Lebensmittelbranche für Aufsehen sorgt, kann die Veröffentlichung der Neuerscheinung „Asterix in Lusitanien“ kaum erwarten. Wobei ihn der zwölfjährige Max bat, gleich zwei Exemplare zu kaufen, damit sie die Geschichte gleichzeitig lesen können.

WELT AM SONNTAG: Herr Steiner, fühlten Sie sich geschmeichelt, wenn man Sie in jungen Jahren als Obelix bezeichnete?

Matthias Steiner: Alle Achtung, da haben Sie aber gut recherchiert. Es stimmt, dass sie mich Obelix nannten. Vor allem, als mein Bauch dicker wurde und ich 150 Kilogramm auf die Waage brachte. Ich fand das lustig, konnte bestens mit dem Vergleich leben, auch wenn Obelix tollpatschiger, phlegmatischer und nicht so smart wie Asterix durchs Leben geht. Dafür aber ist Obelix ein sensibler Herzensmensch, so wie ich es bin, und er ist immer stark, und stark kommt gut an. Wobei ich aber auch Wesenszüge von Asterix besitze, wie mir Weggefährten oft bestätigten.

WAMS: Welche?

Steiner: Als Bub war ich auch frech, manchmal sogar zu frech – fragen Sie mal meine Mutter. Ich wuchs auch in einem Dorf auf, war ebenso furchtlos und bin das noch heute. Und in gewisser Weise war ich so wie Asterix ein Krieger, der sich gegen Ungerechtigkeiten zur Wehr setzt und bedingungslos für seine Ziele kämpft. Ich habe nicht nur die Alben verschlungen, sondern die meisten Filme gleich mehrmals gesehen und besaß auch Brettspiele. Damals gab es ja noch keine Handys, Fernsehen durfte ich daheim nur wenig schauen, sodass ich mich viel mit den Comics beschäftigt habe. Sie waren und sind meine Welt, weil die Helden stets Stärke demonstrieren, aber eben auch trotz vieler Prügeleien mit der Botschaft, es soll niemand wirklich zu Schaden kommen. Das hat mich später als Gewichtheber auch ausgemacht.

WAMS: Inwiefern?

Steiner: Dass ich sehr stark war, aber meine Kraft nicht sinnlos anwendete, sondern nur, wenn ich sie brauchte.

WAMS: So wie bei Ihrem legendären Olympiasieg in der Königsklasse des Gewichthebens, bei dem Sie als Superschwergewichtler mit Bestleistungen in beiden Teildisziplinen – 203 Kilogramm im Reißen und 258 kg im Stoßen – über sich hinauswuchsen.

Steiner: Schon als kleiner Junge habe ich mich gern mit anderen gemessen. Wenn heute darüber diskutiert wird, ob das gut oder gesund ist für Kinder, kann ich nur sagen: Aber selbstverständlich! Dass sich Menschen messen wollen, liegt in der Natur des Menschen. Wir wollen beim Fußball gewinnen, wollen stärker sein, wollen uns beweisen. Beim Gewichtheben war es immer mein Antrieb, unbedingt der Stärkste zu sein, so wie Obelix es verkörperte, nachdem er in einen Kessel mit Zaubertrank gefallen war.

WAMS: Mit welcher Magie lässt sich denn Ihre außergewöhnliche Stärke erklären? Neben Olympiagold holten Sie auch Titel bei Welt- und Europameisterschaften.

Steiner: Ich fiel in einen Kessel des Fleißes und der Kontinuität. In jungen Jahren trainierte ich nicht oft, also nicht fünf- oder sechsmal die Woche, was zu viel gewesen wäre. Dafür aber regelmäßig zweimal wöchentlich. Ich ließ nie eine Übungseinheit aus, egal wie gut oder schlecht es mir ging. Das hatte einen ganz bestimmten Grund.

WAMS: Und zwar welchen?

Steiner: Da ich weniger als die anderen trainierte und meine Leistungen demzufolge noch nicht so gut waren, nahm man mich in Österreich nicht so ernst. Auch als ich besser wurde, bin ich fortwährend der Anerkennung hinterhergelaufen. Die habe ich nie so bekommen, wie ich sie gern gehabt hätte. Oftmals fühlte ich mich deshalb wie Troubadix, der Barde des gallischen Dorfes, den keiner hören will und dem auch die Wertschätzung versagt wird. Ich ließ mich aber nie entmutigen, schuf mir durch meinen unermüdlichen Fleiß eine stabile Basis für später, die mir dann auch die Kraft gab, um über den Tod meiner ersten Frau hinwegzukommen und weiter intensiv an der Verwirklichung meiner sportlichen Träume zu arbeiten.

WAMS: Wobei Sie vermutlich auch so gern gegessen haben wie Obelix, oder?

Steiner: Wenn wir Obelix aus dieser Perspektive betrachten, bin ich bis heute der Obelix.

WAMS: Was umso erstaunlicher ist, wenn man Sie jetzt anschaut. Mit Ihren gut hundert Kilogramm wiegen Sie nun ein Drittel weniger als zu Ihren sportlichen Glanzzeiten.

Steiner: Ein ganzes Wildschwein würde ich heute auch nicht mehr vertilgen. (lacht) Bezüglich meines Körpergewichts ging es mir auch wie Asterix und Obelix, die immer dann aktiv wurden und reagierten, wenn irgendwelche Dinge passierten. Nachdem ich mit dem Leistungssport aufgehört hatte, drückte ich unverzüglich den Reset-Knopf. Denn damals stand ich vor einem Leben, das dringend neue Inhalte erforderte.

