Die Euphorie erinnert fast schon ein wenig an eine richtige WM – nur nicht in Europa
Es war ein besonderer Tag für Leila Pereira. Sie trug ein weißes Kostüm und begrüßte die Journalisten, Fotografen und Fernsehteams, die sich im Trophäensaal des Fußballklubs Palmeiras São Paulo drängelten. „Es macht uns stolz und ist eine Ehre, dass wir dabei sein und um diesen Pokal spielen können“, sagte die Geschäftsfrau, die in der Finanzbranche ein Vermögen gemacht hat und zu den reichsten Menschen Brasiliens zählt.
Pereira, seit drei Jahren Präsidentin von Palmeiras, einem der erfolgreichsten und populärsten Vereine Südamerikas, stand dabei neben einer futuristisch anmutenden, mit 24 Karat Gold verzierten Skulptur, auf der eine eingravierte Weltkarte zu sehen ist. Die Trophäe der neuen Klub-WM des Weltverbandes Fifa, die vom 15. Juni bis zum 13. Juli in den USA ausgespielt wird, war Anfang Mai für drei Tage in São Paulo zu Gast. Und an diesen drei Tagen, so verkündeten Palmeiras und der Weltfußball-Verband Fifa stolz, seien über 5000 Fans gekommen, um den Pokal zu sehen.
In Rio, der Heimat von Flamengo, Botafogo und Fluminense, wo die Trophäe ebenfalls ausgestellt wurde, war es ähnlich. Auch hier strömten die Fans herbei, um dem Objekt der Begierde nah sein zu können. Die vier brasilianischen Traditionsvereine und ihre Anhänger können es kaum abwarten, bei dem Turnier, das von 32 Mannschaften aus sechs Kontinentalverbänden (Europa, Südamerika, Nord- und Mittelamerika, Afrika, Asien und Ozeanien) ausgespielt wird, an den Start zu gehen.
„Ich freue mich sehr, dass sich unser Klub mit den besten Vereinen der Welt messen kann und unsere harte Arbeit endlich anerkannt wird“, sagte Flamengo-Präsident Rodolfo Landim. John Textor, sein Kollege vom Rivalen Botafogo, erklärte stolz: „Wir wollen die Klasse des brasilianischen Fußballs in die Welt hinaustragen. Das ist unsere große Chance. Botafogo ist bereit für die Besten.“ Auch in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires, aus der sich die Großklubs Boca Juniors und River Plate qualifiziert haben, herrscht Vorfreude. Public Viewings werden geplant. Die Euphorie erinnert fast schon ein wenig an eine richtige WM.
BVB und FC Bayern über Klubkoeffizient qualifiziert
Größer könnte der Kontrast zu Europa und speziell zu Deutschland kaum sein. Während Südamerika einem Fußballfest entgegenfiebert, hat Hans-Joachim Watzke in diesen Tagen fast schon das Gefühl, er müsse sich rechtfertigen, dass sein Verein auch dabei sein wird. Borussia Dortmund und Bayern München sind die beiden deutschen Vertreter bei insgesamt zwölf europäischen Teilnehmern. Dafür hatte vor allem Watzke gekämpft. Ursprünglich waren nur acht Klubs vorgesehen. Das hätte eng werden können für seinen BVB. So aber kommen die beiden erfolgreichsten deutschen Vereine, die sich über den Klubkoeffizienten des europäischen Verbandes Uefa, also vor allem über das Abschneiden in der Champions League, qualifiziert haben, in den Genuss lukrativer Zusatzeinnahmen – und, davon ist Watzke überzeugt, „hochinteressanter Spiele und Begegnungen“.
