Dürfen Ihre Spieler Bier trinken? „Bei mir nicht. Das ist nicht sportlergerecht“
Es ist ein großer Schritt, den Horst Steffen gemacht hat. Vom beschaulichen Spiesen-Elversberg, wo er die heimische SVE beinahe in die Bundesliga geführt hat, in die Fußball-Hochburg Bremen. Seit etwas mehr als drei Wochen ist der neue Trainer bei Werder im Amt. Es ist seine erste Station im Fußball-Oberhaus. Im Interview verrät der mit 56 Jahren älteste Bundesliga-Coach der neuen Saison, wie er mit der hohen Erwartungshaltung der Fans umgeht – und welche Regeln er schon eingeführt hat.
Frage: Herr Steffen, was fasziniert Sie an Ihrem neuen Verein Werder Bremen?
Horst Steffen: Als Spieler habe ich meine Erfahrungen mit dem Klub gemacht. Werder stand für Offensivfußball, hatte immer wieder große Spielerpersönlichkeiten, die begeistert haben. Was mir aber in dem Ausmaß nicht bewusst war, ist diese große Verbundenheit zwischen Verein, Fans und der Stadt Bremen. Das wurde mir klar, als ich mir vor Kurzem die Werder-Doku anschaute. Allein der Fan-Marsch durch das Viertel zum Weserstadion (vor dem Aufstiegsfinale 2022 gegen Regensburg; d. Red.) hat das eindrucksvoll widergespiegelt. Schnell kam bei mir der Gedanke: Die ganze Stadt ist Werder.
Frage: Werders Fans sehnen sich nach 15 Jahren Durststrecke nach einem Europapokal-Comeback. Sie gelten als Hoffnungsträger. Verspüren Sie Druck?
Steffen: Nein, Druck versuche ich, bei mir nicht zuzulassen. Natürlich habe ich eine eigene Erwartungshaltung. Ich möchte mich persönlich weiterentwickeln, wir wollen die Mannschaft besser machen. Wir wollen tollen Fußball spielen lassen und die Menschen damit begeistern. Ein 5:4 ist mir lieber als ein 1:0, das ich natürlich auch gerne nehme. Aber diese Wow-Momente bleiben bei den Zuschauern am Ende mehr hängen.
Frage: Werder verpasste in den vergangenen zwei Jahren nur knapp die Quali für die Conference League. Wie lautet die Zielsetzung?
Steffen: Es ist zu früh, ein Ziel auszugeben. Der Kader steht noch nicht vollständig fest. Außerdem fehlt uns mit Mitchell Weiser ein ganz wichtiger Spieler über mehrere Monate (Kreuzbandriss; d. Red.). Der Ausfall ist traurig und schmerzhaft. Und was die Sehnsucht der Fans anbelangt: Die darf jeder gerne behalten, das ist normal bei der Historie von Werder.
Frage: Sie machten 207 Bundesliga-Spiele für Uerdingen, Mönchengladbach und Duisburg. Welche Trainer haben Sie damals geprägt, von welchen Kollegen haben Sie sich etwas abgeschaut?
Steffen: Friedhelm Funkel lebte Disziplin vor, war klar in seiner Ansprache. Er vermittelte uns Spielern, dass er uns schützt. Er ging unaufgeregt mit Siegen und Niederlagen um, hat dadurch Ruhe auf die Mannschaft übertragen. Das habe ich von ihm mitgenommen. Wolfgang Frank war ein Lehrmeister, was die Viererkette und ballorientierte Verteidigung betrifft. Von Lucien Favre …
Frage: … er war Gladbach-Coach, als Sie zwischen 2010 und 2013 die U19 der Borussia betreuten.
Steffen: Von ihm habe ich vor allem die Detailarbeit übernommen. Im Training nehme ich häufig die Beobachter-Rolle ein. Fällt mir auf, dass eine Übung nicht so ausgeführt wird wie gewünscht, korrigiere ich sofort. Von Jürgen Klopp habe ich mir das Pressing abgeschaut. Es gibt viele Trainer, von denen ich etwas lernen konnte. Dazu zählte auch Rolf Schafstall.
Frage: Ihn hatten Sie zu Beginn Ihrer Profi-Zeit in Uerdingen, er galt als harter Hund …
Steffen: Er hatte einen anderen Führungsstil als zum Beispiel Friedhelm Funkel. Aber was ich im Nachgang für meine Arbeit für gut bewertet habe: Dass er nach Leistung ging, nicht nach dem Alter. So gab er mir als 19-Jährigen den Vorzug vor Matthias Herget, der Nationalspieler war.
Frage: Sie sind der älteste Trainer der Bundesliga. Sehen Sie sich auch als Erzieher der Spieler?
Steffen: Ich sehe mich weder als Erzieher noch als Papa der Gruppe. Die Jungs sind erwachsen und sollen sich auch erwachsen verhalten. Das spreche ich auch an. Bei mir gibt es klare Ansprachen, einen klaren Austausch, klare Vorgaben. Mir ist wichtig, dass die Spieler Verantwortung übernehmen.
Frage: Welche Regeln gibt es bei Ihnen?
Steffen: Ich fordere zum Beispiel in den Trainingseinheiten ein, dass die Spieler schon beim Aufwärmen fokussiert sind, die Intensität von Beginn an sehr hoch ist. Alle wissen, dass sie Teamsportler sind, darum haben sie der Mannschaft zu dienen. Und das beginnt schon bei Kleinigkeiten. Wenn jemand das torpediert, dann kann ich sehr konsequent sein.
Frage: Ist es richtig, dass die Spieler bei Physio-Terminen Handyverbot haben?
Steffen: Das Benutzen des Handys während der Behandlung ist nicht erlaubt. Ist ein Spieler bei der Behandlung, dann sollte er dem Physio die volle Aufmerksamkeit geben und daran interessiert sein, wie es um seinen Gesundheitszustand bestellt ist. Das geht nicht, wenn er etwa durch irgendwelche Video-Clips auf dem Handy abgelenkt wird und dem Physio kein vernünftiges Feedback geben kann.
Frage: Bei Werder soll es unter Ihnen auch neue Essens-Regeln im Hotel geben. Die Spieler dürfen erst dann den Tisch verlassen, wenn der letzte fertig ist.
Steffen: Ich finde, das fördert das Gemeinschaftsgefühl, es kommt automatisch zu mehr Gesprächsthemen an den Tischen. Wobei ich bisher festgestellt habe, dass der Kontakt unter den Spielern bereits sehr gut ist und sie sich untereinander richtig gut verstehen.
Frage: Bremen ist seit Dienstag im Trainingslager im Zittertal in Österreich. Dürfen Ihre Spieler auch mal ein Bier trinken?
Steffen: Bei mir nicht. Für mich ist das nicht sportlergerecht. Wir sind Profis.
Frage: Müssen Ihre Spieler Sie siezen?
Steffen: Die Jungs dürfen mich ansprechen, wie sie mögen: Horst oder Trainer. Als ich 2018 in Elversberg anfing, habe ich noch gesagt: „Hey Leute, ich bin hier Coach, es heißt Sie.“ Aber mittlerweile ist es normal, Du zu sagen. Und ich bin der Meinung, Autorität bekommt man nicht durch die Ansprache.
Das Interview wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, „Bild“, „Sport Bild“) erstellt und zuerst in der „Sport Bild“ veröffentlicht.
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