WAMS: Und entwickelten zur gesunden Gewichtsreduzierung zunächst Brote mit viel Eiweiß und wenig Kohlenhydraten für den Eigenbedarf. Heute sind Sie mit Ihrer STEINERfood GmbH erfolgreicher Unternehmer, der anderen Menschen dabei hilft, einen gesünderen Lebensstil zu führen. Was in der Branche als außerordentlich mutig galt, da Sie zuvor nie etwas damit zu tun hatten.

Steiner: Das war mehr als mutig, was ich mir vorgenommen hatte. Im Gegensatz zu Asterix mussten wir nicht gegen einen, sondern gleich gegen mehrere mächtige Cäsaren kämpfen, um einen Fuß in den Markt zu bekommen. Auch aufgrund meines Diabetes suchten wir nach Alternativen zu stark kohlenhydratlastigen Lebensmitteln, denn das Sixpack entsteht in der Küche und nicht im Fitnessraum. Ich esse sehr gern Brot und Brötchen, doch die hatten entweder zu viele Kohlenhydrate oder schmeckten nicht. So reifte halt der Gedanke, dass es doch noch etwas anderes geben muss als das, was man zu kaufen bekommt.

WAMS: Wie viele Produkte haben Sie mittlerweile im Angebot?

Steiner: Es sind über 30, von Pasta bis Kuchen, die wir vor allem online vertreiben, und es werden noch mehr werden. Außerdem sind wir bei großen Lebensmittelketten gelistet, was auch sehr gut läuft.

WAMS: Wie viele Mitarbeiter beschäftigen Sie?

Steiner: Zehn. Darüber hinaus haben wir diverse externe Partner, die sich um die Produktion und Logistik kümmern. Ich spreche das sehr selten aus, doch wir sind außerordentlich stolz, auf das, was wir uns inzwischen geschaffen haben.

WAMS: So wie Sie als Geschäftsmann durchgestartet sind, wollten Sie das auch als Sänger. Vor acht Jahren sorgten Sie mit Ihrem Debütalbum „Zurückgeliebt“ in der Schlagerszene für einen Hype. Seither verstummte Ihre Stimme. Warum?

Steiner: Der Einstieg lief verheißungsvoll. Ich trat in renommierten TV-Sendungen und bei Radiostationen auf, doch dann kam Corona. Wenn schon die etablierten Künstler in dieser Zeit große Probleme hatten zu überleben, hat sie ein Neuling, wie ich einer war, erst recht. Parallel zur Musik befanden wir uns in der Gründungsphase unseres Unternehmens, was unheimlich viel Zeit und Nerven kostete. Damals kam dann der Sportler wieder so richtig in mir durch, der sich sagte: Matthias, du musst Prioritäten setzen! Und die lagen eindeutig auf der Firma.

WAMS: Also gaben Sie das Musizieren auf?

Steiner: Keinesfalls. Daheim sitze ich abends oft am Klavier und erhole mich beim Spielen von klassischen Stücken. Manchmal lege ich mich auch zu Max, um mit ihm Asterix-Hefte anzuschauen. Ich finde es dann echt schräg, wenn ich als Erwachsener wieder in diese Comic-Welt eintauche, als wäre die Zeit stehen geblieben.

WAMS: Wann hielten Sie Ihr erstes Asterix-Album in den Händen?

Steiner: Das war 1987, mit fünf Jahren, es war der in jenem Jahr erschienene Band „Asterix im Morgenland“. Mitgebracht hatte ihn mein Vater, wobei es eine witzige Nummer war, wie er in den Besitz dieser Ausgabe kam. Er kannte jemanden, der in Wien in der Müllverbrennungsanlage arbeitete, wo manchmal auch Sachen ankamen, die man noch nicht hätte wegwerfen müssen. Dazu gehörte ebenjenes Asterix-Heft, das mein Vater von seinem Bekannten bekam, um es mir zu geben. Es war also vom Müll.

WAMS: Gibt es eine Asterix-Episode, die Sie besonders begeisterte?

Steiner: Diese Frage kann ich unmöglich mit wenigen Worten beantworten. Jedes Album fesselte mich und regte meine Fantasien an. So weckte „Asterix bei den Olympischen Spielen“ bei mir schon die Vision, auch einmal daran teilnehmen zu wollen. Oder als ich in den 1990er-Jahren mit meinen Eltern nach Korsika in den Urlaub flog, las ich vorher den 1973 verlegten Band „Asterix auf Korsika“. Danach war ich von der Mittelmeerinsel derart fasziniert, dass sie bis heute mein Lieblingsurlaubsziel ist. Erst vor Kurzem waren wir wieder dort. Ich möchte aber noch etwas anderes sagen.

WAMS: Bitte.

Steiner: Es täte gut, wenn wir Asterix und Obelix in unserer realen Welt hätten. Auch wenn sie andere vermöbelt haben, so stellte sich am Ende ihres Tages eine friedliche Welt ein. Leider ist das in unserem Dasein derzeit eine Illusion. Auch wenn wir nicht alles beeinflussen können, so sollte doch wenigstens ein jeder täglich zu einem friedvollen Umgang miteinander beitragen. Dann wäre viel gewonnen.

Kurz vor Erscheinen seines neuesten Abenteuers „Asterix in Lusitanien“ (erscheint am 23. Oktober) kommt es zu einer Weltpremiere: eine ganze WELT AM SONNTAG, die ausschließlich mit Bildern von Albert Uderzo und seinem Nachfolger Didier Conrad illustriert wird. Leser finden in dieser Ausgabe die gewohnte Mischung aus Nachrichten, Analysen und Unterhaltung, aber auch Geschichten, die selbst die behäbigen Bewohner eines gallischen Dorfes interessieren könnten.

Sie können diese ganz besondere Ausgabe der WELT AM SONNTAG, ein Sammlerstück, gern hier bestellen.

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