Eigentlich war Bernd Neuendorf nur in die Frankfurter Arena eingeladen worden, um beim Festakt zur Gründung des neuen Ligaverbandes FBL der 14 Frauen-Bundesligisten ein Grußwort zu halten. Doch was der DFB-Präsident am vergangenen Mittwoch vor internationalen Gästen von Uefa, Europas Klub-Verband (EFC) und European Leagues dann äußerte, interpretierten die Anwesenden als Vortrag aus Vorwürfen und Rechtfertigungen, nachdem es schon zuvor mächtig zwischen DFB und Liga geknallt hatte.

Die Verhandlungsführer der Frauen-Bundesligaklubs – Jan-Christian Dreesen (FC Bayern), Axel Hellmann (Eintracht Frankfurt), Oliver Leki (SC Freiburg) und Klaus Filbry (Werder Bremen) – werfen dem DFB mit seinen Unterhändlern Holger Blask (Generalsekretär) und Stephan Grunwald (Schatzmeister) vor, sich nicht an Absprachen zu halten. Speziell nehmen sie übel, dass der Verband sich nicht an die verhandelten, aber noch nicht unterschriebenen Verträge zur Gründung einer Frauen-Bundesliga-Gesellschaft (FBL GmbH) hält.

An dem Joint Venture mit dem Ziel einer besseren Vermarktung und Professionalisierung der Frauen-Bundesliga wären die FBL und die DFB GmbH & Co. KG mit je 50 Prozent beteiligt. Der DFB will in den nächsten acht Jahren 100 Millionen Euro, die 14 Klubs bis zu 900 Millionen Euro investieren. 90 Prozent der Erlöse würden an die Vereine fließen.

Die Klubs ließen die ursprünglich am Mittwoch im DFB-Campus geplante Gründung des Ligaverbandes platzen, luden Neuendorf aber trotzdem als Gastredner in die Arena als Zeichen des guten Willens ein. Der ergriff die Chance, um auch den zehn Vereinen, die nicht direkt in die Verhandlungen involviert sind, ausführlich die DFB-Sicht darzulegen.

Vorwürfe des DFB-Präsidenten kamen bei Klub-Bossen nicht gut an

Fünf Knackpunkte im Joint-Venture-Vertrag griff Neuendorf nach Informationen der „Bild“ auf:

  • Die Stimmverhältnisse in der FBL GmbH: DFB und Liga entsenden je drei Vertreter in die Gesellschafterversammlung. Bei einem Patt soll die Stimme von Ligapräsidentin Katharina Kiel (Frankfurt) doppelt zählen. So soll verhindert werden, dass der DFB geplante Entscheidungen der Klubs blockiert. Der DFB hingegen besteht auf einer Zwei-Drittel-Mehrheit bei Kerngeschäften wie der Haushaltsplanung, der Verwendung seiner 100 Millionen Euro oder der Auswahl der voraussichtlich zwei Geschäftsführer (für Vermarktung und Sport). Eine Mitbestimmung in bestimmten Bereichen sei allein aus kartellrechtlichen Gründen erforderlich.
  • Trotz des auf acht Jahre ausgelegten Joint Venture will der DFB eine Vertragsklausel integrieren, die einen Ausstieg nach vier Jahren ermöglicht. Neuendorf begründete dies damit, dass nach einer Evaluierung die Möglichkeit von Anpassungen bestehen müsse, etwa bei der Frage, ob die 2. Frauen-Bundesliga – bisher eine Amateurliga – aufgenommen werden soll.
  • Zwischen der Frauen-Bundesliga und dem DFB soll ein ab 2026/27 gültiger Grundlagenvertrag geschlossen werden, der die Finanzflüsse regelt. Allerdings sollen sich die Abgaben der Liga an den DFB für den Fall, dass ihre Einnahmen signifikant steigen, nicht entsprechend erhöhen. Diese sogenannte Kappungsgrenze lehnt der DFB ab unter Hinweis darauf, dass die Finanzbehörden diese nicht akzeptieren würden und deshalb auch nicht im Grundlagenvertrag zwischen DFL und DFB verankert sei.
  • Für den Fall, dass das Joint Venture die hohen Erwartungen nicht erfüllt und nach acht Jahren aufgelöst wird, erwarten die Klubs, dass der DFB die Frauen-Bundesliga zu ihrem dann gültigen Zeitwert zurückkauft. Das lehnt der DFB ab, da er neben den 100 Mio. Euro auch Personal, Dienstleistungen, Vermarktungsunterstützung etc. zur Verfügung stelle.
  • Auch thematisierte Neuendorf den künftigen Sitz der Frauen-Bundesliga: Die Klubs wollen in die ehemalige DFB-Zentrale in der Otto-Fleck-Schneise in Frankfurt einziehen. Der DFB präferiert den eigenen Campus, zumal hier die IT- und Rechtsabteilungen sowie das benötige Personal zur Verfügung stünden.

Nicht gut an kam bei den Klub-Bossen, dass Neuendorf den Festakt auch nutzte, um der Liga Vorwürfe zu machen: Nicht einmal 24 Stunden habe man beim DFB den Uefa-Zuschlag zur Austragung der Frauen-EM 2029 feiern können, bis die Klubs ausgerechnet am Folgetag verkündeten, den Ligaverband ohne DFB-Beteiligung zu gründen.

Zudem beklagte Neuendorf, die 100-Millionen-Beteiligung des DFB werde von der Liga kleingeredet, obwohl es sich für einen gemeinnützigen Verein um eine hohe Investition handele.

Den Vorwurf mangelnder Schnelligkeit im Verhandlungsprozess wies der 64-Jährige vehement zurück. Sein Konter: Mitte September habe der DFB den ersten Vertragsentwurf an die Liga geschickt, erst am 31. Oktober, also eine Woche vor dem DFB-Bundestag mit der Wiederwahl Neuendorfs, sei die Rückmeldung mit diversen Änderungen eingegangen. Vor zwei Wochen hat der DFB die neue Version mit den fünf Knackpunkten an die Liga übermittelt.

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Auf der konstituierenden Sitzung des neuen Ligaverbands-Präsidiums, die sich an den Festakt anschloss, war Neuendorfs „Grußwort“ das beherrschende Thema. Wie es nun weitergeht im Machtkampf, ist ungewisser denn je. „Wie sich der Prozess in der Folge gestaltet und ob es zu einem Joint Venture mit dem DFB kommen wird oder die Klubs einen eigenständigen Weg gehen werden, ist zum jetzigen Zeitpunkt völlig offen“, sagte Hellmann.

Im Januar soll weiterverhandelt werden. Neuendorf wies darauf hin, er halte jeden der fünf Knackpunkte für lösbar.

Die höchste (aber unwahrscheinliche) Eskalationsstufe wäre: Die Frauen-Bundesliga marschiert im Alleingang weiter – außerhalb des DFB. Der Verband könnte reagieren, indem er die Ausreißer nicht für den Europacup bei der Uefa meldet und die Vereine der 2. Liga in die Bundesliga hochzieht, um den Deutschen Meister zu ermitteln – allerdings ohne Chance auf eine TV-Vermarktung. Die 14 Klubs könnten ihre Spielerinnen im Gegenzug nicht mehr für die Nationalmannschaft abstellen.

Der Text wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, „Bild“, „Sport Bild“) erstellt und zuerst in der „Bild am Sonntag“ veröffentlicht.

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