Katar - Vermittler unter Beschuss
Nach dem Angriff Israels auf Hamas-Führer in Katar kommen arabische Staaten nun zu einem Sondergipfel in Doha zusammen. In den vergangenen Jahren war Katar ein wichtiger Vermittler in Konflikten. Wie kam es dazu?
Nach dem Angriff der Israelis in Doha steht Katar noch immer unter Schock. "Wir dachten, wir haben es mit zivilisierten Menschen zu tun", sagte der katarische Premierminister Abdulrahman al-Thani auf CNN. "Aber das Vorgehen war barbarisch." Und auf die Nachfrage der Moderatorin: "Fühlen Sie sich verraten?" - "Ja, wir wurden verraten."
Israels Militär hat am Dienstag nach eigenen Angaben die Führungsspitze der Hamas in Katar angegriffen. Der Luftangriff habe Mitgliedern der Terrororganisation gegolten, die direkt verantwortlich für das Massaker vom 7. Oktober 2023 seien und den Krieg gegen Israel lenkten, teilte Israel mit. Bei dem Angriff in Doha kamen sechs Menschen ums Leben - nach Darstellung der Hamas jedoch niemand aus der Führungsspitze. Eine Delegation der Hamas hielt sich zu dem Zeitpunkt für Beratungen zu einer Waffenruhe im Gaza-Krieg in Katar auf.
Das kleine Emirat am Golf spielt seit Beginn des Gaza-Krieges eine große Rolle: Zusammen mit Ägypten vermittelt es zwischen der Hamas und Israel, als Hauptstrippenzieher bei den indirekten Gesprächen.
Gute Beziehungen zur Hamas
Aber warum Katar? Katar sei ausgewählt worden, sagte Politikwissenschaftler Mustafa Kamel Sayyed von der Kairo-Universität vor einigen Monaten, weil es gute Beziehungen zur Hamas habe. Katar habe die Hamas mitfinanziert, deswegen habe es eine gute Position, im Kontakt mit der Hamas zu stehen, so Sayyed.
Katar galt vor der Krise als einer der engsten Unterstützer des politischen Flügels der Hamas: 2,1 Milliarden US-Dollar sollen Berichten zufolge bislang von Katar in den Gazastreifen gebracht worden sein.

Gelder für Gaza: Eine militärische Unterstützung der Hamas bestreitet Katar
Immer wieder Geld nach Gaza
"Sicher, Katar hat die Hamas mitfinanziert. Katar hat mehrmals Gelder in den Gazastreifen geschickt, vor allem um die Gehälter von Staatsangestellten zu finanzieren, die mit der Hamas assoziiert werden", sagt Politik-Beobachter James Dorsey. "Aber das geschah mit Wissen der Israelis und wurde teilweise von Israel unterstützt - weil Israel so kontrollieren konnte, wohin das Geld ging - nämlich ausschließlich zum politischen Flügel."
Israel betonte Berichten zufolge vor einigen Jahren, dass das Geld eingesetzt würde, um die humanitäre Krise im Gazastreifen zu lindern. "Das Geld, das Katar der Hamas gegeben hat, war nicht, um Waffen zu kaufen, sondern um Gehälter zu bezahlen, Krankenhäuser und Schulen zu betreiben", erklärt Politikwissenschaftler Kamel Sayyed. "Die Hamas betreibt ja seit Jahren die komplette Verwaltung in Gaza."
Hamas-Büro in Doha seit 2012
Doch kann sichergestellt werden, dass mit den Finanzhilfen Katars nicht auch der militärische Arm der Hamas mitfinanziert wurde? Hat Katar die Terroristen in der Vergangenheit gestärkt? Katar bestreitet das vehement und weist jede militärische Unterstützung der Hamas von sich.
Doch Katar unterstützte nicht nur den Gazastreifen mit Geld- und Sachmitteln, sondern gab auch der politischen Hamas ein Zuhause: In Doha lebten hochrangige Hamas-Vertreter. Seit 2012 hat die Hamas in Doha ein Büro. Das alles, betont Katar, mit Wissen und sogar auf ausdrücklichen Wunsch der Amerikaner - auch um einen Hamas-Sitz in Teheran zu vermeiden.

