Vor dem Ukraine-Treffen zwischen US-Präsident Trump und Russlands Präsident Putin gibt es erneut eine Debatte über Gebietsabtretungen. NATO-Chef Rutte hält Gespräche darüber für unvermeidbar. Die EU-Außenminister wollen sich heute abstimmen.

Gebietsabtretungen für einen Frieden zwischen der Ukraine und Russland? Lange stellten sich westliche Partner Kiews entschieden gegen diesen Vorschlag. Vor dem Treffen von US-Präsident Donald Trump und Kremlchef Wladimir Putin am kommenden Freitag in Alaska kommt jedoch erneut Bewegung in die Debatte. Trump betonte vorab: "Es wird einen Tausch von Gebieten geben - zum Wohle beider."

Nun äußert sich auch NATO-Generalsekretär Mark Rutte. Er machte deutlich, dass sich Gespräche über die von Russland kontrollierten Gebiete bei künftigen Verhandlungen kaum vermeiden ließen.

Rutte betonte zwar, die Ukraine sei ein souveräner Staat, der seine geopolitische Zukunft selbst bestimme. Dem US-Sender ABC sagte er aber auch: "Wir müssen im Moment zur Kenntnis nehmen, dass Russland einen Teil des ukrainischen Territoriums kontrolliert." Nach einer Waffenruhe werde sich die Frage stellen, wie es in territorialen Fragen und mit Blick auf mögliche Sicherheitsgarantien für die Ukraine weitergehe. Eine mögliche Einigung könne etwa festhalten, dass Russland faktisch bestimmte Gebiete kontrolliere, ohne dass diese Kontrolle rechtlich akzeptiert würde. Als Beispiel verwies er auf die jahrzehntelange Haltung des Westens zur sowjetischen Besetzung der baltischen Staaten.

Rutte lobte Trumps Bemühungen und sprach von einem Test, wie ernst es Putin mit einem Ende des Kriegs sei. Das Treffen könne ein wichtiger Schritt hin zu umfassenden Verhandlungen sein, sagte Rutte.

Ukraine lehnt Abtretungen bislang ab

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist bislang nicht eingeladen. Einen Verzicht auf ukrainische Gebiete lehnt Selenskyj kategorisch ab. "Wir werden unser Land und unsere Unabhängigkeit auf jeden Fall verteidigen", betonte er in seiner abendlichen Videoansprache. Und alles, was die Ukraine betreffe, müsse unter Beteiligung der Ukraine entschieden werden. Der Präsident kann über Abtretungen nicht allein entscheiden, dafür wäre eine Verfassungsänderung nötig, die wohl schwere innenpolitische Verwerfungen auslösen dürfte.

In dem Treffen am Freitag sieht der ukrainische Präsident einen neuen Täuschungsversuch Moskaus. "Wir verstehen die Absicht der Russen, Amerika zu täuschen - das werden wir nicht zulassen", sagte Selenskyj. Er schätze die Entschlossenheit Trumps, den Krieg zu beenden. Dennoch sei der einzige Grund für das fortgesetzte Töten in der Ukraine der Wunsch Putins, Krieg zu führen "und alle zu manipulieren, mit denen er in Kontakt kommt". 

Botschafter Makeiev: "Geht hier um Menschen"

Auch der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, mahnte, den Fokus nicht nur auf territoriale Fragen zu richten, sondern auf die Menschen. "Wir müssen verstehen, es geht nicht um Gebiete, es geht auch um Menschen", sagte er im ZDF. Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer lebten heute unter russischer Besatzung. Da seien Hunderttausende Kinder, die zu russischen umerzogen würden. Auch welche Menschenrechtsverletzungen in den besetzten Gebieten passierten, "können wir uns kaum vorstellen, weil wir kaum Zugänge haben".

Deswegen könnten es sich die Ukraine und Europa nicht leisten, dies Putin zu überlassen. Viele der kriegsmüden Menschen in der Ukraine hätten auch Verwandte in den besetzten Gebieten. Auch deswegen sei es nicht so einfach, Gebiete abzutreten, sagte Makeiev.

