Die Tour de France und ihr grünes Märchen
Die Tour de France 2025 reagiert auf die Kritik der vergangenen Jahre und präsentiert sich so umweltbewusst wie nie. Doch während der Rennbetrieb Umweltfreundlichkeit verspricht, zieren die Trikots der Spitzenteams noch immer die Namen internationaler Konzerne, die für das Gegenteil stehen.
Drei Wochen, über 3000 Kilometer, mehr als 20 Etappen – die Tour de France ist ein sportliches Großereignis, aber auch eine logistische Wanderbaustelle. Täglich verlegt sich der gesamte Tross an einen neuen Ort: Teamfahrzeuge, Technikwagen und Werbekarawanen. Dazu Helikopter für TV-Bilder aus der Luft und Motorräder für Nahaufnahmen. Hinzu kommen Hotels für Hunderte Mitarbeiter – und die Infrastruktur für Tausende Zuschauer entlang der Strecke. Der Aufwand ist enorm, der ökologische Fußabdruck entsprechend gewaltig.
Die Tour möchte darauf reagieren, ihr Image verändern, grüner werden und wirken. Doch auf der Straße zeigt sich ein Kontrast: Wenn das Fahrerfeld mit Tempo vorbeirauscht, fällt der Blick unweigerlich auf die Trikots der Spitzenteams – in diesem Jahr etwa UAE Team Emirates und INEOS Grenadiers –, auf denen unübersehbar die Namen Emirates und TotalEnergies stehen. Zwei Konzerne, die auf fossile Energien, Kerosin und Öl setzen – und damit genau jene Welt repräsentieren, von der sich die Tour mit Recyclingstationen, Hybridfahrzeugen und CO2-Kompensation eigentlich absetzen will. Der Widerspruch steckt mitten im Rennen.
Fortschritt mit Vorbehalt
Die Amaury Sport Organisation (ASO), Veranstalter der Tour de France, verweist 2025 auf spürbare Fortschritte beim Klimaschutz. Nach Jahren der Kritik und wachsendem Druck von außen will die Organisation zeigen, dass das größte Radspektakel der Welt auch ökologisch denken und handeln kann. Und tatsächlich: Wer den Tross heute durch Frankreich begleitet, merkt, dass sich etwas bewegt. Hybrid- und Elektrofahrzeuge dominieren das Bild hinter dem Peloton, ganze Teams – darunter EF Education–EasyPost, Picnic–PostNL, Uno-X Mobility und Decathlon AG2R La Mondiale – setzen erstmals auf vollelektrische Begleitfahrzeuge.
Laut Veranstalter spart allein diese Umstellung mittlerweile rund 300 Tonnen CO₂ pro Jahr. Insgesamt sei der Ausstoß im Vergleich zum letzten CO2-Audit im Jahr 2021 um rund 40 Prozent gesunken. Damals kamen noch 216.000 Tonnen CO2-Äquivalente zusammen – eine Zahl, die schwer einzuordnen ist. Zum Vergleich: So viel stößt eine Flotte von 50.000 Autos aus, die ein ganzes Jahr lang nonstop unterwegs ist. Auffällig dabei: 94 Prozent dieser Emissionen gehen nicht auf das Konto der Organisation selbst, sondern auf das der Fans – vor allem durch Reisen, Unterkünfte, Konsum und Abfall.
Die Fans als größte CO2-Quelle
Um diese indirekten Emissionen zu senken, setzt die ASO auf ihre Kampagne "Come in Green Mode", in der sie Zuschauer und Zuschauerinnen darum bitten, klimafreundlich zur Strecke zu kommen. In 18 der 21 Etappenregionen wurden dafür Regionalzüge verstärkt, Sondertarife eingerichtet und zusätzliche Verbindungen angeboten – damit Fans "so nah wie möglich ans Rennen kommen – auf umweltfreundlichere und nachhaltigere Weise", wie die ASO mitteilt. Eine eigene Mitfahrplattform soll zudem helfen, Fahrgemeinschaften zu bilden.
"Die Tour lebt von der Schönheit Frankreichs", sagt Tour-Direktor Christian Prudhomme, "und wir müssen alles tun, um sie zu erhalten." Die ASO will ihren CO2-Fußabdruck bis 2030 um 50 Prozent reduzieren – ein Ziel, das laut Nachhaltigkeitschef Jean-Baptiste Durier im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen steht.
Ein anderer Bereich, der seit Jahren im Fokus der Kritik steht, ist die Werbekarawane der Tour. Jahr für Jahr verteilt sie rund 15 Millionen Werbeartikel – von Wasserflaschen und Armbändern bis hin zu Regenponchos und Schlüsselanhängern. Viele davon bestehen weiterhin aus Plastik. Doch auch hier bewegt sich was: Laut ASO wurden die Mengen an verteilten Giveaways seit 2018 deutlich reduziert, viele Produkte bestehen mittlerweile aus Holz oder Papier, und auch die lokale Herstellung wird stärker gefördert. Ebenfalls rund 30 Prozent der Werbefahrzeuge sind inzwischen mit Elektro- oder Hybridantrieb ausgestattet – ein Fortschritt, den Prudhomme als "signifikant" bezeichnet.
