Erstmals bezieht Watzke Stellung zum Machtkampf beim BVB
Um die Überlegungen von Hans-Joachim Watzke einordnen zu können, die der scheidende Boss von Borussia Dortmund da im Interview mit dem „Kicker“ angestellt hat, ist das Wissen um die Vorgeschichte wichtig. Denn beim BVB gibt es ein Problem, das sich im Ringen um die Präsidentschaft von Borussia Dortmund gestellt hat. An sich schien ausgemacht, dass Watzke dieses Amt übernehmen werde. Weil nun aber etwas, was getrost als Intrige bezeichnet werden kann, dazwischenfunkt, ist nichts mehr sicher.
Rückblick: Als Dr. Reinhold Lunow 2022 als Nachfolger von Reinhard Rauball Präsident wurde, versprach er, dass er den Platz für Watzke freiwillig räumen würde, sobald dieser den Vorsitz der Geschäftsführung abgibt. Anfang dieses Jahres verkündete Watzke genau das: Im Herbst ist Schluss, Rückzug aus der Geschäftsführung – nach über 20 erfolgreichen Jahren. Seine Idealvorstellung für die Zeit danach: der direkte Wechsel auf den Präsidentenposten mittels Wahl auf der Mitgliederversammlung im kommenden November.
Tenor: Watzke gefährde den Klubfrieden beim BVB
Ende Mai aber hatte der 71 Jahre alte Lunow die relevanten Klub-Gremien (Beirat und Wirtschaftsrat) sowie Wahlleiter Dr. Winfried Materna über seine Absicht informiert, bei der Mitgliederversammlung im November erneut für das Präsidentenamt zu kandidieren. In einer Stellungnahme verbreitete Lunow dazu: „Ich kandidiere erneut als Präsident von Borussia Dortmund, weil unser Verein einzigartig ist – und das so bleiben soll. Dafür brauchen wir ein starkes, neues Miteinander (...)“ Tenor: Das jetzige Miteinander ist nicht mehr so recht eines, Watzke gefährde den Klubfrieden.
Der hat nun kund getan, dass er sich in den kommenden Wochen eine mögliche Kandidatur als Präsident bei Borussia Dortmund durch den Kopf gehen lassen wolle. „Die beiden wichtigsten Vereinsgremien, unser Wirtschaftsrat und unser Ältestenrat, haben mich beide einstimmig gebeten zu kandidieren. Das nehme ich ernst. Ich werde mir in der Sommerpause Gedanken machen, ob ich das noch möchte“, sagte Watzke.
Dass Amtsinhaber Lunow erneut kandidieren möchte, habe ihn überrascht, betonte der 65-Jährige. „Weil es anders besprochen war. Aber das kann er ja machen, es ist sein gutes Recht. Ich werde über Reinhold Lunow kein schlechtes Wort verlieren, wir waren über viele Jahre befreundet. Ich muss das jetzt für mich erst mal ein bisschen einsortieren“, so Watzke.
Er selbst hatte seine Kandidatur nie öffentlich angekündigt, aber stets damit kokettiert. In dem Interview wurde Watzke nun gefragt, was gegen eine Kandidatur spreche. „Seit 20 Jahren schauen viele Leute auf mich, vor allen Dingen, wenn es nicht läuft. Das erzeugt eine Menge Druck. Vielleicht wäre es schön, das mal nicht mehr zu haben. Ich habe ja noch ein paar andere interessante Aufgaben.“ Der Job beim BVB sei aber der, den er am meisten liebe. Doch nun hat er bis zur Wahl im November unversehens einen Rivalen.
Lunow ist Mediziner, ärztlicher Leiter einer überregional tätigen Praxisklinik mit 22 Ärzten und nach eigenen Angaben „seit Kindertagen BVB-Fan“. Ausgerechnet Watzke schlug ihn 2005 als seinen Nachfolger für die Position des Schatzmeisters vor. Bis 2021 bekleidete Lunow dieses Amt, danach wurde er Vize, ab 2022 übernahm er den Präsidenten-Job von Rauball.
