Wie reagieren auf Russlands Verletzungen des Luftraums?
Russische Kampfjets waren vergangene Woche in den Luftraum von Estland eingedrungen. Der Vorfall wird als Provokation aus Moskau verstanden. Nun berät die NATO, wie sie darauf reagiert. Aus den USA gibt es bereits klare Worte.
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine passiert es immer wieder: Russische Drohnen oder Flugzeuge dringen in den Luftraum eines NATO-Landes ein. Doch in den vergangenen zwei Wochen hat Russland seine mutmaßlichen Provokationen noch einmal verschärft. Der jüngste Vorfall: Am Freitag meldete Estland das Eindringen von drei russischen Kampfjets in den eigenen Luftraum. Heute beschäftigt sich die NATO damit. Genauer gesagt der Nordatlantikrat, das höchste politische NATO-Gremium.
Estland hat nämlich Konsultationen gemäß Artikel 4 des Nordatlantikvertrags beantragt. Demnach kann jeder Mitgliedsstaat im Fall einer Bedrohung seiner "territorialen Integrität, politischen Unabhängigkeit oder Sicherheit" die Einberufung einer Sitzung des Nordatlantikrates verlangen. Eine solche Sitzung kann zu gemeinsamen Beschlüssen oder Maßnahmen führen, muss es aber nicht.
Artikel 4 des NATO-Vertrags In Artikel 4 des Nordatlantikvertrages heißt es: "Die Parteien werden einander konsultieren, wenn nach Auffassung einer von ihnen die Unversehrtheit des Gebietes, die politische Unabhängigkeit oder die Sicherheit einer der Parteien bedroht sind." Auf der Sitzung des NATO-Rats muss das Thema besprochen werden - das kann zu gemeinsamen Beschlüssen oder Maßnahmen führen, muss aber nicht.Der Artikel wurde seit Gründung des Bündnisses 1949 acht Mal in Anspruch genommen - zuletzt Mitte September von Polen nach dem Eindringen russischer Drohnen in den Luftraum. Zuvor hatte der NATO-Rat am 24. Februar 2022 beraten, dem Tag der russischen Invasion in der Ukraine.
Der mögliche Anwendungsbereich von Artikel 4 ist weniger klar als das in Artikel 5 des Bündnisvertrags fixierte Beistandsversprechen für den Fall eines "bewaffneten Angriffs" auf ein oder mehrere NATO-Länder. Nach Artikel 5 des NATO-Vertrages wird ein Angriff auf einen Verbündeten als Angriff auf alle Bündnispartner betrachtet. Das Beistandsversprechen sieht vor, dass alle NATO-Staaten zur Verteidigung des angegriffenen Landes beitragen. Dieser Fall trat bisher erst einmal ein: nach den Anschlägen am 11. September 2001 in den USA.
Konsultationen schon nach Drohnen-Vorfall in Polen
Es ist das zweite Mal innerhalb von zwei Wochen, dass das höchste politische NATO-Gremium wegen russischer Luftraumverletzungen zu Konsultationen zusammenkommt. Erst Anfang September hatte Polen das Eindringen von rund 20 Drohnen in seinen Luftraum gemeldet, die teils Hunderte Kilometer weit in seinen Luftraum flogen. Die NATO kündigte daraufhin eine neue Initiative zur Stärkung ihrer Ostflanke an.
Reaktion der NATO noch unklar
Heute stellt sich für das Verteidigungsbündnis wieder die Frage, wie es reagieren soll. Vor allem aus den betroffenen Ländern gibt es Forderungen nach weiteren Schritten. Die Provokationen Russlands könnten nicht einfach so hingenommen werden, wenn man glaubwürdige Abschreckung aufrechterhalten wolle, heißt es.
Als wahrscheinlich gilt, dass Generalsekretär Mark Rutte nach den Beratungen eine deutliche Botschaft an Russland sendet. In ihr dürfte deutlich gemacht werden, dass die Luftraumverletzungen inakzeptabel sind und zu einer gefährlichen Eskalation führen könnten. Er könnte dabei deutlich machen, dass russische Flugzeuge theoretisch auch abgeschossen werden können, um eine Bedrohung des Bündnisgebietes auszuschließen.
USA verteidigen "jeden Zentimeter des NATO-Gebiets"
Deutliche Worte kommen bereits aus den USA. Der neue US-Botschafter bei den Vereinten Nationen, Michael Waltz, hat bei seiner Antrittsrede im Sicherheitsrat die Beistandspflicht der NATO betont - also auch die der USA. "Ich möchte diese erste Gelegenheit nutzen, um zu wiederholen und zu betonen, dass die Vereinigten Staaten und unsere Verbündeten jeden Zentimeter des NATO-Territoriums verteidigen werden", sagte er in New York. Man erwarte von Moskau, dass es nach Wegen zur Deeskalation suche und nicht eine Ausweitung des Konflikts riskiere.
Beobachter hatten in den vergangenen Monaten mehrfach die Frage aufgeworfen, ob sich US-Präsident Donald Trump der Beistandspflicht im Fall der Fälle tatsächlich auch verpflichtet fühlen würde. Doch ähnlich wie nun Waltz hatte auch Trump am Sonntag auf eine Reporterfrage, ob er die baltischen Staaten und Polen im Falle einer weiteren Eskalation durch Russland verteidigen werde, geantwortet: "Ja, das würde ich."
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