Doch trotz all dieser Maßnahmen bleibt ein Gegensatz bestehen – und der wird besonders deutlich, wenn man sich anschaut, wer das Rennen und die Teams finanziell unterstützt.
Sponsoren im Widerspruch zum Image
Vittel, die zur Nestlé-Gruppe gehörende Mineralwassermarke, zählt seit Jahren zu den offiziellen Partnern der Tour. Trotz kleiner Schritte in Richtung nachhaltiger Verpackung steht die Marke immer wieder in der Kritik. Vor allem wegen industrieller Wasserförderung aus teils wasserarmen Regionen und der fortlaufenden Verbreitung von Einwegplastik, das auch 2025 entlang der Strecke zu sehen ist – darunter PET-Flaschen, die im Rahmen von Werbeaktionen ausgegeben und oftmals direkt nach dem Trinken weggeworfen werden.
Diese Diskrepanz wird umso deutlicher, wenn man den Blick von den offiziellen Partnern der Tour auf die Sponsoren der Teams richtet. Zwar entscheidet die ASO nicht darüber, welche Marken auf den Trikots der Mannschaften erscheinen, doch ihre Sichtbarkeit entlang der Strecke wirkt unweigerlich in das Gesamtbild der Veranstaltung hinein.
Besonders auf den Schultern des Teams INEOS Grenadiers. Der Chemiekonzern INEOS ist unter anderem in der Kunststoffproduktion, der Petrochemie und im Bereich Fracking aktiv. Seit diesem Jahr trägt das Team zusätzlich das Logo von TotalEnergies – einem der größten Öl- und Gaskonzerne der Welt. Besonders in der Kritik stand das Unternehmen Anfang des Jahres, als bekannt wurde, dass es Fracking-Gasbohrungen in unmittelbarer Nähe eines Kindergartens im texanischen Arlington durchführen lässt. Also wei Unternehmen, die für fossile Energiegewinnung und industrielle Emissionen stehen, teilen sich die Fläche eines Trikots, das täglich durchs grüne Frankreich rollt. Ab 2026 geht die Partnerschaft über das Trikotlogo hinaus, denn TotalEnergies wird offizieller Partner der Tour de France – zunächst für drei Jahre bis einschließlich 2028 – und unterstützt damit nicht nur die Männertour, sondern auch die Tour de France Femmes.
Auch beim UAE Team Emirates mit Starfahrer Tadej Pogačar zeigt sich ein ambivalentes Bild: Hauptsponsor ist eine der weltweit größten Fluggesellschaften, finanziert durch ein Land, dessen Reichtum nahezu ausschließlich auf Petrodollars aus Öl- und Gasexporten stammt. Zwar investieren die Vereinigten Arabischen Emirate zunehmend in erneuerbare Energien – ihre Pro-Kopf-Emissionen zählen dennoch zu den höchsten weltweit.
Was sich an diesen Beispielen ablesen lässt, ist kein Einzelfall, sondern strukturell verankert. Sponsoring im internationalen Spitzensport zielt auf Sichtbarkeit, Image und Symbolwirkung. Die Marken auf den Trikots stehen daher nicht isoliert im Raum, sondern sind eng verknüpft mit politischen und wirtschaftlichen Interessen – und wirken dadurch unweigerlich auf das Selbstbild eines Events zurück, das sich dem Thema Nachhaltigkeit inzwischen so offensiv verschrieben hat wie kaum eine andere Sportveranstaltung.
Greenwashing oder notwendiger Kompromiss?
In einer Zeit, in der die Klimakrise immer weiter voran schreitet, bleibt die Frage nach ökologischer Verantwortung im Sport zentral und die ethischen Grundlagen sportlicher Partnerschaften rücken stärker in den Fokus. Vor allem das Sportsponsoring durch TotalEnergies wird von Umweltorganisationen immer wieder als potenzielles Greenwashing bezeichnet. Der Vorwurf: Die positiven, emotionalen Bilder des Sports werden genutzt, um von den klimaschädlichen Kerngeschäften des Konzerns abzulenken.
Die Radsportgemeinschaft ist in dieser Frage nicht einig. Während manche die finanziellen Mittel begrüßen, die Sponsoren wie TotalEnergies oder Emirates dem Profisport bereitstellen, sehen andere darin ein Problem. Denn mit der steigenden Sichtbarkeit solcher Marken auf Trikots, Bannern und Fahrzeugen wächst auch die Gefahr, dass der grüne Anspruch der Tour zur reinen Fassade verkommt.
Was bleibt, ist für viele ein Nachhaltigkeitsversprechen, das in der Realität immer wieder an seine Grenzen stößt. Denn solange Unternehmen mit fossilem Kerngeschäft die Bühne des Radsports mitgestalten, bleibt die Gefahr bestehen, dass die Tour nicht nur Grüne Trikots für die besten Sprinter verteilt – sondern auch grün wäscht.
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