"Wenn Putin Frieden wollte, würde hier Stille herrschen"
Ungeachtet aller diplomatischen Bemühungen setzt Russland seinen Krieg fort: Soldaten werden gezielt beim Training angegriffen - und auch die Zivilbevölkerung lebt in ständiger Angst vor dem nächsten Drohnenangriff.
Pokrowsk, Oleksandriwka, Kramatorsk - Namen von Orten, die seit Monaten für heftige russische Angriffe stehen. Orte im Osten der Ukraine. Hier entscheidet sich, ob russische Truppen weiter vorrücken, ob sie die gesamte Region Donezk unter ihre Kontrolle bringen.
Während Tausende Kilometer entfernt hochrangige Staats- und Regierungschefs miteinander verhandeln, fragen sich die Menschen hier: Was hat das mit uns zu tun? Bringen diese Gespräche überhaupt etwas - oder verschärfen sie am Ende die Lage?
Training im Schatten von Drohnen
Auf einem Feld unweit der Front trainieren Soldaten für ihren Einsatz. Kampfgeräusche hallen über ihnen - Schüsse, Befehle, Explosionen. "Alles hat sich geändert. Früher haben wir beim Laufen auf den Boden geschaut, jetzt müssen wir ständig nach oben schauen", sagt ein Soldat, der sich Tsypa nennt. Gemeint sind russische Angriffsdrohnen, die inzwischen ständig am Himmel kreisen - immer wieder auch über Trainingsgeländen.
Die Technik entwickelt sich rasant. Russland setzt Gleitbomben und Aufklärungsdrohnen ein, greift gezielt Ausbildungsorte der ukrainischen Soldaten an. Kalyna, Ausbilder der ukrainischen Armee, erklärt, wie er versucht, den Soldaten das Nötigste für das Überleben an der Front beizubringen: "Weglaufen, sich verstecken, sich tarnen - sie müssen Techniken dafür entwickeln."
Viele der Männer wurden erst vor wenigen Wochen eingezogen. Keiner von ihnen hat sich freiwillig gemeldet. Auch deshalb begleiten Psychologen die Übungen, um die Soldaten mental zu stabilisieren. Andrij, 46 Jahre alt, sagt offen: "Ich wollte nicht kämpfen, das ist nicht mein Ding. Aber der Feind hat angegriffen, Putin hat angegriffen. Jetzt müssen wir unser Land verteidigen."
Werkstatt unter Bäumen
Einige Kilometer weiter, nicht weit von der heftig umkämpften Stadt Pokrowsk, verborgen in einem Waldstück, klopfen Hammer auf Metall. Mykola und sein Team arbeiten in einer geheimen Werkstatt. Ihr Auftrag: beschädigte Fahrzeuge reparieren, sie mit improvisierten Schutzvorrichtungen ausrüsten. "Drohnen sind dauernd in der Luft, manchmal gehen drei oder vier auf ein Auto", berichtet er. Ein Wagen, den sie hereingebracht hätten, sei "durchsiebt von Schrapnell" gewesen.
Seit die russischen Angriffe sich verstärkt haben, arbeiten die Männer nahezu rund um die Uhr. Sie montieren Störsender, ziehen Netze über Fahrzeuge, verschweißen Metallplatten.
"Es geht um Verantwortung für Menschen", sagt Mykola, er leitet hier das Team. "Wir müssen alles tun, damit unsere Soldaten diesen Fleischwolf überleben." Mit "Fleischwolf" meint er die gefährlichen Straßen rund um Pokrowsk, auf denen russische Drohnen, Gleitbomben und Artillerie fast täglich attackieren.
Skepsis gegenüber Verhandlungen
Die Soldaten hören von den Treffen zwischen Putin und Trump, hören von den fernen Verhandlungen. Doch Hoffnung löst das bei den meisten nicht aus. "Bist du bereit, die Hälfte deines Hauses abzugeben, um in Frieden zu leben?", fragt Mykola rhetorisch. "Ich bin nicht dazu bereit."
