Israelische Militärattacke gegen Hamas-Führung in Doha
Nach tagelangen Drohungen gegen Hamas-Funktionäre hat Israel die Terrororganisation in Katar angegriffen. Noch ist nicht bekannt, ob Führungsmitglieder getötet wurden. Katar reagierte empört und will seine Vermittlerrolle aussetzen.
Das israelische Militär hat nach eigenen Angaben die Führungsspitze der militant-islamistischen Hamas in Katar angegriffen. Der gezielte Angriff sei gemeinsam mit dem Geheimdienst Schin Bet in Doha ausgeführt worden, teilten die Streitkräfte mit. Die Mitglieder der Hamas-Führung hätten jahrelang die Operationen der Terrororganisation geleitet, trügen die direkte Verantwortung für das Massaker vom 7. Oktober 2023 und lenkten den Krieg gegen den Staat Israel.
Der Angriff sei eine direkte Antwort auf das vom bewaffneten Arm der Hamas beanspruchte Attentat mit sechs Toten an einer Bushaltestelle in Jerusalem vom Vortag, erklärte die israelische Regierung. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu habe die Sicherheitskräfte direkt nach dem Anschlag angewiesen, "sich für die Möglichkeit eines Angriffs auf Hamas-Anführer bereit zu machen", hieß es einer von Netanjahu und Verteidigungsminister Israel Katz veröffentlichten Erklärung. Heute habe sich dann die Möglichkeit für einen Angriff ergeben.
Über der Skyline von Doha stieg schwarzer Rauch auf; die Behörden bestätigten einen Angriff. Hamas-Quellen sagten dem Sender Al Jazeera, dass der Angriff dem Verhandlungsteam der Terrororganisation gegolten habe. Katar ist einer der wichtigsten Vermittlerstaaten in Israels Krieg gegen die Hamas im Gazastreifen.

Pia Steckelbach, ARD Tel Aviv, zum gezielten Angriff Israels auf Hamas-Führung in Doha
tagesschau24, 09.09.2025 16:00 UhrAl-Haja soll den Angriff überlebt haben
Unklar ist bisher, ob es Todesopfer gab. Der Sender Al-Arabija berichtete unter Berufung auf Informationen, die kurz nach nach dem Angriff vorlagen, al-Haja sei getötet worden. Eine Bestätigung für den Tod al-Hajas oder anderer Hamas-Funktionäre liegt bislang nicht vor.
Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete hingegen mit Bezug auf Hamas-Quellen, dass das Verhandlungsteam den Angriff überlebt habe. Auch der Nachrichtenkanal Al Jazeera gab mit Verweis auf einen Hamas-Funktionär bekannt, dass die Führung der Gruppe den Angriff überlebt habe. Al Jazzera zufolge wurde ein Sohn al-Hajas bei dem Angriff getötet.
Al-Haja ist der höchste Hamas-Führer im Ausland, der auch die Hamas-Delegation bei den indirekten Verhandlungen mit Israel um eine Waffenruhe leitet. Al-Haja hielt sich die meiste Zeit in Katar auf. Andere höhere Hamas-Funktionäre im Ausland leben ebenfalls zumeist in Katar oder in der Türkei.
Katar setzt Vermittlerrolle aus
Katar verurteilte den "feigen" Angriff scharf. Dieser habe auf Wohngebäude gezielt, in denen mehrere Mitglieder des Politbüros der Hamas wohnten, erklärte der Sprecher des katarischen Außenministeriums Madschid al-Ansari. Er sprach von einem "eklatanten Verstoß gegen alle internationalen Rechte und Normen" und einer "ernsthaften Gefahr für die Sicherheit" der Bevölkerung in Katar.
Der Vorfall werde jetzt auf höchster Ebene untersucht, so al-Ansari. Außerdem setzte Katar vorerst seine Rolle als Vermittler zwischen den beiden Konfliktparteien, Israel und Hamas, im Gaza-Krieg aus. Es ist der erste militärische Angriff auf das Golfemirat Katar seit dessen Unabhängigkeit vor mehr als 50 Jahren.
