Notfallsanitäter Niko Kovac hebt mahnend den Zeigefinger
Mitte Februar heulen in Dortmund alle Sirenen. Auch mit dem herbeigeeilten Trainer Kovac geht's zunächst bergab. Dem Giganten droht die Saison zu entgleiten. Dann die Wende. Der BVB flirtet mit der Königsklasse. Die Hölle ist weit entfernt. Doch Kovac warnt. Er hat zu viel gesehen.
Inmitten des Jubels über das nächste Ausrufezeichen im Rennen um die Champions League erhob Niko Kovac mahnend den Zeigefinger. Denn in der ersten Halbzeit dieses am Ende berauschenden 4:0 (1:0) gegen den VfL Wolfsburg "haben wir einfach nicht gut gespielt", kritisierte der Trainer von Borussia Dortmund und betonte mit Nachdruck: "Gott sei Dank, wurden wir nicht bestraft."
Weil der VfL selbst beste Chancen wie jene durch Andreas Skov Olsen (15.) nicht nutzte, und der BVB zwei Überflieger auf dem Platz hatte. Serhou Guirassy (3., 59.) sowie Karim Adeyemi (69, 73.) trafen jeweils doppelt. Doch Kovac wusste, dass nicht alles glänzte. Der als Notfallsanitäter nach dem zumindest punktetechnischen Unfall mit Ex-Trainer Nuri Sahin verpflichtete Berliner mahnte, während um ihn herum bereits wieder von der Königsklassen-Hymne geträumt wurde.
Ausrutscher darf sich Dortmund im Schlussspurt der Saison nicht leisten - jedes Tor, jeder Punkt zählt, wenn der BVB diese so lange düstere Saison doch noch mit dem Einzug in die Champions League vergolden will. Schon gegen den kommenden Gegner könnten sich Nachlässigkeiten wie gegen Wolfsburg rächen, schließlich muss der BVB am nächsten Sonntag (15.30 Uhr/DAZN und im Liveticker bei ntv.de) bei Bayer Leverkusen bestehen.
Was Sebastian Kehl klar war
"In Leverkusen wird es nie einfach. Wenn wir beide Spiele gewinnen, werden wir eine hohe Wahrscheinlichkeit haben, dass wir (in der Champions League, d. Red.) dabei sind", sagte Sportdirektor Sebastian Kehl: "Aber jetzt nehmen wir diesen Sieg erstmal mit."
Mit nun 51 Punkten ist der BVB wieder mittendrin im Champions-League-Rennen. Zum Abschluss geht es am 17. Mai zu Hause gegen Holstein Kiel. Dann, am 34. Spieltag, "wollen wir mindestens auf Platz vier stehen", sagte Kehl - und damit eine furiose Aufholjagd in der Fußball-Bundesliga krönen. Er habe es auch in den schwierigen Momenten dieser Saison "für möglich gehalten und daran geglaubt", betonte der Sportdirektor: "Mir war klar, dass wir anfangen müssen, Spiele zu gewinnen, und das, was in uns steckt, abzurufen."
Die Mannschaft von Borussia Dortmund erinnerte sich, wie schon häufig in den vergangenen Jahren, auf den letzten Drücker an die eigene Stärke und raufte sich zusammen. Der Schlüssel dazu war und ist Kovac.
Dortmund ist glücklich, dass es Kovac gibt
Als der Trainer den BVB übernommen hatte, fand er eine verunsicherte Mannschaft vor, die auf Platz elf der Tabelle lag. Der Kroate machte sich voller Elan an die Arbeit, doch zunächst konnte auch er die Dortmunder Anfälligkeiten nicht beheben. Beeindruckende Auftritte wechselten sich mit rätselhaft schwachen Spielen ab, erst zum Ende der Saison findet der BVB endlich zu Konstanz.
Kovac drehte an den richtigen Stellschrauben. Seine Umstellung von einer Vierer- auf eine Dreierkette war goldrichtig und stabilisierte das verunsicherte Team. "Das fühlt sich gut an. Wir spielen seit Wochen einen sehr stabilen Fußball", befand Mittelfeldspieler Pascal Groß, der Kovac allgemein lobte: "Er ist sehr klar in seiner Ansprache. Jeder weiß immer, wo er steht." Der sehr stabile Fußball spiegelt sich in fünf Siegen aus den vergangenen sechs Spielen. Genauso wertvoll wie die Punkte ist das Selbstvertrauen, das die Spieler Woche für Woche sammeln.
Dies sei insbesondere Kovacs Verdienst, sagte Kehl: "Niko hat einen richtig guten Job gemacht mit seinem Trainerteam." Aber auch der Sportdirektor stellte klar, dass der BVB nun keinen Millimeter nachgeben dürfe. "Wir müssen trotzdem weiter arbeiten und fokussiert bleiben." Schließlich sei Dortmund noch nicht am Ziel. "Wir haben uns das Momentum erarbeitet und können den Druck hochhalten", sagte Kehl.
Emporgestiegen vom Tor zur Hölle
Wohl kaum ein anderer Spieler zeigt die Kraft des Momentums mehr als Torjäger Serhou Guirassy. Er erzielte gegen Wolfsburg seine Rückrunden-Tore elf und zwölf. Kein anderer Bundesligaspieler traf in dieser Zeit öfter. "Borussia Dortmund muss da spielen. Jetzt haben wir eine gute Position, jetzt liegt es an uns", sagte Guirassy bei Sky zu den Champions-League-Chancen seines Teams.
In der entscheidenden Saisonphase kommt dem BVB auch zugute, kaum Ausfälle zu haben. Die Bank gegen Wolfsburg war am Samstag unter anderem mit Kapitän Emre Can, Marcel Sabitzer, Carney Chukwuemeka und Karim Adeyemi exquisit besetzt. Als Einwechselspieler schoss Adeyemi mit Wut im Bauch über seine Reservistenrolle ebenfalls noch einen Doppelpack.
"Wenn sich die Leute hochschaukeln, dann haben wir alle einen Benefit", sagte Kovac zur aktuellen Konkurrenzsituation. Die schwere Verletzung von Nico Schlotterbeck (Meniskusriss), die Dauer-Formkrise von Julian Brandt oder abfallende Leistungen wie am Samstag von Daniel Svensson bekommt der BVB derzeit gut kompensiert.
Weil die Vereine um sie herum reihenweise die Punkte verschenken, weil es momentan auch wieder zwischen Mannschaft und Fans passt und der BVB nicht länger mit lauten Schlägen am glutleuchtenden Höllentor anklopft, könnte Kovac am Ende im besten Fall noch einmal "Gott sei Dank, wurden wir nicht bestraft" sagen. Dann würde er sich auf die so lange Zeit verhunzte Saison beziehen. Bis dahin aber hebt er den Zeigefinger und mahnt.
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