Triebfeder für Europas Asylreform
Die Entwicklungen des Sommers 2015 mit den Millionen Geflüchteten in Europa wirkten wie ein Katalysator für die Reform der europäischen Asylpolitik. Kommendes Jahr wird das neue Asylsystem vollständig in Kraft treten.
Als die damalige Kanzlerin Angela Merkel vor zehn Jahren in Berlin ihren berühmten Satz "Wir schaffen das" sagte, hatte das nicht nur Folgen für Deutschland, sondern auch für Europa.
Rund fünf Wochen später fand Merkel im EU-Parlament in Straßburg ähnlich große Worte: "Die überaus große Zahl der Flüchtlinge verändert Europas Tagesordnung."
Denn auch in der gesamten EU stieg die Zahl der Asylbewerber damals sprunghaft an: 2015 auf gut 1,2 Millionen, 2016 schon auf mehr als anderthalb Millionen Anträge, und die Zahl blieb auch in den Jahren danach - mit Ausnahme des ersten Corona-Jahrs 2020 - ähnlich hoch.
Auch Merkel betonte damals schon, dass Europa seine Asylpolitik anpassen müsse: "Niemand verlässt seine Heimat leichtfertig. Auch nicht die, die aus wirtschaftlichen Gründen kommen. Aber denen müssen wir sagen, dass sie nicht bei uns bleiben können, damit wir denen wirklich helfen können, die tatsächlich unseren Schutz vor Krieg und Verfolgung brauchen. Und dazu brauchen wir einen politischen Prozess in Europa."
Ein Weckruf für die EU
Die Ereignisse 2015 waren ein Weckruf für die EU - aber nur einer von vielen. Auch die dramatischen Szenen auf dem Mittelmeer etwa oder die überfüllten Aufnahmezentren in Italien und Griechenland zählten dazu, sagt die CDU-Europaabgeordnete Lena Düpont.
Sie gestaltet die EU-Asylpolitik seit rund sechs Jahren entscheidend mit und erzählt: "Wir haben zu Beginn der letzten Legislaturperiode erst einmal die Scherben des 'alten Paketes' aufsammeln müssen. Auch dadurch, dass es eine jahrelange Blockade unter den Mitgliedstaaten gegeben hat. Die EU-Kommission musste erst mal sehr viel Zeit in Hauptstadt-Diplomatie investieren, um dann mit einem neuen Gesetzesvorschlag auf Parlament und Rat zuzukommen."
Das neue Gemeinsame Europäische Asylsystem
Herausgekommen ist schließlich ein dickes Gesetzeswerk namens GEAS: das Gemeinsame Europäische Asylsystem, das kommenden Sommer vollständig in Kraft treten wird. Mit ihm sollen die Außengrenzen der EU besser geschützt, Migration begrenzt und Abschiebungen beschleunigt werden.
Zwölf umfangreiche Rechtsakte regeln tausende Details, unter anderem, dass Geflüchtete sich nicht - wie vor zehn Jahren etwa von Ungarn aus - unregistriert durch die EU bewegen, so Düpont. Kerngedanke sei insbesondere aus deutscher Perspektive das Verhindern von Sekundärmigration, also das Weiterziehen innerhalb der EU. "Dies ist aufgenommen worden in die Reform von Eurodac."
Das Fingerabdruck-Identifizierungssystem Eurodac soll etwa dafür sorgen, dass Geflüchtete nicht mehrfach Asyl in der EU beantragen. "Für die Außengrenzstaaten ist die Registrierung der Geflüchteten jetzt Pflicht, weil schlicht und ergreifend daran auch der Solidaritätsmechanismus hängt."
Das Problem der solidarischen Verteilung
Tatsächlich ist Solidarität in der europäischen Asylpolitik ein kompliziertes Thema. Wenige Tage nach Merkels "Wir schaffen das" sagte der damalige EU-Parlamentspräsident Martin Schulz: "Wenn es heißt: Die Menschen wollen ja alle gar nicht in Ungarn bleiben, die wollen nach Deutschland - dann mag das zutreffen. Es ist aber kein Vorschlag zur Problemlösung. Wenn sie 500.000 Flüchtlinge haben, die nach Europa kommen, und sie verteilen sie unter gut 500 Millionen Menschen, die in den 28 Mitgliedsstaaten der EU leben, dann ist das kein Problem."
Das eigentliche Problem scheint aber noch nicht wirklich aus der Welt geschafft: Im neuen Asyl- und Migrationspakt bekennen sich die jetzt noch 27 EU-Staaten zwar dazu, solidarisch bei der Verteilung von Geflüchteten zu sein. Sie wollen dies aber wohl ganz unterschiedlich ausgestalten.
Im Oktober wird die EU-Kommission nun zum ersten mal konkrete Verteilquoten vorschlagen - und Brüssel erwarten wohl sehr heiße Diskussionen.
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