Dass Lunow dabei ein anderes, politisches Amtsverständnis als Rauball (Spitzname: der Gentleman) mitbringt, der den BVB gemeinsam mit Watzke ab 2005 vor der Insolvenz bewahrte, wurde einem Bericht der „Bild am Sonntag“ schnell deutlich – erstmals rund um die Verpflichtung von Felix Nmecha, der 2023 für rund 30 Millionen Euro Ablöse aus Wolfsburg in den Pott wechselte. Konsequenz: der erste Riss im Verhältnis zwischen Lunow und Klubchef Watzke.
Der strenggläubige Christ Nmecha hatte ein Video des US-Rechtspopulisten Matt Walsh geteilt, der als transfeindlich gilt. Für viele BVB-Fans ein Angriff auf die Werte des Vereins, sie lehnten die Verpflichtung kategorisch ab. Lunow äußerte öffentlich seine Bedenken: „Inhalte können durchaus als homophob oder queerfeindlich interpretiert werden“. Der Transfer stand plötzlich auf der Kippe. Erst nach einem Geheimtreffen mit Watzke, Lunow und Nmecha konnte er über die Bühne gebracht werden. Doch der Friede der Führungsgremien hielt nicht lange.
Das ultimative Zerwürfnis zwischen Watzke und Lunow entstand im Rahmen der BVB-Kooperation mit dem Düsseldorfer Rüstungskonzern „Rheinmetall“. Nach Informationen der „Bild“ soll es dabei sogar zu einem lautstarken Streit zwischen den beiden gekommen sein.
Ursache: Lunow hatte dem Deal in den Gremien zuvor zugestimmt – nach eigenem Bekunden aber nur unter Druck. Auf der Mitgliederversammlung 2024 kritisierte er dann plötzlich öffentlich die Kooperation. Sein Motiv für die 180-Grad-Wende: ethische Gründe. Lunow in seiner Rede: „Frieden schaffen ohne Waffen war schon immer mein Thema. (...) Man hat gesehen, dass der Rheinmetall-Weg nicht richtig war.“ 556 der noch anwesenden BVB-Mitglieder missbilligten auf der Versammlung die umstrittene Werbepartnerschaft mit Rheinmetall – die Mehrheit.
Lunow soll von aktiver Fanszene „getragen und getrieben“ sein
Auf den bereits geschlossenen Deal hatte das keinen direkten Einfluss. Die Geschäftsführung um Watzke und Marketing-Chef Carsten Cramer „begriff Lunows Vorgehen und das Ergebnis der Abstimmung jedoch als Affront“.
Lunow sucht seit Beginn seiner Präsidentschaft die Nähe der Fans. Er bezeichnet sich selbst als „Fußball-Traditionalist aus Überzeugung“, sagte 2022 in seiner Ansprache nach der Wahl: „Erfolg ist wichtig, aber nicht auf Kosten der Tradition und Werte“. Er lobt zudem die Fan-Abteilung, „die eine hervorragende Arbeit macht“.
Nun sei Lunow dem Bericht der „Bild am Sonntag“ zufolge „Kopf der Watzke-Opposition! Getragen (und getrieben) von der organisierten Fanszene, denen u. a. die ,wachsende Kommerzialisierung‘, die Außendarstellung ihres Klubs und die Ämterhäufung Watzkes (auch DFL-Aufsichtsratschef, DFB-Vize und Uefa-Vizepräsident) missfällt. Mögliches Ziel der erneuten Lunow-Kandidatur: Watzke komplett verdrängen“.
Rund 227.000 Mitglieder hat der BVB derzeit, abstimmen dürfen nur die Anwesenden in den Westfalenhallen. Die Kandidaten müssten bei einer Kampfkandidatur monatelang ihre Leute mobilisieren, um sie zur Versammlung zu bekommen. Der BVB wäre ein Verein im Ausnahmezustand. Ein Klub, in dem der Präsident öffentlich gegen den eigenen Geschäftsführer ins Feld zieht.
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