Der BVB-Geschäftsführer kann nicht verstehen, warum die Klub-WM hierzulande so kritisch gesehen wird. „Die ganze Welt wird dieses Turnier schauen, auch wenn bei uns in Europa die Stimmung derzeit noch etwas verhalten ist. Doch wir sind ja oft etwas verhalten. Das waren wir ja auch in Bezug auf das neue Champions-League-Format, bis es dann auf einmal alle gut fanden“, sagte er WELT AM SONNTAG. „Die Klub-WM“, da ist sich Watzke sicher, „wird durch die Decke gehen.“
Der Multifunktionär – Watzke ist auch Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Fußball Liga (DFL) und Vizepräsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) – ist einer der wenigen Europäer, die von dem Gedanken eines großen globalen Klubwettbewerbs von Anfang an überzeugt waren. 2019, als Fifa-Präsident Gianni Infantino erstmals die Idee vorstellte, gab es von den meisten europäischen Vertretern einen Aufschrei. Die Uefa-Vertreter verließen sogar empört den Kongress in Miami. Der spanische Ligachef erklärte, aus seinem Land werde kein Verein teilnehmen. Die ECA, die Interessenvertretung der europäischen Klubs, schrieb einen Brandbrief, in dem sie dazu aufrief, Infantinos Pläne zu verhindern.
Der Widerstand hielt nur wenige Tage an. Er war größtenteils taktischer Natur. Es ging den europäischen Vereinen darum, für sich das Beste herauszuholen. Sie wussten, dass Infantino die Klub-WM, die damals noch mit 24 Teilnehmern geplant war, mithilfe der außereuropäischen Verbände ohnehin durchziehen wird. Und da wollten die Europäer, die damals unisono von einer „nicht akzeptablen Überbelastung“ ihrer Profis redeten, ihren Teil von Kuchen abbekommen: die meisten Startplätze, die höchsten Gagen.
Weltpokal war für europäische Klubs lästiges Beiwerk
Man wurde sich einig. Im Dezember 2022 gab Infantino auf einer Pressekonferenz das neue Format mit nun 32 Teams bekannt. Damit hat die Fifa endlich auch einen großen Vereinswettbewerb, der von nun an alle vier Jahre ausgetragen werden soll. Neben der Weltmeisterschaft soll die Klub-WM eine weitere große Einnahmequelle werden.
Sie geht aus dem sogenannten Weltpokal hervor, der von 1960 an zwischen dem Gewinner des Europapokals der Landesmeister und dem Sieger der Copa Libertadores Südamerikas ausgespielt wurde – zunächst mit Hin- und Rückspiel, von 1980 an dann in nur einem Finale in Tokio. Bereits damals hatte der Weltpokal in Südamerika einen hohen Stellenwert, in Europa wurde er als lästiges Beiwerk betrachtet – auch von den Bayern, die ihn 1976 gewinnen konnten, und den Dortmundern, die den Pokal 1997 holten.
Von 2005 an gab es dann eine Turnierform mit acht Teilnehmern aus sechs Konföderationen. Doch auch dieses Format, das im Dezember im arabischen Raum ausgespielt wurde, rief in Europa und bei den großen TV-Sendern nur wenig Interesse hervor. Ein Turnier in dieser Form sei „eine Farce“, befand auch Watzke.
Mit der neuen Klub-WM sieht das anders aus. Der Wettbewerb sei „finanziell reizvoll“, so Watzke. Tatsächlich bekommt der BVB eine Antrittsgage von 23,4 Millionen Euro, für die Bayern gibt es 29,5 Millionen. Für den Sieger sind bis zu 115 Millionen Euro zu verdienen. Speziell für die deutschen Klubs sind das in Zeiten schmelzender Festgeldkonten gern gesehene Zusatzeinnahmen. Allein die Klub-WM, sagte Bayern-Ehrenpräsident Uli Hoeneß im Interview mit WELT AM SONNTAG, führe dazu, dass der Rekordmeister „in diesem Jahr keinen großen Verlust“ mache.
Die hohen Gagen können fließen, weil es Infantino nach anfänglichen Schwierigkeiten tatsächlich noch gelungen ist, die Klub-WM lukrativ zu vermarkten. Nachdem zunächst ein Deal mit dem US-Konzern Apple bezüglich der Übertragungsrechte geplatzt war, sah es zeitweise so aus, als könnte das Projekt sogar komplett scheitern. Der britische Sender ITV, mit dem ebenfalls Gespräche geführt wurden, bot sogar an, das Turnier frei empfänglich zu übertragen, um so seine Bekanntheit zu steigern, wollte dafür allerdings „null Pfund“ zahlen. Dann kam die Rettung: Der Streamingdienst DAZN sicherte sich die Lizenzen für 950 Millionen Euro. In Deutschland können die Spiele dort kostenlos geschaut werden.