Für ihn steht fest: Nach all den Opfern kann es keinen Kompromiss auf Kosten ukrainischen Landes und Bodens geben.
Auch der Fahrer Serhij teilt diese Sicht: "Dieses Land gehört uns. Wenn die Verbrecher nicht bestraft werden, dann stimmt etwas in der Welt nicht mehr." Er fürchtet, dass sonst irgendwann sein Sohn kämpfen müsse. Deshalb fährt er weiterhin an die Front, bringt Essen und Waffen, auch unter Lebensgefahr.
Ständig Drohnenangriffe
Oleksandriwka, ein Ort nicht weit von der Front. Ständig greifen auch hier russische Drohnen an. Zerstören, verletzen und töten. "Eine Nacht war besonders schlimm, eine Drohne flog direkt herunter, das Geräusch war schrecklich. Die Kinder sind alle aufgewacht, wir rannten hinaus in den Flur", erinnert sich Daria, Mutter zweier Kinder.
Viele Familien haben ihre Häuser verlassen, doch manche bleiben - aus Trotz, aus Hoffnung oder einfach, weil ihnen die finanziellen Mittel fehlen, um ihre Heimat zu verlassen und neu anzufangen.
Iryna, die bei der Stadtreinigung arbeitet, sagt: "Ich hoffe nur auf Frieden, weil ich ein Kind habe und einen Job. Sehen Sie - wir arbeiten immer noch."
Bürgermeisterin Ljudmyla Boryssewytsch beschreibt die Lage nüchtern: "Unsere Bewohner spüren ständig die Explosionen der Shahed-Drohnen. Innerhalb von eineinhalb Monaten wurden viele Gebäude beschädigt. Die Menschen hoffen, dass die Front sich nicht weiter vorwärts bewegt."

Die Explosionen seien in der Stadt ständig zu spüren, erklärt die Bürgermeisterin von Oleksandriwka, Ljudmyla Boryssewytsch.
Kramatorsk: Alltag mit Sirenen
Auch ein paar Kilometer weiter in Kramatorsk heulen fast täglich die Sirenen. Raketen schlagen regelmäßig in der Stadt ein. Auf dem Markt erzählt Verkäuferin Maryna: "Putin wird niemals verhandeln. Sein Ziel ist, die gesamte Ukraine zu zerstören. Ich habe viele Freunde verloren, manche mussten wir begraben."
Blogger Maksym Hoduschko hört täglich die Einschläge. Er schüttelt den Kopf über das Treffen von Trump und Putin in Alaska: "Wenn Putin Frieden wollte, würde hier Stille herrschen." Für ihn ist klar: Zugeständnisse bringen nichts, nur ein Rückzug Russlands könnte den Krieg beenden.
Iryna, 64 Jahre alt, zeigt auf ihr zerstörtes Nachbarhaus: "Türen und Fenster sind rausgeflogen. Ich hoffe, dass sie sich irgendwann einigen. Aber ich mache mir Sorgen, dass andere Städte genauso leiden müssen."

Die 64-jährige Iryna aus Kramatorsk hofft, dass die diplomatischen Bemühungen erfolgreich sind - und endlich Frieden einkehrt.
Orte der Zerrissenheit
Im Donbass ist die Stimmung ambivalent: zwischen dem Wunsch nach Frieden und der Gewissheit, dass Putin nicht freiwillig aufhören wird. "Es gibt nichts zu vereinbaren", sagt eine Markthändlerin. "Alles bleibt, wie es ist." Andere hoffen weiterhin auf eine Waffenruhe, wenn auch nur vorübergehend.
Gleichzeitig halten viele Menschen ihre Koffer gepackt. Manche wollen erst fliehen, wenn die Kämpfe direkt vor der Tür stehen, andere sind entschlossen zu bleiben - weil die Eltern alt sind, weil die Heimat unverzichtbar ist, oder weil sie schlicht nicht wissen, wohin.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke