Als Hamburgs damaliger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi am 21. Juni 1987 die weiten Schwingtüren, die das Bürgermeisteramtszimmer vom Rathausbalkon trennen, öffnen ließ, brandete unten auf dem Rathausmarkt der Beifall auf. Fahnen wurden geschwenkt, Sprechchöre ertönten, dann traten die HSV-Profis wie Manfred Kaltz oder Felix Magath hinaus und reckten den DFB-Pokal in die Höhe. Diese Trophäe hatten sie zwei Tage zuvor im Finale gegen die Stuttgarter Kickers gewonnen; ein weiterer wichtiger Sieg in einem Jahrzehnt, in dem der HSV Meisterschaften holte und im Europapokal der Landesmeister siegte. Trainer war Ernst Happel, sein HSV war eine weltweit bekannte Fußballgröße – und wohl niemand ahnte, dass der Verein es erst knapp 38 Jahre später wieder schaffen sollte, hier oben zu stehen. Am Montag ab 17 Uhr wird es so weit sein.

Zu bejubeln gibt es dann zwar den Aufstieg, aber nach der Niederlage in Fürth am letzten Spieltag keine Meisterschaft – die oft als „Felge“ verspottete Trophäe der zweiten Liga ging nach Köln. Der Aufstieg in die Eliteklasse war aber das eigentliche Ziel, und das nicht nur mit den Männern, sondern auch bei den Frauen des HSV, die sich ebenfalls für die erste Liga qualifizierten.

Eine bemerkenswerte Doppelleistung, keine Frage – im Vergleich zu den Erfolgen des 1980er-Jahre ist der Anlass jedoch sportlich doch von geringerer Bedeutung, der große nationale oder gar internationale Glamour fehlt. Aber der Seele der Stadt helfen die Aufstiege vielleicht noch mehr als dieser letzte Pokalgewinn, denn das Ende einer immerhin siebenjährigen Leidenszeit seit dem Männer-Abstieg im Mai 2018 bringt zumindest für alle, die es mit diesem Traditionsverein halten, eine riesige Erleichterung. Es ist das Ende einer Pein, die sich Jahr um Jahr verlängerte, die Teil der Vereins-DNA zu werden schien. Vorbei.

Und der Unterschied zu 1987 dürfte sich auch an der Menge der Menschen zeigen, die diesem Moment auf dem Rathausmarkt beiwohnen werden. Gerechnet wird mit Zehntausenden, die aus allen Ecken der Stadt und aus dem Umland in die City strömen werden. Nach der Balkonshow soll es auf großen Trucks rund um die Binnenalster gehen. Blickt man hingegen genauer auf die alten Fotos mit Kaltz und Co, sind große Lücken auf dem Platz zu sehen. Fußball haftete damals noch stärker als heute der Makel des Proletensports an, eher selten waren Bundesligaspiele ausverkauft. In den sieben Zweitligajahren ab 2018 gab es trotz der oft dürftigen Leistungen kaum eine Partie, für die noch Tickets zu haben waren. Auch die Logen waren stark nachgefragt, die Sponsoren blieben oder kamen neu hinzu. Das Gekicke auf dem Rasengeviert ist mittlerweile Teil eines Gesamtevents, bei dem jeder seine Rolle spielt – und das gilt gerade für die Fans als Ticketzahler, Trikotkäufer und Imageträger.

Dabei dürfte allerdings von einer gewissen Bedeutung sein, wie sich der Aufsteiger nach seiner Rückkehr in jene Sphären, denen er sich ohnehin zugehörig fühlt, präsentieren wird. Und das wiederum, so ist nun mal das Geschäft, hängt maßgeblich von den finanziellen Rahmenbedingungen und daraus abgeleiteten richtigen Personalentscheidungen ab. Eine wichtige Personalie war gleich am vergangenen Sonnabend nach dem 6:1-Sieg gegen den SSV Ulm, der den Aufstieg bedeutete, geklärt. Der Vertrag von Chefcoach Merlin Polzin, dem gebürtigen Hamburger aus dem Stadtteil Bramfeld, verlängerte sich automatisch um ein Jahr bis 2026.

Costa lobt Trainer Polzin: „Hervorragend gemanagt“

Für HSV-Sportdirektor Claus Costa, der einer der Architekten des Aufstiegs ist, hat das eine besondere Bedeutung: „Der Aufstieg ist das Ergebnis einer Gemeinschaftsleistung. Aber natürlich war die Chemie zwischen der Mannschaft und dem Trainerteam ein wichtiges Puzzleteil“, sagte er WELT AM SONNTAG. Zu Polzin ergänzte er: „Für mich war entscheidend, dass er die Mannschaft nicht nur analysiert, sondern auch hervorragend gemanagt und eingeordnet hat. Er wusste genau, wie er die individuellen Qualitäten der einzelnen Spielertypen optimal einsetzen kann.“

