Dieser Rückpass bringt die Deutsche Fußball-Liga (DFL) in die Bredouille. Seit 2018 wartet die Bundesliga auf eine Entscheidung des Bundeskartellamts, ob ihre 50+1-Regel mit den beiden verbliebenen Ausnahmen Bayer Leverkusen und VfL Wolfsburg zulässig ist. Die Vorschrift soll sicherstellen, dass der Mutterverein (e.V.) bestimmenden Einfluss auf die ausgegliederte Profifußball-Gesellschaft hat. Und nicht ein externer Investor.

Jetzt hat die Bonner Behörde den Ball mit einer rechtsunverbindlichen „Empfehlung“ an die DFL zurückgespielt, in der drei konkrete Maßnahmen verlangt werden, um 50+1 zu erhalten. Bedeutet: Klagen der beiden Werksklubs würden sich nicht gegen das Kartellamt, sondern gegen die DFL und deren Satzungsänderung richten. Vereinsrechtler Prof. Lars Leuschner von der Universität Osnabrück erklärt die Folgen der Kartellamts-Forderungen.

WELT: Wie stellt die DFL den geforderten Wegfall des dauerhaften Bestandsschutzes für die 50+1-Ausnahmen Leverkusen und Wolfsburg sicher?

Lars Leuschner: Die DFL wird ihre Statuten unter dem Druck des Kartellamts ändern müssen. Die Alternative wäre, dass die DFL komplett auf 50+1 verzichtet. Das sehe ich aber nicht.

WELT: Welche Konsequenzen drohen den beiden Werksklubs?

Leuschner: Die Bayer AG und die VW AG werden 50+1-Stimmrechte an ihren ausgegliederten Profifußball-Gesellschaften (GmbH) an den Mutterverein übertragen müssen. Es handelt sich in Leverkusen und Wolfsburg aber wohl nicht um klassische Bundesliga-Vereine wie beim HSV oder bei Schalke, sondern eher um Betriebssport-Abteilungen, deren Mitglieder vornehmlich Sporttreibende sind. In Leverkusen und Wolfsburg müsste daher mittelfristig gewährleistet sein, dass auch reinen Fußballfans der Zugang zu den Vereinen offensteht.

WELT: Welche Chancen haben Leverkusen und Wolfsburg, sich mit einer Klage gegen die DFL zu wehren?

Leuschner: Ich sehe wenig Chancen. Die DFL wird sich erfolgreich darauf berufen können, dass sie durch das Kartellamt gezwungen wurde, den beiden 50+1-Ausnahmen den Bestandsschutz zu entziehen. Ich meine auch nicht, dass die DFL erst abwarten muss, bis aus der aktuellen Empfehlung des Kartellamts eine handfeste Vorgabe wird. Und wenn Leverkusen und Wolfsburg dann weiter in der Bundesliga mitspielen wollen, werden sie sich 50+1 unterwerfen müssen.

WELT: Können dann die e.V.-Mitglieder zum Beispiel bestimmen, dass ein von der GmbH-Geschäftsführung geplanter Deal mit einem Sponsor aus Katar oder Saudi-Arabien oder – Beispiel BVB – mit einem Rüstungskonzern platzt?

Leuschner: Im Grunde ja. Denn der Grundgedanke hinter 50+1 ist, dass der Mutterverein die Macht bekommt und am Ende die Mitglieder ihren Willen durchsetzen können. Das bedarf allerdings unter Umständen eines langen Atems. Denn 50+1 setzt keine Weisungsbefugnis der Mitgliederversammlung voraus. Wenn die Fans ihre Vorstellungen durchsetzen wollen, können sie aber in letzter Konsequenz den Vereinsvorstand austauschen.

WELT: Wie kann die DFL sicherstellen, dass sich RB Leipzig komplett für stimmberechtigte Mitglieder – bisher sind das nur 23 von insgesamt rund 1.100 – öffnet?

Leuschner: Die DFL kann in ihren Statuten festlegen, dass ein Mutterverein grundsätzlich offen sein muss für die Aufnahme von stimmberechtigten Mitgliedern. Was impliziert, dass keine neuen Hürden durch exorbitant hohe Mitgliederbeiträge aufgebaut werden dürfen. Ablehnungen dürfen nur in besonderen Fällen möglich sein. RB Leipzig kann zum Beispiel nicht dazu gezwungen werden, Sabotageversuche von außen zuzulassen, etwa durch gegnerische Fans, die einen Mitgliedsantrag stellen, um ins Stadion zu gelangen.

WELT: Wie kann die DFL sicherstellen, dass sich GmbH-Geschäftsführer bei DFL-Abstimmungen an die Weisung des Muttervereins halten – was Martin Kind von Hannover 96 bei der Abstimmung über einen geplanten DFL-Investor im Frühjahr 2024 angeblich nicht getan hat? Beweise gibt es dafür allerdings keine, da geheim abgestimmt wurde.

Leuschner: Durch eine Änderung der DFL-Satzung, die dann grundsätzlich offene Abstimmungen vorschreibt. Nur so sind Transparenz und Kontrolle möglich. Einen entsprechenden Vorschlag habe ich bereits letztes Jahr auf Anregung von Geschäftsführer Michael Welling für den VfL Osnabrück ausgearbeitet. Er wurde der DFL zugeleitet.

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