Duplizität der Ereignisse: Im Februar war die SURJ Sports Investment bei DAZN eingestiegen. Die Gesellschaft gehört zum saudi-arabischen Staatsfonds. Und im vergangenen Dezember hatte die Fifa die WM 2034 nach Saudi-Arabien vergeben.
„Sind wir etwa Menschen zweiter Klasse?“
Der Mehrwert der Klub-WM liegt für die beiden deutschen Vereine allerdings nicht nur in den Gagen und Prämien. Es geht Bayern und Dortmund auch darum, die eigene Marke auf einer globalen Bühne zu präsentieren. Die Münchner gaben deshalb ihrem scheidenden Aushängeschild Thomas Müller sogar noch eine Vertragsverlängerung bis Turnierende. In Dortmund wurde überlegt, Mats Hummels für die Klub-WM zurückzuholen, wozu es dann aber doch nicht kam.
In jedem Fall ist ein Wettbewerb besser geeignet, neue Fans, Follower, Sponsoren und Partner zu gewinnen, als die PR-Reisen durch ferne Länder, die viele Bundesligamannschaften in den vergangenen Jahren absolviert haben. Es sei auch für Vereine endlich an der Zeit, sich weltweit zu messen, warum solle dies nur den Nationalmannschaften vorbehalten bleiben, wenn die teuren Profis ohnehin von den Klubs bezahlt werden, sagte Watzke. Er sei oft von Vertretern außereuropäischer Vereine gefragt worden: „Warum können wir nicht auch mal gegen Real Madrid oder Bayern spielen? Sind wir etwa Menschen zweiter Klasse?“
Was wie ein vorgeschobenes Argument wirkt, um die in erster Linie wirtschaftliche Motivation zu kaschieren, wird in Afrika, Asien und vor allem in Südamerika tatsächlich so empfunden. Die Klub-WM bietet gerade für die populären brasilianischen und argentinischen Vereinen die Chance, sich zumindest ein Stück weit der Finanzierungsmöglichkeiten zu bedienen, die bislang nur europäischen Topklubs vorbehalten waren – und die ihnen deshalb seit Jahrzehnten ihre besten Spieler wegkaufen. Es ist auch das Gefühl, es den Europäern einmal heimzahlen zu können, das dafür sorgt, dass die Klub-WM dort eine wesentlich größere Bedeutung hat. Die Bayern, die in der Vorrunde auf die Boca Juniors treffen, und der BVB, der gegen Fluminense ins Turnier startet, könnten dies zu spüren bekommen.
Am Dienstag reisen die Münchner in die USA, wo sie in Orlando Quartier beziehen. Drei Tage später folgen die Dortmunder, die ihr Basecamp in Fort Lauderdale haben. Seit einer knappen Woche befinden sich die BVB-Profis wieder im Training, die Bayern erst seit wenigen Tagen. Die Auswahlspieler, die bei Nations League im Einsatz waren, hatten nur eine gute Woche Urlaub nach dem Ende der vergangenen Bundesligasaison. Nach dem Turnier soll es erneut Urlaub geben – allerdings abhängig davon, wann das Turnier für die Bayern oder den BVB zu Ende sein wird.
Die Klub-WM wird also nicht nur Geld in die Kassen spülen, für sie muss auch ein Preis bezahlt werden – mit einer komplett zerrissenen Sommerpause vor der kommenden Bundesligasaison. „Wir müssen die Vorbereitung schon komprimieren“, gibt selbst Watzke zu: „Klar ist: Mit der Klub-WM ist jetzt das Ende der Fahnenstange erreicht. Da sind sich alle einig.“ Mehr gehe nun wirklich nicht.
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