"Russland testet uns zunehmend"
Drohnensichtungen beunruhigen derzeit Dänemark. Die Überflüge seien Teil der hybriden Kriegsführung gegen Europa, sagt Politologe Stefan Meister im Interview. Ziel sei, die Reaktionen zu testen und zu verunsichern.
tagesschau24: Wie weit können und müssen wir davon ausgehen, dass diese Drohnen über Europa aus Russland kommen?
Stefan Meister: Ich glaube, es ist sehr wahrscheinlich, dass ein russischer Akteur hinter diesen Drohnen steht und auch diesem Auftreten an verschiedenen Punkten der NATO-Ostgrenze. Es ist offensichtlich, dass Russland in einem hybriden Krieg ist mit der NATO, mit der Europäischen Union und dass es im Prinzip seine Angriffe erhöht, ausbaut und uns zunehmend weiter testet.
tagesschau24: Also sind es in erster Linie Versuche, um zu gucken, wie wir darauf reagieren? Oder geht es auch tatsächlich um mehr, zum Beispiel um Spionage?
Meister: Es ist immer eine Mischung aus verschiedenen Punkten. Einerseits geht es natürlich um Verunsicherung, also dass nicht ganz klar ist: Was ist das eigentlich? Was ist das für eine Bedrohung? Und dass die Gesellschaft und auch die Politik verunsichert wird. Dann geht es darum zu testen, wie reagiert die NATO: Ist sie dazu in der Lage zu reagieren? Es geht auch darum, wie die USA reagieren, wie viel Unterstützung sie letztlich den Europäern geben, um dann auch weiter vorzugehen, weiter auszutesten.
Ich denke, in Teilen wird sicher auch spioniert. Aber bei diesen Drohnenvorfällen, die wir jetzt gesehen haben an Flughäfen, an bestimmten Punkten, da geht es weniger um Ausspähen.
tagesschau24: Warum steht aus Ihrer Sicht aktuell Dänemark so verstärkt im Fokus?
Meister: Das ist die Frage, ob Dänemark wirklich im Fokus steht, weil wir haben ja auch in Norwegen Vorfälle gehabt, in Estland Vorfälle, wir hatten in Rumänien auch ähnliches. Dänemark hat aber aktuell auch die EU-Ratspräsidentschaft im Moment, also ist ganz wichtig im europäischen Kontext, um bestimmte Entscheidungen voranzubringen.
Und Dänemark hat sich sehr, sehr stark engagiert in der Unterstützung der Ukraine, im Beitritt auch der Ukraine. Es hat seine Abwehrsysteme an die Ukraine gegeben, finanziert in einem größeren Umfang die Waffenproduktion oder hilft der Ukraine Waffen zu produzieren.
tagesschau24: Was bedeutet das Ganze für uns nebenan in Deutschland?
Meister: Wir sind auch Teil sozusagen dieses Angriffs. Es ist ein Angriff, nicht nur auf spezielle Länder, sondern es ist ein Austesten und in einer gewissen Sicht auch ein Angriff auf die NATO, auf die Europäische Union, also auf die Allianz.
Es geht letztlich auch darum, wie Deutschland reagiert. Wir haben gerade im polnischen Fall gesehen, dass deutsche Aufklärung beteiligt war. Wir sehen im Ostseeraum, dass deutsche Kampfjets immer wieder beteiligt sind, wenn die Russen provozieren. Wir sind im Prinzip Teil dieses hybriden Krieges und wir sind auch Ziel.
tagesschau24: Was erwarten Sie, worauf müssen wir uns insgesamt weiter einstellen?
Meister: Es ist offensichtlich, dass Russland die Zahl der Angriffe erhöht und dass da noch mehr kommen wird. Und dass wir gerade im Drohnenbereich nicht gut aufgestellt sind in der Abwehr, aber auch der Frage, wie holen wir die Dinger runter, haben wir Gesetze, wer ist dafür verantwortlich?
Ich denke, wir werden noch viel mehr dieser Tests sehen und wir müssen das rechtliche Umfeld verbessern, um darauf adäquat zu reagieren und die Bevölkerung auch absichern zu können. Wir müssen uns ganz anders aufstellen auf diese neuen Gefahren von Drohnen, da wir im Prinzip keine adäquate Drohnenabwehr haben.
tagesschau24: US-Präsident Donald Trump hatte auf eine entsprechende Frage am Rande der UN-Vollversammlung geantwortet: Er wäre dafür, Drohnen abzuschießen, die in den NATO-Luftraum eindringen. Wie realistisch und wie heikel wäre das aber auch?
Meister: Es gibt im NATO-Rahmen ganz klare Entscheidungslinien, wann wie etwas abgeschossen wird. Das betrifft sowohl Kampfjets als auch letztlich Drohnen. Drohnen sind natürlich, da sie nicht bemannt sind, leichter abzuschießen in dem Sinne, dass keine Menschen damit zu Schaden kommen. Das ist eine andere Eskalationsstufe.
Die Gefahr ist, dass die Bevölkerung zu Schaden kommt. Wenn Drohnenteile oder Raketenteile dann eben auf die Erde fallen können, Gebäude beschädigt werden, Menschen verletzt werden. Es ist eben nicht so einfach, Drohnen einfach nur abzuschießen.
Das Gespräch führte Kathrin Schlass für tagesschau24. Für die schriftliche Version wurde es leicht angepasst.
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