Wie der BVB die Wende packte
Beim Saison-Ausklang am Dortmunder Trainingsgelände versprühte Niko Kovac immer noch Sieger-Mentalität. Zum einen durch seine Ansprache an die Mannschaft, bei der er sich für den überragenden Saisonendspurt bedankte und die Spieler aufforderte, sich bitte penibel an die Trainingspläne zu halten, damit man beim Trainingsstart vor der Klub-WM am 2. Juni sofort voll durchstarten könne. Und zum anderen durch seine Kleidung. Ein blauer Pullover, ein weißes T-Shirt darunter, eine grüne Cargo-Hose, dazu hellbeige Sneaker. Dieses Outfit, das Sinnbild der Dortmunder Aufholjagd, trug er auch abends noch beim Zusammenkommen nach dem letzten Saisonspiel gegen Kiel (3:0).
Seit dem 27. Spieltag (3:1 gegen Mainz) wählte Kovac stets diesen Look bei Liga-Spielen. Es folgten sechs Siege, ein 2:2 in München – und doch noch der Einzug in die Champions League.
„Das Outfit habe ich mir damals selbst rausgelegt, da war kein besonderer Gedanke dabei“, sagt Kovac. „Ich bin gläubig, aber nicht abergläubisch. Meine Tochter hat mir gesagt: ‚Never change a running system.‘ Also habe ich die Sachen beim nächsten Spiel wieder angezogen. Aber keine Sorge, ich habe den Pullover und die Hose natürlich regelmäßig gewaschen.“
„Wir haben klare Regeln aufgestellt“, sagt Kovac
Kovac führte den BVB im Saisonfinale von Platz 11 auf 4 und rettete dem Klub damit die Saison – und seinen Bossen den Job. Für „Sport Bild“ nahm er sich nach der Ankunft in Salzburg, wo seine Familie wohnt, am Sonntagabend noch Zeit und erklärte, wie er die Wende mit dem Team packte.
„Wir haben uns der schwierigen Situation als Einheit gestellt: Mannschaft, Trainerteam, Staff und Führungsriege. Für mich war von Anfang an klar, dass wir zusammenhalten müssen und ein starkes Miteinander brauchen. Und dass wir ehrlich miteinander sind. Das haben wir geschafft“, so Kovac.
Ein Grund für den Erfolg: „Wir haben klare Regeln aufgestellt“, sagt Kovac. „Ich fordere nichts ein, was unmöglich ist. Eigenschaften wie Leistungsbereitschaft, Teamfähigkeit und Siegeswillen sind für mich aber unverhandelbar. Und jeder Spieler war bereit, unseren gemeinsamen Weg zu gehen.“
Nur ein Beispiel dafür: Abwehrspieler Waldemar Anton, der nach seinem Wechsel aus Stuttgart zunächst Schwierigkeiten beim BVB hatte. Kovac überzeugten vor allem zwei Dinge. Erstens, dass Anton auch beim sogenannten „Spiel-Ersatztraining“ – der Einheit der Reservisten – vollen Einsatz zeigte. Und zweitens, dass er für Zusammenhalt in der zuvor stark zerrütteten Kabine sorgte. So ging Anton nach dem Spiel in Bochum (0:2) etwa direkt zu Niklas Süle, um ihm nach seinem schweren Patzer Mut zuzusprechen. Und dass, obwohl Süle damals Antons Startelf-Konkurrent war. Eigenschaften, die Kovac schätzt.
Niederlage gegen Augsburg als Schlüsselspiel
Gegenüber „Sport Bild“ spricht Kovac von zwei Schlüsselspielen, die auf dem Weg zur Königsklasse entscheidend waren: „Für mich gab es zwei Momente, die ich als nachhaltig empfunden habe. Das war zum einen der schlechte Auftritt gegen Augsburg (0:1; d. Red.), nachdem wir zuvor zwei klare Siege in der Liga eingefahren hatten. Da war klar, dass wir so nicht weitermachen können. Zum anderen das Rückspiel gegen Barcelona (3:1 im Champions-League-Viertelfinale), wo wir eine Leistung gezeigt haben, die uns nur wenige zugetraut haben. Da haben wir gemerkt, was möglich ist, wenn wir alle an einem Strang ziehen.“
Die Mannschaft spürte sofort, dass ihr Trainer Leistung honoriert. Auf Wunsch der Spieler wurde nur noch vormittags trainiert, nicht mehr wie unter Vorgänger Nuri Sahin nachmittags am Ende der Woche. Und: Nach Siegen in Hoffenheim (3:2) und gegen Wolfsburg (4:0) schenkte er der Mannschaft jeweils einen zusätzlichen freien Tag. Als Zeichen der Wertschätzung – die Profis zahlten zurück.
Beispiel Emre Can: Seit Monaten plagen den Kapitän Adduktorenprobleme. Weil beim Spiel in Freiburg (4:1) und eine Woche später in München jedoch ein personeller Engpass in der Abwehr herrschte, nahm Can starke Schmerzmittel, um doch auflaufen zu können. Nach der Partie in München war sein Körper dann am Ende, Can konnte sich kaum bewegen. Seitdem kann er nur noch stark dosiert trainieren. Die Pause ist aus seiner Sicht überfällig.
Extra-Schichten für eine bessere Fitness
Für alle anderen Profis galt weiterhin: das niedrige Fitness-Level, das die Mannschaft bei Kovac’ Amtsantritt Anfang Februar offenbarte, in den Griff zu bekommen. Die Spieler mussten Extra-Einheiten absolvieren, vor allem auf dem Fahrrad. Bereits wenige Tage nach seinem Start ließ der Kroate einen ersten Laktat-Test durchführen, vor rund drei Wochen einen weiteren.
Kovac: „Es war für mein Trainerteam und mich wichtig zu wissen, auf welchem Stand unsere Spieler sind. Sowohl um zu wissen, was ich von ihnen einfordern kann als auch um zu wissen, welche Reize wir im Training setzen müssen. In den ersten zwei Monaten meiner Amtszeit hatten wir fast durchgehend Englische Wochen, da blieb nicht viel Zeit zum Trainieren. Umso wichtiger war es zu wissen, wie wir die Einheiten steuern mussten. Der zweite Test hat gezeigt, dass die Arbeit Früchte getragen hat und die Maßnahmen Wirkung erzielt haben.“ Unter Sahin lief das Team im Durchschnitt 114,8 Kilometer pro Spiel, unter Kovac 118,2 km.
Kommt Jobe Bellingham zum BVB?
Im Hintergrund nahmen auch die Bosse die Mannschaft in die Pflicht. Sport-Geschäftsführer Lars Ricken und Sportdirektor Sebastian Kehl teilten Spielern wie Julian Brandt und Marcel Sabitzer in der Rückrunde mit, dass ihre bisherigen Leistungen nicht mehr akzeptiert werden. Und dass der BVB nicht davor zurückschrecke, im Sommer eine vorzeitige Trennung anzustreben. Vor allem Brandt wurde in der Folge zum Schlüsselspieler.
Durch die Champions-League-Qualifikation rechnet sich der Revier-Klub nun sehr gute Chancen im Poker um Sunderlands Mittelfeld-Juwel Jobe Bellingham aus. Nach Informationen von „Sport Bild“ will sich der Bruder von Real-Star Jude Bellingham in der kommenden Woche entscheiden, wohin es ihn zieht. Gut möglich, dass auch er schon bald das Sieger-Outfit von Kovac zu sehen bekommt.
Der Artikel wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) verfasst und zuerst in SPORT BILD veröffentlicht.
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