Vermittler im Nahost-Krieg: Katars Rolle mit Ägypten und den USA
Auch zu Taliban gute Kontakte
"Als das Hamas-Büro eingerichtet wurde, geschah das auf Wunsch, und in Zusammenarbeit mit den Amerikanern und mit den Israelis", sagt der katarische Premierminister al-Thani. "Sie haben Katar als Kommunikationskanal zur Hamas genutzt, all die Jahre lang."
Katar hat schon lange den Ruf, islamistische Gruppen im Nahen Osten zu protegieren. Seit Jahrzehnten unterstützt Doha die islamistische Muslimbruderschaft, aus der die Hamas als Ableger hervorgegangen ist. Auch die militant-islamistischen Taliban aus Afghanistan haben in Katar seit 2013 ein Büro. Dementsprechend gut kann Katar in Konflikten vermitteln: Katars diplomatische Initiative sorgte für ein Abkommen zwischen den USA und den Taliban, sodass 2021 Tausende Ausländer aus Afghanistan geflogen wurden.
Angriff zielte auch auf US-Katar-Beziehung
Auch im Kongo vermittelte Katar kürzlich erfolgreich an Seiten der USA. Der Angriff auf Doha nun, mit Wissen der USA, sei auch eine Aktion Israels, um diese guten Beziehungen zu torpedieren, sagt Politikwissenschaftler Andreas Krieg vom Kings College in London: "Dieser Angriff der Israelis zielt genau auf die Beziehung ab zwischen Katar und den Vereinigten Staaten, Beziehungen, die in letzter Zeit sehr intensiv und sehr intim geworden sind", sagt er.
Katar sei Amerikas Mediator in Gaza, aber auch im Konflikt mit dem Iran, aber auch im Kongo und in Südamerika. "Das heißt, in Washington ist Katar extrem gut aufgestellt. Und natürlich agiert Katar nicht im Sinne der israelischen Regierung und diese versucht, die Position von Katar zu unterwandern wo sie nur kann. Das ist ein Angriff auch auf Diplomatie allgemein."
Aber warum stützt Katar islamistische Gruppierungen? Dahinter stecke womöglich eine gewisse ideologische Nähe, sagen Beobachter. Vor allem aber geht es um Einfluss in der Region: Die Hamas, die Taliban und andere islamistische Akteure in Syrien und in der Türkei seien zum Mittel geworden, um Katars Einfluss in der Region zu erweitern, schreiben Experten.
Außenpolitik mit Widersprüchen
Auch Politik-Beobachter James Dorsey sagt: "Katar pflegt Beziehungen zu Ländern und Gruppierungen, die von den anderen nicht gemocht werden. Das macht Katar zum Vermittler. Und für die katarische Außenpolitik sind rasante Vermittlungsbemühungen charakteristisch."
"Katar hegt Sympathien zu islamistischen Bewegungen, aber vor allem will Katar mit allen, allen gute Beziehungen haben", sagt Politikwissenschaftler Kamel-Sayyed. "Mit den Taliban, der Hamas und den USA. Das ist der widersprüchliche Teil von Katars Außenpolitik - die guten Beziehungen zu allen gehen soweit, dass eben auch verfeindete Länder unterstützt werden."

Partner Katars: US-Präsident Trump besuchte das Emirat erst im Frühjahr
Vermittlung als Teil der Identität
Das katarische Interesse dahinter: Regionaler und überregionaler Einfluss. Das kleine Emirat - gerade mal halb so groß wie Hessen - strebt nach größerer Bedeutung auf der politischen Weltbühne - will ernst genommen werden und wichtig sein. Vermittlung sei Teil der katarischen Identität, erklärte Premier al-Thani.
"Katar will Prestige, Anerkennung. Und deshalb verfolgt es die Null-Probleme-Außenpolitik - kein Problem mit keinem Land. Und dadurch wird er als Vermittler akzeptiert", sagt Kamel Sayyed.
