Marc-André ter Stegen versteht die Welt nicht mehr
Nach seiner schweren Verletzung kehrt Marc-André ter Stegen mit Topleistungen zur deutschen Fußball-Nationalmannschaft zurück. Nur, plötzlich erfährt er aus den Medien, dass der FC Barcelona nicht mehr mit ihm plant - und auch keiner mit ihm redet.
Für Marc-André ter Stegen muss sich das alles doch seltsam anfühlen. Noch vor einem Jahr war er derjenige, der mit grimmiger Miene durch die Katakomben der Münchner Fußball-Arena schlich. Die DFB-Elf feierte einen rauschenden Auftakt in die Heim-Europameisterschaft. Die Laune war blendend: Die Nationalelf gewann gegen Schottland mit 5:1. Nur einem stand die Jubellaune nicht ins Gesicht geschrieben. Marc-André ter Stegen musste einmal mehr von der Bank aus mit ansehen, wie der ewige Manuel Neuer das DFB-Tor hütete.
Ein Jahr später ist das Bild ein anderes, auch weil Neuer mittlerweile in der DFB-Rente ist. Während die Nagelsmannschaft im Finalturnier der Nations League viele Dinge suchte, vor allem aber die eigene Form, war es ter Stegen, der strahlen konnte. In der Schlussphase des Halbfinals gegen Portugal zeigte er gleich zwei unfassbare Paraden. Im Spiel um Platz drei gegen Frankreich hielt er seine unsortierten Vorderleute lange Zeit im Spiel, indem er die französischen Konter entschärfte. Er war einer der wenigen DFB-Gewinner des kleinen Turniers.
Endlich ist er nach seiner schweren Verletzung im DFB-Tor angekommen. Nach all den Rückschlägen, der langen Wartezeit hinter Neuer. Und dennoch: Auch diesmal wird er wohl mit grimmiger Miene nach Barcelona zurückkehren. Denn dort sieht es gerade danach aus, als würde er das Tor in seiner Heimat verlieren. Mehr als zehn Jahre war er der Rückhalt des FC Barcelona, damals noch gefeiert von Lionel Messi, obwohl sich beide nicht sonderlich mochten. Doch die Katalanen sind im Begriff, den 33-Jährigen mit einem jüngeren, billigeren Keeper zu ersetzen, mit Joan Garcia vom Stadtrivalen Espanyol.
Flicks Schweigen ist bezeichnend
Mit der Entwicklung war ter Stegen schon konfrontiert gewesen, als er noch bei der Nationalelf weilte. Den Journalistinnen und Journalisten sagte er, dass da jetzt "eine Situation" entstanden sei. Er lächelte das weg: Bei einem großen Klub wie dem FC Barcelona gebe es ja immer Konkurrenzsituationen. Mit ihm habe niemand gesprochen, sagte er vor dem Spiel gegen Portugal. Auch nicht der ehemalige Bundestrainer Hansi Flick.
Das wiederum ist eine Situation, die Flicks Nachfolger nicht gerne sieht. Die Lage sei superschwer zu bewerten, sagte Bundestrainer Julian Nagelsmann, weil auch er vieles nur aus den Medien mitbekomme. "Trotzdem würde ich mir wünschen, aufgrund der Vergangenheit einzelner Protagonisten und deren Verbundenheit zur Nationalmannschaft, dass er irgendwie eine Info bekommt, dass er weiß, wie es da weitergeht", kritisierte er indirekt seinen Vorgänger.
Flick hatte beim FC Barcelona seinen Ruf wiederhergestellt, der in seiner DFB-Zeit so sehr gelitten hatte. Plötzlich ist er nicht mehr Hansi mit den Graugänsen, sondern wieder der Supertrainer (mittlerweile auch offiziell), den man während seiner Zeit beim FC Bayern kennengelernt hatte. Flick gewann mit dem FC Barcelona die Meisterschaft, in der Champions League scheiterte er im Halbfinale denkbar knapp.
All das tat er aber größtenteils ohne ter Stegen. Der Torwart verletzte sich im vergangenen Herbst am Knie. Bei einer Parade riss er sich die Patellasehne, war seither mit Aufbautraining beschäftigt. Der FC Barcelona holte indes Wojciech Szczęsny aus der Fußball-Rente und stellte den bekennenden Raucher übergangsweise ins Tor. Und dort blieb er auch, als ter Stegen zurückkehrte: Nach dessen Rückkehr durfte er nur zweimal ins Tor, fehlte aber bei den wichtigen Spielen in der Champions League.
Deshalb ist auch das Schweigen von Ex-Bundestrainer Flick in der Causa so bezeichnend. Er hat dem FC Barcelona nach turbulenten Jahren wieder Leben eingehaucht; er könnte, was ter Stegen angeht, klubintern ein Machtwort sprechen. Dieses Ansehen hat er sich durch seinen sportlichen Erfolg erarbeitet. Doch das hat er augenscheinlich nicht gemacht.
Ter Stegen will reden, aber alle sind im Urlaub
Die Causa ter Stegen berührt etwas ganz Grundsätzliches, was den FC Barcelona angeht. "Das Problem ter Stegen wird von Tag zu Tag schwieriger zu lösen", schrieb etwa die "Marca". Ter Stegen hat theoretisch noch drei Jahre Vertrag, er könnte das einfach aussitzen. Laut "Sport" soll ihm Sportdirektor Deco diese Möglichkeit eingeräumt haben.
Doch das wäre für beide Seiten keine gute Lösung: Ter Stegen braucht mit Blick auf die WM 2026 unbedingt Spielzeit - und der FC Barcelona braucht das freiwerdende Gehaltsbudget. Denn darum geht es eigentlich: Zwar ist der deutsche Torwart kein Topverdiener, aber doch verzichtbar, wie seine lange Ausfallzeit zeigte. Und Barça braucht jeden verfügbaren Cent, um neue Spieler zu verpflichten. Es wird also mutmaßlich auf einen Wechsel hinauslaufen. Einige europäische Topklubs suchen derzeit einen neuen Torwart, darunter die AC Mailand. Die Zukunft von Gianluigi Donnarumma bei PSG ist offen, und auch Juventus Turin hat derzeit Annoncen geschaltet.
Nagelsmann sagte, dass es menschlich sei, dass seine Nummer 1 das Thema beschäftige, gleichzeitig könne ter Stegen relativ entspannt in jede neue Situation gehen. Welche das sein wird, ist noch unklar. Der Torwart, so schrieb es die "Marca", wollte eigentlich noch vor seinem Urlaub eine Antwort haben. Doch selbst dabei gibt es ein Problem: Weder Flick noch Deco seien dieser Tage in Barcelona. Bislang hat niemand mit ter Stegen persönlich gesprochen - und er muss wieder warten. Es bleibt eine seltsame Situation.
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