Dem Ärger Aktionen folgen lassen
Frankreich rüstet sich mit 80.000 Polizisten: Ein großer Protesttag soll heute das öffentlichen Leben lahmlegen. Vorn dabei: die neue Bewegung "Bloquons tout". Wird sie so populär wie die "Gelbwesten"?
Gegen den Sparkurs hat sich in Frankreich eine neue Protestbewegung formiert - "Bloquons tout", zu Deutsch: "Lasst uns alles blockieren". Und das ist wörtlich gemeint: Überall in Frankreich wollen heute die Demonstrantinnen und Demonstranten Straßen, Bahnstrecken, Benzinlager oder auch Schulen lahmlegen.
Das erinnert an die Proteste der "Gilets Jaunes": Die sogenannten Gelbwesten waren 2018 und 2019 gegen die liberale Politik von Präsident Emmanuel Macron auf die Straße gegangen. Sind die Blockierer eine vergleichbare Bewegung?
Anstoßen auf das Ende der Bayrou-Regierung
Vor dem Rathaus im 19. Pariser Arrondissement im Nordosten der Stadt wird mit Champagner angestoßen - auf den Sturz der Regierung von François Bayrou. Am historischen Montagabend versammeln sich ein paar Dutzend Demonstrantinnen und Demonstranten.
Manon Aubry stimmte schon auf den Protesttag von "Bloquons tout" ein, der heute stattfindet. Der Abgang des Premierministers reicht der Europaabgeordneten der Linkspartei LFI nicht. Dank der großen Mobilisierung der neuen Protestbewegung werde der französische Präsident der nächste sein, der abtreten müsse, so Aubry.
Vor allem Menschen aus dem bürgerlichen Spektrum kamen zum Rathaus. Sie eint ein grundsätzliches Unwohlsein mit der aktuellen Politik. Der Sparhaushalt des gescheiterten Premierministers hat für die Studentinnen Mathilde und Maité das Fass zum Überlaufen gebracht.
"Das lag einfach in der Luft"
"Das war der Anlass, Nein zu sagen zum Neoliberalimus und diesen ganzen antisozialen Reformen", sagt Mathilde. Und Maité ergänzt: "Gemeinsam wollen wir erreichen, dass wir wieder ein normales Leben führen können, wie wir es gewohnt sind. Ich glaube, das lag einfach in der Luft."
Sie wollen ihrem Ärger jetzt Aktionen folgen lassen. "Bloquons tout" will heute überall in Frankreich ein Zeichen setzen - und, wie der Name schon sagt, alle möglichen Dinge blockieren. Auch Stadtbahnlinien oder Hauptverkehrsstraßen wie den Pariser Autobahnring Périphérique.
80.000 Polizisten im Einsatz
Der noch amtierende französische Innenminister Bruno Retailleau kündigte eine harte Reaktion an. Zu demonstrieren sei ein Grundrecht. Aber es gebe klare Grenzen. "Wir werden keinerlei Blockaden tolerieren, keine Gewalt, keine Demonstrationen, die zu Boykott-Aktionen ausarten. Wir werden die Demonstrationen begleiten, weil sie verfassungsrechtlich geschützt sind, aber wir werden keine Übergriffe dulden", sagte Retailleau.
Seine Entschlossenheit unterstreicht der Innenminister mit einem seltenen Aufgebot an Einsatzkräften. 80.000 Polizisten werden heute überall in Frankreich vor Ort sein - 15.000 mehr als am 14. Juli, dem französischen Nationalfeiertag.
Retailleau macht Linkspartei für Proteste mitverantwortlich
Jean-Luc Mélenchon, Chef der Linkspartei LFI, äußerte sich wohlwollend über die Proteste. Retailleau macht ihn mitverantwortlich für mögliche Gewaltaktionen. "Diese Radikalisierung findet auch statt, weil sie von Monsieur Mélenchon unterstützt werden. Das ist eine Bewegung der Ultralinken", sagte der Innenminister. "Wir wissen, dass es sich um kleine Grüppchen handelt, die zielgerichtet und organisiert handeln. Und ultragewaltbereit sind."
Wie radikal die neue Protestbewegung ist, hat Antoine Bristielle untersucht. Mit einem klaren Ergebnis, wie der Chef des Meinungsforschungsinstituts der Fondation Jean Jaurès sagt. "Die Bewegung 'Bloquons tout' ist stark geprägt von der radikalen Linken." 70 Prozent würden die Partei von Mélanchon wählen, so Bristielle. "Auf einem Links-Rechts-Spektrum von null bis zehn ordnen sich 90 Prozent bei null bis zwei ein", erklärt der Forscher.
Unterschied zu den "Gelbwesten"
Und damit unterscheidet sich "Bloquons tout" deutlich von den "Gelbwesten". Der Protestbewegung, die zwischen November 2018 und Frühjahr 2019 überall in Frankreich aktiv war - gegen die liberalen Reformen von Präsident Macron.
Die "Gelbwesten" seien mehrheitlich Menschen aus prekären Verhältnissen gewesen, die es schwer hätten, wirtschaftlich über die Runden zu kommen. Die "Blockierer" dagegen seien meist junge Leute mit höheren Abschlüssen, sagt Bristielle. Sie befänden sich nicht in einer wirtschaftlichen Notlage und mobilisierten sich weniger für persönliche Interessen als für ihre Vision von sozialer Gerechtigkeit.
Weniger politische Strahlkraft
Weil "Bloquons tout" stramm links verortet ist, glaubt der Soziologe, dass sie deutlich weniger politische Strahlkraft haben wird als die Gelbwesten, die ein breiteres politisches Spektrum ansprachen - bis weit ins rechte Lager.
Dafür sprechen auch Meinungsumfragen. Zwar haben viele Französinnen und Franzosen Verständnis geäußert für die aktuellen Proteste. Sie würden sich aber nicht beteiligen.
"Abgeordnete, die nicht wissen, wie die Leute an der Basis leben"
Die Ziele vieler Blockade-Williger gehen auch weit über das Verhindern unliebsamer Reformen hinaus. Beim Anstoßen auf Bayrous Aus ist auch Yann gekommen. Er ist Mitglied der marxistischen Arbeiterpartei "Parti des Travailleurs".
"Für mich geht es bei 'Bloquons tout' um die Abschaffung der Fünften Republik und die Schaffung einer Nationalversammlung der Arbeiter. Statt Abgeordnete zu haben, die nicht wissen, wie die Leute an der Basis leben", erklärt er seine Beweggründe.
Entschlossen sind die Protestteilnehmenden in jedem Fall. Und könnten so zumindest vorübergehend Teile des öffentlichen Lebens in Frankreich lahmlegen.
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