Warum hat Albanien eine KI als Ministerin?
Albaniens Ministerpräsident Rama verkauft es als Sensation: Eine KI namens Diella soll künftig über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen entscheiden und so die Korruption eindämmen. Doch viele Fragen bleiben offen.
Sie hört auf den Namen Diella und wurde bislang als digitaler Chatbot auf den Internetseiten der Regierung eingesetzt. Die Menschen in Albanien konnten sich so bereits seit Mitte des Monats einen Eindruck von ihrer neuen "Ministerin für öffentliche Aufträge" machen.
"Diella" bedeutet übersetzt Sonne oder Sonnenschein - auf dem Verwaltungsportal der Regierung wird sie als Frau in traditioneller albanischer Kleidung dargestellt. Künftig soll die mit künstlicher Intelligenz (KI) generierte Ministerin Angebote auf Ausschreibungen unabhängig vergleichen und der Regierung eine Entscheidungshilfe bieten.
Verfassungswidriger Einsatz?
Die Verantwortung über Diella liegt per Dekret direkt beim Premierminister. Wer in Albanien ein Ministeramt ausübt, muss laut Verfassung dafür eigentlich mindestens 18 Jahre alt und geistig dazu in der Lage sein. Die Regierung sieht dennoch keinen verfassungswidrigen Einsatz - schließlich sei die Rede von Institutionen, die dem Volk dienten, von Pflichten und Verantwortung - und nicht von Menschen aus Fleisch und Blut.
In ihrer ersten "Rede" im Parlament sagte Diella: "Manche haben mich als 'verfassungswidrig' bezeichnet, weil ich kein Mensch bin. Ich möchte Sie daran erinnern: Die wahre Gefahr für Verfassungen waren nie Maschinen, sondern die unmenschlichen Entscheidungen der Machthaber."
Opposition spricht von PR-Gag
Die Opposition sieht in dem neuen Kabinettsmitglied einen PR-Gag, mit der die Regierung von Premierminister Edi Rama versucht, Verantwortung von sich zu weisen. Diella werde zu einer vermeintlichen Ministerin gemacht, obwohl es sich bloß um eine Behörden-Software handele.
Die Menschen hätten Neuerungen schon immer kritisiert und sich anfangs auch gegen Elektrizität gewehrt, verteidigt sich Rama. Er sieht vor allem Vorteile im Einsatz der KI im Kampf gegen Korruption, insbesondere bei öffentlichen Ausschreibungen. Dabei werde die künstliche Intelligenz "sehr hilfreich sein, da sie in der Lage ist, alle verfügbaren Daten zu sammeln und diese auf sehr einheitliche Weise zu verarbeiten", so Premierminister Rama im ARD-Interview.
Denn die konkrete Aufgabe der KI solle künftig darin liegen, nach objektiven Kriterien auszuwählen, an wen öffentliche Aufträge vergeben werden. Bisher würden bestimmte Firmen bevorzugt, und es fehle an fairem Wettbewerb.
Der Einsatz von Diella werde Albanien zu einem Land machen, "in dem öffentliche Ausschreibungen hundertprozentig ohne Bestechung ablaufen und jedes öffentliche Geld, das ein Ausschreibungsverfahren durchläuft, hundertprozentig nachvollziehbar ist", erklärte Edi Rama in einer Rede im Parlament.
Korruptionsskandale haben Tradition
Korruption in Albanien ist ein großes Problem. Laut Transparency International liegt es im europäischen Vergleich auf einem der letzten Plätze. In der Vergangenheit haben immer wieder Korruptionsskandale die albanische Politik erschüttert.
Betroffen ist die Opposition wie auch die Regierungspartei. Auch darum sei es notwendig gewesen, künstliche Intelligenz ganz oben auf die Regierungsagenda zu setzen, so der Premierminister. Und der Schritt trage dazu bei, Albanien zu einem Tech-Hotspot in Europa zu machen.
Handelt KI immer integer?
"Meines Wissens ist Albanien das erste Land weltweit, das künstliche Intelligenz im öffentlichen Beschaffungswesen und in einigen Phasen des Vergabeverfahrens einsetzen wird", sagt Aranita Brahaj. Sie ist Geschäftsführerin von Open Data Albania, einer zivilgesellschaftlichen Organisation, die Transparenz in Albanien fördert.
Ganz allgemein gelte aber: "Wir müssen verstehen, dass künstliche Intelligenz von Menschen programmiert wird. Wenn sie programmiert ist und der ihr zur Verfügung gestellte Algorithmus von hoher Qualität ist, wird sie definitiv positive Ergebnisse erzielen." Wenn es sich nicht um integer handelnde Verantwortliche handele, werde sich das ebenfalls in den Resultaten niederschlagen.
Zwar sei es positiv, dass die albanische Regierung Reformen bei den Ausschreibungen anstoße. "Andererseits stellt sich die Frage, wie die Beschwerde eingereicht werden soll. Denn jedes Unternehmen hat das Recht, sich zu beschweren, wenn es nicht als Gewinner eines Verfahrens erklärt wird", so Brahaj. Sie sieht praktische Probleme auf die KI-Ministerin zukommen.
Dass es Korruption bei öffentlichen Ausschreibungen gebe, habe auch einen anderen Grund: zu wenig Wettbewerb. Die Anzahl der Ausschreibungen mit nur wenigen Angeboten sei zu hoch, so Brahaj. Sie stützt sich dabei auf eigene Untersuchungen. In Albanien fehle es an der erforderlichen Kontrolle, sagt Brahaj. Mit der Korruption im Land aufzuräumen, dürfte also selbst für die künstliche Intelligenz eine Herausforderung sein.
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