„Ein Motor, mit dem wir den fantastischen Sound von früher bekommen“
McLaren gehört zu den traditionsreichsten Rennställen der Formel 1, zählte aber jahrelang nicht mehr zur absoluten Spitze. Damit ist es seit vergangener Saison vorbei, als die Briten ihren insgesamt neunten Konstrukteurs-WM-Titel einfuhren, den ersten seit 1998. Und in diesem Jahr läuft es noch besser, McLaren könnte den ersten Einzeltitel seit 2008 feiern: Die Piloten Oscar Piastri und Lando Norris liegen sechs von 24 Rennen auf Platz eins des Rankings.
Das 1963 gegründete Team, seit 1966 in der Königsklasse des Motorsports am Start, führt folgerichtig auch die Konstrukteurswertung mit 246 Punkten an und liegt damit deutlich vor Mercedes (141 Punkte) und Red Bull (105 Punkte). Norris gewann den Auftakt in Australien, Piastri siegte in China, Bahrain, Saudi-Arabien und Miami, wobei der Grand Prix von Miami mit einem Doppelsieg für McLaren besonders herausragte.
Emerson Fittipaldi freut das. Er war der erste Pilot, der 1974 im McLaren Weltmeister wurde. Der Brasilianer gilt als einer der bedeutendsten Fahrer der 1970er-Jahre, bestritt 144 Grand-Prix-Rennen, erzielte 14 Siege und sechs Pole Positions. Neben der Formel 1 gewann er später auch bedeutende Rennen in der IndyCar-Serie, darunter zweimal die Indy 500. Heute ist Fittpaldi 78 Jahre alt. Eir haben mit ihm gesprochen.
Frage: Sie haben McLaren in den Siebzigern groß gemacht. Doch der letzte Titel durch Lewis Hamilton liegt 17 Jahre zurück. Wie stolz sind Sie, dass der Name McLaren jetzt wieder oben in den Ranglisten auftaucht?
Emerson Fittipaldi: Teamboss Zak Brown macht einen fantastischen Job und hat McLaren wieder dorthin gebracht, wo es hingehört. Essenziell ist auch Technikchef Andrea Stella. Er hat sein Wissen von Ferrari zu McLaren mitgebracht. Er hat nicht nur die Technikseite nach vorn gebracht, sondern das gesamte Team motiviert und mitgerissen. Andrea und Zak ist es gelungen, den gesamten Spirit bei McLaren zu verändern.
Frage: Was halten Sie von den beiden Fahrern Lando Norris und Oscar Piastri?
Fittipaldi: Beide sind extrem ehrgeizige und starke Fahrer. Was sie unterscheidet, ist ihr Charakter. Dadurch haben sie auch unterschiedliche Fahrstile. Piastri ist ruhiger als Norris. Beide haben ausgezeichnete Chancen, Weltmeister zu werden. Aber man darf nie Max Verstappen vergessen. Er ist einfach zu stark und kann aus jeder Situation noch das Beste heraus zaubern – selbst wenn Red Bull nicht das stärkste Auto hat. Ich habe es beim Großen Preis von Brasilien 2024 selbst an der Strecke erlebt. Es waren extrem schwierige Bedingungen. Erst Regen, dann trocken, dann wieder Regen und noch einmal trocken. Max kam von hinten (Startplatz 17; d. Red.) und gewann noch das Rennen.
Frage: Wenn Sie Geld setzen müssten, wie lautet Ihr Weltmeister-Tipp?
Fittipaldi: Es fällt mir äußerst schwer, mich zwischen den Dreien zu entscheiden – aber ich würde auf Piastri oder Norris setzen. Ich erwarte aber eine spannende WM bis zum Schluss.
Frage: Warum?
Fittipaldi: Die Abstände zwischen Fahrern und Autos sind unfassbar gering. Wir müssen uns nur die Qualifyings anschauen. Wir sprechen von Tausendstelsekunden. Wie viel macht das nach einer Runde aus? Zehn Zentimeter?
Frage: Wer ist für Sie historisch der Größte aller Zeiten?
Fittipaldi: Ich bin natürlich parteiisch, weil ich Brasilianer bin. Wenn ich in die Geschichte schaue, sind da Fangio, Schumacher, Lauda. So viele große Champions, die ich alle sehr respektiere. Aber für mich ist Ayrton Senna der Größte aller Zeiten.
Frage: Was ist Ihre Lieblingserinnerung an ihn?
Fittipaldi: Ich lernte ihn kennen, als er noch Kart fuhr. Damals war er ein sehr schüchterner Junge. Mit seinem Vater kam er in mein Büro in São Paulo, und ich rief Ralph Firman Sr. an, der damals den Hersteller Van Diemen in der Formel Ford aufbaute. Ich scherzte mit Ralph und sagte: „Ich habe hier den nächsten britischen Meister, den ich dir nach England schicken kann!“ Er lachte mich nur aus und sagte: „Du kommst hier mit deinem Brasilianer an.“ Dann gab ich Ayrton den Hörer, und die Geschichte nahm seinen Lauf. Ayrton gewann die British Formula Ford (1981, d. Red.).
Frage: Wie ging es danach weiter?
Fittipaldi: Ayrton fuhr in der European Formula Ford, und da ging ich 1982 mit ihm zum Formel-1-Qualifying in Zeltweg. Ich stellte ihm jedem Teamchef vor und sagte: „Das ist Ayrton Senna. Er hat das Zeug zum Weltmeister.“ Und alle fingen nur an zu lachen. Wieder hörte ich: „Nicht schon wieder ein Brasilianer.“ Ayrton wollte da eigentlich nicht hin, weil er so schüchtern war.
Frage: Sie behielten recht, er wurde dreimal Weltmeister. Blicken wir auf die Autos. Welches war das beste Auto, in dem Sie jemals gefahren sind?
Fittipaldi: Der Lotus 72 mit der John-Player-Special-Werbung, mit dem ich 1972 erstmals Weltmeister geworden bin. Das Zweitbeste war das IndyCar Penske PC-18 aus dem Jahr 1989, als ich das Indianapolis 500 gewonnen habe. Die beiden Autos sprachen mit mir, und ich mit ihnen.
Frage: Wenn Sie für einen Tag Formel-1-Chef wären, was würden Sie verändern?
Fittipaldi: Drei Sachen: viel weniger Abtrieb, viel kleinere Autos und einen V8- oder V10-Motor ohne Turbo. Dafür lieber einen Motor, mit dem wir wieder den fantastischen Formel-1-Sound von früher bekommen.
Das Interview wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, „Bild“, „Sport Bild“) erstellt und zuerst in der „Sport Bild“ veröffentlicht.
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