Sicherheitsgarantien ja - aber wie genau?
Zehn Tage nach den Gipfeln in Anchorage und Washington beraten Europas Verteidigungs- und Außenminister in Kopenhagen. Dabei dürfte es darum gehen, was Europa konkret für den Schutz der Ukraine tun kann.
Für die Europäer ist es ein ständiges Auf und Ab. Mal werden sie an den Rand gedrängt und gar nicht erst gefragt, wenn US-Präsident Donald Trump mit Kremlchef Wladimir Putin verhandelt. Und dann stehen sie plötzlich im Mittelpunkt, weil der angebliche Deal militärisch abgesichert werden soll - und zwar durch Sicherheitsgarantien für die Ukraine, sogar mit Bodentruppen nicht weit von den ukrainischen Schlachtfeldern entfernt. Weitgehend ohne US-Rückendeckung.
Allenfalls etwas Unterstützung aus der Luft kann Trump sich vorstellen - was auch immer solche in die Debatte geworfenen Ideen im Krisenfall bedeuten mögen.
Seit den Gipfeltreffen in Anchorage und Washington vor zehn Tagen wird unablässig über Sicherheitsgarantien spekuliert, obwohl von dem Waffenstillstand, den sie garantieren sollen, bisher keine Rede sein kann. Er ist nicht einmal in Sicht. Trotzdem werden Europas Verteidigungs- und Außenminister sich bei ihrem Treffen in Kopenhagen mit dem brisanten Thema beschäftigen müssen. Zu lange haben die EU-Spitzen eingefordert, gehört zu werden - da können sie jetzt nicht auf andere zeigen.
Kallas fordert "glaubwürdige und robuste" Garantien
Wie solche Sicherheitsgarantien genau aussehen sollen, darüber kursieren noch sehr unterschiedliche Ideen. "Glaubwürdig und robust" müssen sie sein, forderte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas kurz vor dem Ministertreffen in Kopenhagen. Westliche Friedenstruppen müssten "in der Lage sein, sich verteidigen zu können".
Allerdings verfügt EU-Kommissarin Kallas nicht über eigene Truppen, sie ist also frei vom Druck, im Ernstfall Verantwortung übernehmen zu müssen. Bei den Verteidigungsministern sieht das anders aus. In deren Ministerien gibt es nicht wenige, die sich fragen, wie so eine europäische Selbstverteidigung eigentlich aussehen soll, wenn auf der anderen Seite eine Atommacht steht.
Allein schon wegen der atomaren Abschreckung wäre eine amerikanische Rückendeckung wichtig, darüber herrscht Einigkeit. Frankreich und Großbritannien sind die beiden Länder, die am weitesten mit den Überlegungen gegangen sind, sogar eigene Soldaten auf dem Boden der Ukraine einzusetzen. Aber selbst Emanuel Macron und Keir Starmer haben solche Zusagen immer von einer amerikanischen Beteiligung abhängig gemacht.
Welche Strategie verfolgt Trump?
Danach sieht es allerdings nicht aus. Überhaupt fragen sich selbst intime Washington-Kenner, welche Interessen der amerikanische Präsident in der Ukraine verfolgt. Was will Donald Trump mit seinen weitgehend unvorbereiteten Gipfeln und Telefonaten erreichen?
Ganz leicht zu identifizieren ist das nicht. Mal beschuldigt er die Ukraine, im Grunde der Aggressor in dem dreieinhalb Jahre währenden Krieg zu sein. Dann wieder erklärt er Russlands Präsident Wladimir Putin zum Problem - zu einem, der "Bullshit" verbreite und etwas ganz anderes mache, als er gerade noch im Telefonat versichert hatte. Wer hätte das von Putin gedacht?
Für die Europäer und ihre Risiko-Abschätzung ist Trumps Strategie von entscheidender Bedeutung. "Das Interesse von Trump im Ukraine-Krieg ist die Neuordnung der Welt", sagt Thomas Kleine-Brockhoff, Direktor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), dem ARD-Studio Brüssel. Es gehe dem amerikanischen Präsidenten um eine Wiederannäherung an Russland mit dem Ziel einer Großmächteordnung, "in der die Großen entscheiden und die Kleinen sich fügen müssen."
Trump schwebe eine Welt der Einflusszonen vor, "in der jeder in seinen Einflusszonen schalten und walten kann". Kleine-Brockhoff sieht darin den Grund dafür, dass Trumps eigene Lösungsvorschläge immer zu Lasten der Ukraine gingen. Ein schnelles Kriegsende habe für ihn Priorität, "damit er diese Ordnung mit Putin und Xi Jinping herstellen kann."
Wie die Ukraine unmittelbar schützen - und woher das Geld nehmen?
Noch dringender als die Debatte über Schutzmechanismen für einen noch ziemlich theoretischen Waffenstillstand dürfte in Kopenhagen die sehr konkrete Frage diskutiert werden, wie die Europäer die Ukraine jetzt sofort besser schützen können. Die Stärkung der ukrainischen Armee gilt als die wichtigste Sicherheitsgarantie für das Land - jedenfalls im Moment und so lange Putin keine Anstalten macht, die militärischen Angriffe auf Militärstellungen und Zivilbevölkerung auch nur zu reduzieren.
"Es ist nun hinreichend klargeworden, dass Putin auf Zeit spielt", erklärt DGAP-Direktor Kleine-Brockhoff. Die Europäer müssten deshalb Putins Kriegslinie durchkreuzen. Dabei gehe es vor allem um den Aufbau von Fähigkeiten der ukrainischen Verteidigungsindustrie und Verteidigungskooperation, aber auch um neue Finanzierungsquellen - etwa um die Frage, "wie das russische Vermögen besser als heute zum Einsatz gebracht werden kann."
Die immer noch offene Frage nach russischen Vermögenswerten
Das Thema steht in der zweiten Hälfte des Ministertreffens am Samstag auf der Tagesordnung, wenn die Außenminister nach Kopenhagen kommen. Einige von ihnen wollen die in Europa angelegten russischen Vermögenswerte beschlagnahmen und für die Unterstützung der Ukraine einsetzen.
Bisher sind diese auf weit über 200 Milliarden Euro geschätzten russischen Anlagen nur eingefroren. Die Europäer schöpfen zwar die Zinsen ab und lassen sie in die Ukraine-Hilfe einfließen. Aber gegen weitergehende Schritte gibt es in mehreren europäischen Hauptstädten Bedenken, auch in Berlin. Man fürchtet Einbußen an Vertrauenswürdigkeit - andere autoritär regierte Staaten in Europa könnten ins Grübeln kommen und ihre Werte abziehen. Das wollen mehrere Länder verhindern.
Dass das Thema in Kopenhagen trotzdem auf die Tagesordnung kommt, könnte auf das Interesse der EU-Außenbeauftragten Kallas zurückgehen, in diesem Punkt endlich Fortschritte zu machen. Ob es die geben wird, ist allerdings ungewiss.
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