Trump war offenbar eingeweiht
US-Präsident Donald Trump gab einem Medienbericht zufolge grünes Licht für den Angriff. Das berichtet der israelische Fernsehsender Channel 12 unter Berufung auf einen israelischen Regierungsvertreter. Erst vor wenigen Tagen hatte der US-Präsident eine "letzte Warnung" an die Hamas ausgesprochen, einem Friedensabkommen zuzustimmen.
Katar ist ein wichtiger Verbündeter der USA und beheimatet mit dem Luftwaffenstützpunkt Al-Udaid die größte US-Militärbasis im Nahen Osten.
Der Angriff selbst war nach israelischen Angaben aber eine rein israelische Operation. Israel habe sie initiiert, ausgeführt und übernehme die volle Verantwortung, teilte das Büro von Premierminister Benjamin Netanjahu auf der Plattform X mit.
"Historische Entscheidung" für Israel
Der israelische Polizeiminister Itamar Ben-Gvir schrieb zu dem Angriff in Katar, jüdisches Blut dürfe nicht länger ungestraft vergossen werden. Die Entscheidung zum Angriff sei "eine weitere historische Entscheidung in einer Reihe wichtiger und historischer Beschlüsse, die wir gefasst haben", schrieb er bei X. "Ich verfolge meine Feinde und hole sie ein, kehre nicht um, bis ich sie vernichtet habe", zitierte er aus der Bibel.
Auch der israelische UN-Botschafter Danny Danon lobte den Angriff. "Der präzise Angriff in Doha zielte auf führende Hamas-Mitglieder ab, die das Massaker vom 7. Oktober geplant und die Entführung unserer Bürger gefeiert haben", schrieb Danon auf der Plattform X. "Ich gratuliere unseren Sicherheitskräften zu dieser mutigen und präzisen Operation."
Auswirkungen auf Verhandlungen unklar
Angehörige von Geiseln in Händen der islamistischen Hamas haben dagegen große Sorge geäußert. Man befürchte, die Geiseln könnten nun den Preis für Israels Vorgehen zahlen, hieß es in einer Mitteilung des Forums der Angehörigen. "Wir wissen von den Überlebenden, die zurückgekehrt sind, dass die an den Geiseln verübte Rache brutal ist", hieß es weiter. "Die Chance, sie zurückzubringen, ist jetzt ungewisser als je zuvor - mit einer absoluten Gewissheit: Ihre Zeit läuft ab."
Bente Scheller, Referatsleiterin Nahost bei der Heinrich-Böll-Stiftung, bestätigte im Interview mit tagesschau24, es sei noch nicht absehbar, inwieweit der Angriff die Verhandlungen über eine Waffenruhe schwäche. "Denn irgendjemand muss verhandeln, man muss einen Verhandlungspartner am Tisch haben, selbst wenn man ihn als Terrororganisation betrachtet und eigentlich nicht mit ihm umgehen will."
Netanjahu habe auch in der Vergangenheit immer auf militärische Strategien gesetzt, "wenngleich die meisten Geiseln durch Verhandlungen freigekommen sind", sagte Scheller. "Er schlägt hier eine Tür zu, die dringlich gebraucht würde."

Bente Scheller, Heinrich Böll Stiftung, zum Angriff Israels in Katar
tagesschau24, 09.09.2025 17:00 UhrAngriff als Ablenkung?
Der Zeitpunkts des Angriffs lasse sich die Politikwissenschaftlerin zufolge möglicherweise mit mehreren Faktoren erklären. Zum einen gebe es an der laufenden Großoffensive im Gazastreifen Kritik auch aus der israelischen Zivilbevölkerung. Davon könne ein solches Manöver ablenken. Außerdem habe Netanjahu hat immer gesagt, eine Zukunft für den Gazastreifen sehe er nur ohne die Hamas. Der Angriff in Doha sei ein weiteres Zeichen dafür, dass er bereit sei, "alles zu tun, damit das auch so passiert", so Scheller gegenüber tagesschau24.
