Im UNO-Sicherheitsrat in New York haben mehrere Länder Israels Pläne kritisiert, die Offensive in Gaza auszuweiten. Zuvor hatte sich Premier Benjamin Netanjahu ausführlich vor der Presse zu seinen Plänen geäussert. Was das alles bedeutet, schätzt SRF-Auslandredaktorin Anna Trechsel ein.

Was hat Netanjahu gesagt?

Er wollte darlegen, weshalb die Eroberung ganz Gazas der beste Weg sei, den Krieg rasch zu beenden. Ziel sei aber nicht, Gaza zu besetzen, sondern Gaza von den Hamas-Terroristen zu befreien. Dazu solle Gaza demilitarisiert werden. Israel werde eine Pufferzone in Grenznähe schaffen und die Gesamtverantwortung für die Sicherheit tragen, so Netanjahu. Regieren soll im Gazastreifen eine «nicht-israelische, friedliebende zivile Regierung», die weder von der Hamas noch von der Palästinensischen Autonomiebehörde gestellt werden könne. Netanjahu äusserte sich auch zur Hungerkrise in Gaza und schob dafür die Verantwortung der Hamas und der UNO zu. Den anwesenden internationalen Journalisten warf er eine «Lügenkampagne» vor, sie seien zum Propaganda-Sprachrohr der Hamas geworden.

Netanjahu spricht eher selten mit internationalen Medien. Warum jetzt so ausführlich?

Seine Ankündigung der Ausweitung des Krieges und der Einnahme ganz Gazas ist weltweit auf massive Kritik gestossen. Sogar Deutschland will die Waffenlieferungen stoppen, sollte die Offensive wirklich starten. Auch im UNO-Sicherheitsrat wurde massive Kritik an dem Übernahmeplan geübt, auch von europäischen Staaten. Die Geduld auch westlicher Regierungen scheint langsam zu schwinden. Man versteht nicht mehr, wie nach fast zwei Jahren Krieg und über 60'000 Toten eine weitere massive militärische Eskalation eine Wende bringen könnte. Die Bilder hungernder Kinder sind für viele unerträglich, ebenso die täglichen tödlichen Schiessereien bei Ausgabestellen für Hilfsgüter. Es scheint also, Netanjahu suche die Flucht nach vorn und versuche, seine Eroberungspläne gegenüber den ausländischen Medien zu rechtfertigen.

Auch in Israel selber gibt es viel Kritik. Wie geht Netanjahu damit um?

Er kümmert sich bis jetzt nicht gross darum. Seit Monaten gibt es laut Umfragen Mehrheiten, die eine Verhandlungslösung wollen. Drei Viertel der Israelis wollen, dass die Geiseln freikommen – und zwar durch ein Abkommen mit der Hamas, mit dem der Krieg beendet würde. Eine neue Bodenoffensive in Gaza-Stadt würde das Leben der Geiseln akut gefährden. Netanjahu hingegen achtet primär darauf, was seine Anhängerinnen und Anhänger und seine rechtsextremen Koalitionspartner wollen. Eine Verhandlungslösung mit der Hamas, in der sich diese als Siegerin inszenieren könnte, wäre für den Premierminister eine Niederlage.

Wann wird die neue israelische Offensive erwartet?

Die Vorbereitungen scheinen bereits im Gang zu sein: Satellitenaufnahmen sollen Truppenkonzentrationen in der Nähe zum Gazastreifen zeigen. Bislang ist die Offensive allerdings noch nicht gestartet worden. Inzwischen geht der Krieg aber auch so weiter: Die israelische Luftwaffe fliegt täglich Angriffe auf Ziele in Gaza, jeden Tag werden dutzende Menschen getötet. Netanjahu selber kündigte an, es solle rasch gehen. Doch zuerst müsse die Zivilbevölkerung von Gaza-Stadt und den Flüchtlingslagern im Zentrum des Gazastreifens in «sichere Zonen» gebracht werden. Das betrifft etwa eine Million Menschen. Wie realistisch es ist, für so viele Leute in kurzer Zeit Unterkünfte herzurichten und deren Versorgung zu organisieren, ist fraglich.

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