Videokonferenz der EU-Außenminister

Die europäischen Staaten fürchten wiederum, dass die Ukraine und die europäischen Interessen bei dem Treffen in Alaska übergangen werden könnten. "Europas Kerninteressen stehen auf dem Spiel", teilte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas vor einer Sondersitzung der EU-Außenminister heute mit. Sie betonte, dass jede Vereinbarung zwischen den USA und Russland die Ukraine und die EU einschließen müsse, "denn es geht um die Sicherheit der Ukraine und ganz Europas". Russlands Aggression dürfe nicht belohnt werden - die vorübergehend russisch besetzten Gebiete gehörten zur Ukraine.

Verwirrung vor dem Trump-Putin-Gipfel in Alaska kommenden Freitag

Benedikt Scheper, ARD Washington, Morgenmagazin, 11.08.2025 05:30 Uhr

Wird Selenskyj noch eingeladen?

Bislang soll das Treffen trotz des internationalen Haftbefehls gegen Präsident Putin im US-amerikanischen Bundesstaat Alaska stattfinden - ohne die Teilnahme von Präsident Selenskyj. Eine verspätete Einladung scheint aber nicht ausgeschlossen, sagte US-NATO-Botschafter Matthew Whitaker dem Sender CNN. "Ich halte es durchaus für möglich", sagte er. Die Entscheidung werde von US-Präsident Trump getroffen. "Wenn er der Meinung ist, dass dies der beste Zeitpunkt ist, um Selenskyj einzuladen, dann wird er das tun", erklärte Whitaker. Bislang sei dazu noch keine endgültige Entscheidung gefallen, und es bleibe noch Zeit.

Mit Blick auf einen von Trump ins Spiel gebrachten "Gebietstausch" zwischen Russland und der Ukraine sagte Whitaker, es gehe darum, eine Einigung zu finden. Unterhändler berieten aktuell darüber, welche Gebiete betroffen sein könnten.

Vance: USA werden Ukraine-Krieg nicht mehr finanzieren

Die USA werden in Bezug auf Russland und die Ukraine immer ungeduldiger. US-Vizepräsident JD Vance bekräftigte, dass sich die Vereinigten Staaten finanziell aus der Unterstützung der Ukraine zurückziehen wollen. Trump und er seien der Auffassung, "dass die USA mit der Finanzierung des Ukraine-Kriegsgeschäfts durch sind", sagte Vance dem Sender Fox News in einem Interview. 

Man wolle eine friedliche Lösung finden und das Töten beenden. Die US-Amerikaner seien es leid, weiter ihre Steuergelder für diesen konkreten Konflikt auszugeben, so Vance. Das Interview wurde bereits vor der offiziellen Bekanntgabe des Treffens von Trump mit dem russischen Präsidenten Putin aufgezeichnet, aber erst am Sonntag vollständig ausgestrahlt.

Viele Verletzte bei russischem Luftschlag - Tote in Russland

Die gegenseitigen Angriffe gehen derweil weiter. Bei einem russischen Luftangriff mit Flugzeugbomben auf die südukrainische Großstadt Saporischschja wurden mindestens 20 Menschen verletzt. Wie Militärverwalter Iwan Fedorow auf Facebook mitteilte, traf eine der Gleitbomben einen Busbahnhof im Zentrum. 

Die Ukraine griff russischen Angaben zufolge die Stadt Tula an. Zwei Menschen wurden laut Behördenangaben dabei getötet. Unter Berufung auf den Gouverneur der Region berichtete die Nachrichtenagentur Tass von einem Luftangriff auf ein ziviles Unternehmen. Auch in Nischni Nowgorod wurde ein Mensch getötet, wie der Gouverneure auf Telegram mitteilte. Nach den Angriffen in den beiden Regionen wurden demnach außerdem je zwei Opfer mit Verletzungen in Krankenhäuser eingeliefert. Sowohl die russischen als auch die ukrainischen Angaben zu den Angriffen lassen sich derzeit nicht unabhängig überprüfen.

Die russische Armee schoss der Nachrichtenagentur Tass zufolge Dutzende Drohnen in mehreren Regionen ab. Die Ukraine nutzt die Drohnenattacken in ihrem Abwehrkampf gegen den seit fast dreieinhalb Jahren andauernden russischen Angriffskrieg, um Ziele im Hinterland des Gegners zu treffen und den militärischen Nachschub zu stören. Die Schäden und Opfer infolge dieser Angriffe stehen in keinem Verhältnis zu den vielen Toten und Verletzten sowie schweren Zerstörungen durch die russischen Attacken.

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