Zuletzt sollte nicht vergessen werden, dass Netanjahu weiterhin wegen Korruptionsvorwürfen in Israel vor Gericht stehe. "Heute hätte er eine weitere Anhörung im Gericht gehabt. Da ist es möglicherweise eine willkommene Ablenkung, wenn alle Richtung Doha, Richtung eines neuen Erfolgs gegen die Hamas schauen und nicht so sehr auf das, was hier vor Gericht verhandelt wird."
Entrüstung im Nahen Osten
Irans Regierung hat den israelischen Angriff auf die Hamas-Führung in Doha als "Verstoß gegen die Prinzipien, Ziele und Regeln der Charta der Vereinten Nationen" bezeichnet. Aus Jordanien hieß es, der Angriff stelle eine "feige Aggression" dar. Die Vereinigten Arabischen Staaten kündigten an, sie stünden fest an der Seite ihres Schwesterstaats Katar.
Auch UN-Generalsekretär António Guterres verurteilte den israelischen Angriff in Katar als "eklatante Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität" des Golfstaates. Katar spiele eine sehr positive Rolle bei den Bemühungen um einen Waffenstillstand in Gaza und die Freilassung aller von der Hamas gehaltenen Geiseln, sagt Guterres vor Journalisten. "Alle Parteien müssen auf einen dauerhaften Waffenstillstand hinarbeiten, nicht ihn zerstören."
Israel drohte Auslandsfunktionären der Hamas
Nach den Unruhen der arabischen Aufstände in der Region eröffnete die Hamas 2012 ein politisches Büro in Katar. Schon vorher war aus dem Golfemirat viel Geld an die Hamas geflossen, die 2007 die Macht im Gazastreifen übernommen hatte. Nach dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 auf Israel wurden Forderungen an die Regierung Katars lauter, das Büro zu schließen.
Der israelische Generalstabschef Ejal Zamir hatte vor zehn Tagen Angriffe auf Hamas-Führer im Ausland angedroht. "Mit unseren Aktionen sind wir noch nicht fertig", sagte er nach einem Angriff auf den Hamas-Sprecher Abu Obaida. "Die meisten Hamas-Führer sind im Ausland, und wir werden auch zu ihnen vordringen."
Auch der israelische Verteidigungsminister Israel Katz hatte erst am Montag eine scharfe Warnung an die Hamas ausgesprochen. "Dies ist die letzte Warnung an die Mörder und Vergewaltiger der Hamas in Gaza und in den Luxushotels im Ausland: Lasst die Geiseln frei und legt die Waffen nieder - oder Gaza wird zerstört und ihr werdet vernichtet", schrieb Katz auf X.
Entwarnung in Doha
In der katarischen Hauptstadt Doha besteht nach Angaben der dortigen Behörden nach dem israelischen Angriff keine Gefahr mehr. "Die Lage ist sicher", teilte das Innenministerium mit. "Spezial-Teams" würden ihren Aufgaben nachgehen. Anwohner wurden aufgerufen, sich nur aus offiziellen Quellen zu informieren und keinen Gerüchten zu vertrauen oder diese zu verbreiten, etwa in sozialen Medien. Man unternehme alle Schritte, um "die Normalität des öffentlichen Lebens" zu erhalten.
Das Auswärtige Amt teilte mit, eine "erneute Verschärfung der Sicherheitslage" könne nicht ausgeschlossen werden. Möglich seien dabei auch "weitere sicherheitsrelevante Vorfälle in Katar" oder eine Beeinträchtigung des Flugverkehrs. Die Fluggesellschaft Qatar Airways teilte mit, es habe keine Flugausfälle oder sonstige Beeinträchtigungen gegeben.
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