"Alles brach über uns zusammen"
Es war eines der schlimmsten Erdbeben in der Geschichte Afghanistans: 900 Menschen kamen nach Angaben der Taliban ums Leben. Die Zahl der Opfer dürfte weiter steigen - viele betroffene Gebiete sind nur schwer zu erreichen.
Ein überfülltes Krankenhaus in der afghanischen Stadt Dschalalabad: Auf einer Pritsche liegt der 16-jährige Shahidullah, sichtlich geschockt, den Körper voller Schürfwunden. Neben ihm sitzt seine kleine Schwester - auch sie ist verletzt.
Ihr gemeinsames Schicksal: Die Mutter ist beim Beben ums Leben gekommen, erzählt Shahidullah einem Reporter der Nachrichtenagentur AFP. "Alles brach über uns zusammen. Wir konnten gar nicht begreifen, was für eine Tragödie passiert war", sagt er.
Viele Verletzte wurden mit Helikoptern aus den abgelegenen Dörfern hierher ausgeflogen. Doch die Ärzte sind angesichts der schieren Zahl an Patienten überfordert. Wer hier liegt, hatte trotzdem Glück: Er wurde lebend aus den Trümmern gerettet. Shahidullah stammt aus der Provinz Kunar, nahe der Grenze zu Pakistan - die Region, die am schlimmsten getroffen wurde. Ganze Dörfer sind hier dem Erdboden gleichgemacht worden.

Abgelegene Region - vielerorts gibt es nichts
Zwischen Steinen, Holz und Schutt steht ein Dorfbewohner vor den Resten seines Hauses. "Die Lage ist noch immer kritisch. Es gibt weiterhin leichte Erschütterungen durch das Erdbeben. Die Menschen haben Angst. Familien haben ihre Häuser verlassen und sind hinaus auf offene Felder gegangen, wo sie bis jetzt ausharren", sagt er.
Die Region ist abgelegen, vielerorts gibt es nichts - nicht einmal Strom. Am Wochenende machten Überschwemmungen Straßen zudem unpassierbar. Rettungskräfte kämpfen darum, entlegene Dörfer zu erreichen - behindert durch unwegsames Gebirge und schlechtes Wetter.
Viele graben mit bloßen Händen
Bis Hilfe ankommt, sind die Menschen auf sich selbst gestellt: Viele graben mit bloßen Händen in den Trümmern nach Angehörigen, andere versuchen Straßen freizuräumen. Noch ist unklar, wie viele Tote am Ende geborgen werden.
Auch Stefan Recker von der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe hat das Beben gespürt - mehr als 150 Kilometer entfernt. Er arbeitet in Kabul und kennt Afghanistan bereits seit vielen Jahren: "Partner von uns sind in das Gebiet gefahren. Sie machen dort Untersuchungen, was möglich ist, was notwendig ist", sagt Recker.
Doch das werde durch zerstörte beziehungsweise blockierte Straßen teilweise verhindert. "Die größte Not herrscht im Bereich Nahrungsmittel. Das heißt, Fertigessen wird gebraucht. Trinkwasserversorgung ist ein Problem. Unterkunft, also Decken, Zelte, die werden gebraucht."
Wie groß die Zerstörung wirklich ist, lässt sich noch nicht sagen, fest steht aber: Das Beben hat die ohnehin katastrophale humanitäre Lage in Afghanistan noch einmal verschärft.
Erste internationale Hilfe läuft an
Die Taliban-Regierung hat die internationale Gemeinschaft inzwischen um Hilfe gebeten - und die erste Unterstützung erreicht bereits das Land: Indien hat nach eigenen Angaben 1.000 Familienzelte nach Kabul geliefert und Lebensmittel in die Unglücksregion geschickt, weitere Hilfslieferungen sollen folgen.
Auch China und Großbritannien haben Katastrophenhilfe zugesagt. Die Weltgesundheitsorganisation schickt Medikamente und medizinisches Personal, deutsche Hilfswerke wie die Diakonie Katastrophenhilfe und Caritas International stellen Geld für die Nothilfe bereit. Doch angesichts der abgelegenen Region und der zerstörten Infrastruktur dürfte es noch Tage dauern, bis die Hilfe wirklich bei den Menschen in den zerstörten Dörfern ankommt.
Franziska Amler, ARD Neu-Delhi, tagesschau, 02.09.2025 07:07 Uhr
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke