Mit Putin-Anhängern im Kriegsgebiet
Was passiert, wenn man Menschen, die die russische Aggression in der Ukraine für westliche Propaganda halten, ins Kriegsgebiet schickt? Ein tschechischer Dokumentarfilm hat dieses radikale Experiment gewagt.
Von Prag bis an die Front: Petra, Ivo und Nikola, drei Tschechen, die sich selbst stolz als "dezoláti" bezeichnen - eine im Lande gebräuchliche Diffamierung für Verschwörungsgläubige und Putin-Versteher - reisen mit einem Filmteam in die vom Krieg erschütterte Ostukraine.
Ihr Weltbild: in der Ukraine herrsche großteils kein Krieg, Russland sei nicht der Aggressor, der Westen trage die Schuld, Medien würden lügen. "Selenskyj reist nur um die Welt und bettelt darum, dass ihm jemand seinen Krieg finanziert", heißt es da. Und: "Der Green Deal und die liberale Demokratie - das ist es, was mich bedroht."
Der Dokumentarfilm "Velký vlastenecký výlet" ("Die große patriotische Reise") zeigt, wie die drei in Charkiw und im Donbass mit der Realität des Krieges konfrontiert werden: Raketenalarm, Massengräber, unterirdischer Schulunterricht im U-Bahn-Schacht, verletzte Soldaten, trauernde Familien.
"Auf Russland zu zeigen und zu sagen, das ist der Aggressor, ist einfach dumm" - kann die Realität diese Meinung ins Wanken bringen? Die drei sind mit eigenen Kameras unterwegs. Sie starten mit dem Anspruch, die "westlichen Medienlügen" zu enttarnen. Beobachtet werden sie dabei vom Filmteam, das ihre Reaktionen dokumentiert.

Regisseur Robin Kvapil (am Mikrofon) und sein Team bei der Preview ihres Films: "Wir wollten den Menschen die Augen öffnen - und zeigen, wozu das russische Regime fähig ist", sagt Kvapil.
Konfrontation mit der Wirklichkeit
Regisseur Robin Kvapil hatte vor einem Jahr öffentlich Menschen gesucht, die den Ukraine-Krieg für inszeniert halten. 60 meldeten sich, drei wagten schließlich die Reise. "Wir wollten den Menschen die Augen öffnen - und zeigen, wozu das russische Regime fähig ist", sagt Kvapil.
Die Filmemacher verbergen nicht, dass ihr Weltbild diametral anders ist als das ihrer Protagonisten. Aus dem Zusammenschnitt beider Perspektiven entsteht ein bedrückendes Road-Movie durch den Krieg und die Abgründe der eigenen Gesellschaft.
Dreharbeiten unter Extrembedingungen
Zur Sicherheit begleitete ein Expertenteam die Reise: ein Psychiater, ein Kriminologe sowie eine landeskundige und erfahrene Übersetzerin. Sich mit einer großen ausländischen Gruppe in Frontnähe zu bewegen, war in vielerlei Hinsicht riskant. Begleitet wurde das Projekt daher auch von tschechischen Behörden und der ukrainischen Sicherheitsstruktur.
Die Dreharbeiten fanden unter teils extremen Bedingungen statt - in unmittelbarer Nähe zur Frontlinie. Produzent Jakub Drocár berichtet: "In Charkiw können Sie morgens Avocado-Toast essen - und im Hintergrund sind gleichzeitig Artilleriesalven zu hören."
Nicht selten mussten sich Crew und Protagonisten in Schutzräume retten. In Frontnähe blieben zwischen Raketenalarm und Einschlag oft nur Augenblicke.

Ivo, einer der Protagonisten der Doku, steht vor einer zerstörten Brücke in Bohodorychne in der Ostukraine.
Emotion und Abstand
Die große Frage des Films lautet, ob und wie sehr die Reise den Blick der drei Protagonisten verändern kann. Tatsächlich kommt es immer wieder zu emotionalen Situationen - angesichts exhumierter Massengräber, wenn in zerstörten Wohnungen die Gegenstände eines nicht mehr vorhandenen Alltags aus den Trümmern ragen, oder im Gespräch mit einem alten Mann, der bei der Bombardierung seines Hauses die gesamte Familie, Kinder und Enkelkinder verloren hat.
Konterkariert werden solche Momente aber immer wieder von Selbstversicherungen der Protagonisten: Es interessiere sie eigentlich nicht, es gehe sie nichts an. Der Krieg in der Ukraine - es ist nicht der Krieg der drei Protagonisten.
Persönlicher Kampf gegen westliche Gesellschaft
Ihren persönlichen Kampf führen sie gegen die progressive westliche Gesellschaft, gegen den Green Deal der EU und andere europäische Regulierungen. Russland ist für sie der Gegenentwurf dazu - selbst die Kriegsgräuel bleiben da nebensächlich.
Sogar mitten in der zerbombten Innenstadt von Charkiw ist für Petra und Nikola die Welt für einen Moment wieder in Ordnung, als ein alter Lada vorbeifährt - nicht ganz nach Euronorm, ohne Abgasprüfung und Umweltplakette. Sowas wäre daheim in Tschechien nicht möglich.
Wahrheit und Liebe müssen siegen, lautete das ikonische Credo des tschechischen Altpräsidenten Václav Havel. Er habe gehofft, bei den Protagonisten ein Umdenken in die Wege leiten zu können, sagt Regisseur Robin Kvapil. Doch schließlich sei er es gewesen, der seine Einstellung ändern musste: "Es ist eine Welt möglich, in der das Böse siegt - und ich kann mir schon vorstellen, wie sie aussieht."
"Velký vlastenecký výlet" startet am 21. August 2025 in den tschechischen Kinos - symbolträchtig an dem Datum, an dem 1968 sowjetische Panzer in Prag einrollten und den Prager Frühling niederwalzten. Ob der Film auch in Deutschland in den Verleih kommt, ist noch nicht bekannt.
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