Nun werden Costa und HSV-Sportvorstand Stefan Kuntz gemeinsam mit dem Trainerstab den Kader für die kommende Saison zusammenstellen. In der Bundesliga steigt der Spieleretat von jetzt 25 Millionen Euro auf dann gut 40 Millionen Euro, die steigenden TV-Gelder helfen dabei. Erhöhte Einnahmen, vor allem beim Verkauf von VIP- und Logenplätzen, im Hospitality-Bereich sowie beim lukrativen Sponsoring sollen weitere Millionen in die HSV-Kassen spülen. Der Zuschauerschnitt ist mit 56.324 beim Fassungsvermögen von 57.000 fast ausgereizt, die Ticketpreise sollen moderat erhöht werden. Der Wirtschaftswissenschaftler Henning Vöpel prognostiziert, dass der Umsatz des HSV in Liga eins von bisher 123 Millionen Euro um 35 bis 40 Millionen Euro steigen werde. „Der HSV hat in der Zweiten Liga schon funktioniert“, er sieht ein „gewaltiges Potenzial“ und wähnt den Club auf einem guten Weg, „der organisch ist und Kontinuität hat“.

Der Plan für die Frauen

Zeitnah sollen auch die HSV-Frauen vom Gesamtverein in die ausgegliederte HSV Fußball AG eingebunden werden, was auch ihnen einen anderen finanziellen Spielraum gewähren würde. HSV-Finanzvorstand Eric Huwer schrieb hierzu am Mittwoch auf LinkedIn: „Wir wissen, wie schwer es für beide Mannschaften sein wird, das Ziel Klassenerhalt zu erreichen. Nach zu vielen Jahren in der 2. Männer-Bundesliga wollen wir die Lücke zu den etablierten Bundesligisten Schritt für Schritt kleiner werden lassen.“ Dafür brauche es vor allem „eine wettbewerbsfähige Mannschaft“. Auf dem Transfermarkt mit den Muskeln spielen will der HSV nicht. Stattdessen sind vier, fünf Transfers im niedrigen Millionenbereich geplant, Spieler mit Erstligaperspektive und möglicher Wertsteigerung.

„Für uns ist es selbstverständlich, dass wir zuerst das Gespräch mit unseren eigenen Spielern suchen. Sie sind die Protagonisten, die den HSV zurück in die Bundesliga geführt. Sobald wir in diesem Bereich Klarheit haben, werden wir auf Grundlage unserer Vorbereitung und Analysen gezielt schauen, in welchen Mannschaftsteilen wir uns verstärken werden“, sagte Costa. Vor allem sind Gespräche mit Top-Torjäger Davie Selke geplant, dessen sich um ein Jahr verlängernder Vertrag ausgedehnt werden soll und dem aufstrebenden Mittelfeld-Youngster Adam Karabec. Bei ihm wären, zückt man die Kaufoption, vier Millionen Euro fällig.

Vor allem in der Defensive muss sich der HSV verstärken. Prunkstück des Aufstiegs war indes die HSV-Offensive. Im Stoßsturm stehen Polzin mit Selke, dem lange verletzten Robert Glatzel und dem Offensivallrounder Ransford Königsdörffer drei Topkräfte zur Verfügung. Die Verträge mit Königsdörffer und auch Mittelfeldmotor Ludovit Reis sollen zeitnah ausgeweitet werden. Sonntag nun geht es für den HSV im Saisonfinale gegen Fürth noch um die Zweitliga-Meisterschaft (15.30 Uhr/Sky und im Live-Ticker auf WELT.de). Anschließend werden wir uns in Ruhe zusammensetzen, um gemeinsam die Richtung für die kommende Saison festzulegen“, betonte Costa.

Angesprochen auf einen veränderten Spielstil eine Liga höher erläuterte er: „Wir verfolgen einen klaren Plan mit und gegen den Ball, passen aber die Herangehensweise je nach Gegner individuell an. Die Bundesliga wird uns zweifellos vor neue Herausforderungen stellen. Gleichzeitig wird es aber auch Spiele geben, in denen Lösungen im Ballbesitz gefragt sind und das ist aktuell eine unserer großen Stärken. Deshalb werden wir diesen Teil unseres Spiels weiterhin verfolgen und zugleich unser Spiel um zusätzliche Facetten erweitern.“

Zusätzliche Facetten – das ist auch etwas, bei dem Michael Otremba, Hamburgs Tourismus-Chef und früher einst im Fußballmarketing aktiv, hellhörig wird. Er weiß um die Bedeutung von jetzt gleich zwei Erstligisten – denn der FC St. Pauli konnte ja die Klasse halten – in der Stadt. „Es gibt vielfältige Beispiele dafür, wie erfolgreiche Mannschaften das Image einer Stadt prägen und pushen können“, sagt er. Hamburg sei eine sehr selbstbewusste Stadt, dazu gehöre der HSV in der ersten Liga, denn die „Verfielfachung der medialen Reichweite durch den Aufstieg wird dem HSV eine deutlich größere Sichtbarkeit geben“ – wovon dann die ganze Stadt profitieren könne.

NDR-Fernsehen überträgt die Rathausfeier am Montag live ab 17 Uhr

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