Bedürfnis nach Absicherung
Doch dahinter steckt nicht nur der Wunsch nach Anerkennung, sondern auch ein Bedürfnis nach Absicherung: "Das ist eine Frage der nationalen Sicherheit. Katar hat gerade mal 300.000 katarische Einwohner. Dieses kleine Land kann sich nicht selbst verteidigen", sagt James Dorsey. "Seine Verteidigungsstrategie ist die Softpower - als Vermittler, mit Sportevents, Gasexporten, Kultur, als Transit-Hub - all diese Dinge münden in der Hoffnung, dass sich die internationale Gemeinschaft für Katar interessiert, wenn doch mal eine Krise auftaucht."
Doch genau diese Strategie ist nun offenbar nicht aufgegangen: Angesichts des israelischen Angriffs auf Doha macht sich Katar ernsthafte Sorgen um seine Sicherheit. Denn selbst die guten Beziehungen zu den USA schützen Katar nicht - und das, obwohl US-Präsident Trump erst im Mai in Doha gewesen war und die katarisch-amerikanischen Beziehungen gelobt hatte.
Arabische Staaten sind erschüttert
Nahost-Experte H.A. Hellyer: "Jedes Land, das sich in Vermittlung engagiert und dadurch Hamas-Funktionäre im Land hat, muss nun fürchten, dass jegliche Sicherheitsgarantien wertlos sind und es angegriffen werden könnte. Ägypten zum Beispiel."
Auch Ägypten und die anderen Golfstaaten sind erschüttert angesichts Israels Vorgehen - und schließen sich nun zusammen - bei einem islamisch-arabischen Sondergipfel in Doha, der am Sonntag und Montag über Konsequenzen berät.
"Dadurch, dass die Golfstaaten jetzt mit Katar direkt angegriffen worden sind, werden sich jetzt viele in Riad und Abu Dhabi fragen, wie weit man mit diesen Israelis überhaupt noch an einem Tisch - oder auch unter einem Tisch verhandeln kann, sagt Krieg. So war der emiratische Staatschef Mohammed bin-Zayed einer der ersten, der Katar nach dem Angriff einen symbolischen Solidaritätsbesuch abstattete.
Katar war in den vergangenen Jahren deutlich zurückhaltender mit einer Normalisierung der Beziehungen zu Israel - auch aufgrund der Nähe zum Iran: Katar und Iran teilen sich ein Gasfeld. So betonte das Herrscherhaus in Doha immer: Eine gerechte Lösung der Palästinenserfrage sei Grundvoraussetzung für eine Normalisierung von Beziehungen.
Zurückhaltung bei Normalisierung
"Katar hat gute Beziehungen mit dem Iran, wenn es die Beziehungen zu Israel normalisiert, würde der Draht zum Iran leiden. Katar bewegt sich auf einem ganz schmalen Grad - einerseits Beziehungen zum Iran, andererseits zu den USA", sagt Politikwissenschaftler Kamel Sayyed aus Kairo.
Dennoch pflegt Katar schon lange Kontakte zu Israel. 1996 eröffnete Israel eine Handelsvertretung in Katar, die allerdings wenige Jahre später von den katarischen Behörden wieder geschlossen wurde. Dennoch gibt es wirtschaftliche Verbindungen - so vereinbarten Israel und Katar vor einigen Jahren eine Vereinbarung über Diamantenhandel.
Optionen der Golfstaaten sind begrenzt
Auch politische Kontakte blieben bestehen. Und dass Katar Beziehungen zu Israel hat, zeigte sich auch bei der Fußballweltmeisterschaft: Israelische Fans reisten nach Doha, dazu wurden Direktflüge von Tel Aviv eingerichtet.
Das alles dürfte nun erstmal vorbei sein. Und doch: Die Optionen der Golfstaaten, wirksam auf Israels Aggression zu reagieren, sind begrenzt. Theoretisch könnten Friedensverträge aufgekündigt und Handel eingeschränkt werden oder der Luftraum für die israelische zivile Luftfahrt über Saudi-Arabien geschlossen werden - praktisch dürfte all das Israel wenig tangieren.
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