Milei mit Korruptionsskandal konfrontiert
Argentiniens Präsident Milei hat vielen Politikern in seinem Land Korruption vorgeworfen. Nun ist er selbst mit einem Korruptionsskandal konfrontiert - und zwar mit einem, der die Schwächsten der Gesellschaft trifft.
Im Zentrum von Buenos Aires: Vor der nationalen Agentur für Menschen mit Behinderung hat sich eine lange Schlange gebildet. Und das, obwohl es in Strömen regnet. Sie alle sind hier, weil ihnen die Agentur plötzlich die Behinderten-Hilfen storniert hat. Wie Romina Jelavich, deren beide Söhne mit einer schweren Sehbehinderung zur Welt kamen.
"Es ist so schrecklich, wie die Regierung die Schwächsten in der Gesellschaft behandelt, Behinderte, Rentner. Das empört mich so", sagt Jelavich.
In diesen Tagen ist die Empörung allerdings nochmal gewachsen, denn über die Behörde wurden angeblich Gelder abgezwackt - so jedenfalls legen es geleakte Audiomitschnitte nahe, die auch der ARD vorliegen, allerdings nicht auf ihre Echtheit überprüft werden konnten. Der bisherige Direktor Diego Spagnuolo soll darin über Schmiergelder sprechen, die Großdrogerien für Staatsaufträge zahlten und legt nahe, dass ein Teil davon zurückgeflossen sei.
Mindestens wohl drei Prozent, und zwar direkt in die Tasche von Karina Milei, der Schwester und wichtigsten Beraterin des argentinischen Präsidenten - "la Jefa", nennt Javier Milei sie, die Chefin.
Ermittlungen belegen verdächtige Auftragssteigerung bei Drogerie
Jorge Enriquez, der mit seinem autistischen Sohn zur Behörde gekommen ist, schüttelt den Kopf. "Da spüre ich Beklemmung, verstehst du? Menschen mit Behinderung, die ohnehin nichts haben, auch noch die Hand in die Tasche zu stecken. Das kann doch wirklich nicht wahr sein."
Präsident Milei entließ den Leiter der Behörde sofort, schwieg dann erstmal tagelang und bezeichnete die Anschuldigungen schließlich als Lüge, illegale Spionageoperation und Desinformationskampagne. Inzwischen wurden allerdings Ermittlungen eingeleitet, dabei wurde unter anderem festgestellt, dass sich staatlichen Aufträge der verdächtigten Großdrogerie tatsächlich vervielfacht haben. Einer der beiden Inhaber wurde auf der Flucht mit einer größeren Menge Bargeld erwischt.
In Argentinien gibt es längst kein anderes Thema mehr, die sozialen Netzwerke kochen über vor ironischen Memes und das Lied "Karina, alta Coimera", auf Deutsch, "Karina, die Oberkorrupte" ist zum viralen Hit der Woche geworden.

"Der Skandal ereignet sich in einer Zeit der Wirtschaftskrise"
Der Audio-Skandal wird für die Regierung Milei zunehmend zur Staatsaffäre. "Mileis Wahlkampfversprechen war erstens: die Wirtschaft in Ordnung zu bringen und zweitens, sich von der traditionellen Politik, der Kaste, wie er sie nennt, abzugrenzen, der er immer wieder Korruption und Diebstahl vorgeworfen hat", sagt der politische Analyst Iván Shuliaquer.
Nun wird ausgerechnet Milei, der sich immer als Kämpfer gegen die korrupte Kaste gab, von einem Korruptionsskandal im engsten Umfeld erschüttert. Einer, der dazu Menschen trifft, die am härtesten von seiner radikalen Sparpolitik getroffen wurden. Mileis Zustimmungswerte sind im August deutlich gesunken, ermittelte die Universität Torcuato di Tela. Dazu kommt: Auch wirtschaftlich kommen Zweifel an Mileis Kettensägen-Modell auf.
"Der Skandal ereignet sich in einer Zeit der Wirtschaftskrise für die Regierung, denn der Konsum sinkt, und die Regierung scheint die Kontrolle über einige wichtige Variablen zu verlieren: nämlich den Kurs des Dollars und die Inflation, vor allem aber wächst das Haushaltsdefizit", sagt Shuliaquer.
Buenos Aires steckt im Wahlkampf
Mileis Versprechen war es, die überbordende Inflation von mehr als 200 Prozent einzudämmen. Das gelang. Dazu wurde für dieses Jahr ein Wirtschaftswachstum von mehr als fünf Prozent vorausgesagt - aber eben im Vergleich zu vergangenem Jahr, wo die Wirtschaft um 3, 8 Prozent einbrach. Die Devisenreserven bleiben auf niedrigem Niveau, die Verschuldung wächst und der Peso verliert gegenüber dem US-Dollar an Wert - was wiederum Auswirkungen auf die Preise haben dürfte. Und all das mitten im Wahlkampf.
Am Sonntag wird in der Provinz Buenos Aires gewählt. Beim Kampagnen-Abschluss seiner Partei tritt Milei mit Schwester Karina auf die Bühne. Die Korruptionsvorwürfe seien eine Operette, eine Schutzkampagne seiner Gegner.
"Wir wollen Argentiniens Dekadenz beenden", sagt Milei. "Wir wollen Argentinien wieder groß machen. Und das beginnt an diesem Sonntag hier in dieser Provinz."
Gegenwind für Milei
Die Abstimmung in der bevölkerungsreichsten Provinz des Landes, die als Hochburg der oppositionellen Peronisten bekannt ist, gilt als Stimmungsbarometer für die Kongresswahlen im Oktober. Da hofft Milei auf mehr Sitze für sein libertäres Bündnis La Libertad Avanza. Bisher haben sie dort keine eigene Mehrheit.
Und bald muss das Parlament über die Notstandsregelung entscheiden, also darüber, ob Milei weiterhin mit Dekreten regieren darf oder nicht - bisher eines seiner wichtigsten Instrumente. Doch zunehmend schlägt ihm aus der Legislative Gegenwind entgegen. Gerade erst musste Milei eine Niederlage einstecken. Er hatte sich per Veto gegen ein Gesetz gestellt, das die Ausgaben und den Schutz von Menschen mit Behinderung erhöht. Doch das haben beide Kammern im Kongress nun überstimmt.
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