Russland und die EU ringen um Moldau
Bei der Parlamentswahl morgen in Moldau entscheiden die Menschen, ob das Land weiterhin einen proeuropäischen Kurs fährt - oder ob es sich Russland zuwendet.
Im Osten teilt es eine mehr als 1.000 Kilometer lange Grenze mit der Ukraine, ansonsten grenzt es nur an Rumänien: Moldau. Rund drei Millionen Wahlberechtigte im In- und Ausland sind aufgefordert, über die Zukunft der Republik abzustimmen. Laut Präsidentin Maia Sandu ist die Parlamentswahl "die wichtigste in der Geschichte" des kleinen Landes.
Die Moldauer müssen sich entscheiden: Zwischen einer weiteren Annäherung an die EU und einer Rückorientierung Richtung Russland. Das Thema stand während des Wahlkampfes im Vordergrund der 23 Parteien, Parteibündnisse und unabhängigen Kandidaten, die sich um die 101 Sitze im Parlament bewerben.
Einmischung Russlands beklagt
Kein Auftritt von Moldaus Präsidentin Maia Sandu oder Regierungschef Dorin Recean, bei dem sie nicht Russlands Einmischung in die Parlamentswahl beklagten. Russland heuere Menschen an, um Falschnachrichten zu produzieren und zu verbreiten, so Sandu erst vor wenigen Tagen.
Überhaupt heißt es in der Republik Moldau allenthalben, Moskau gebe viel Geld für seinen hybriden Krieg in Moldau aus. Erst vor Kurzem wurde ein neuer Fall bekannt. Auf der Internetseite des Polizeidirektorats heißt es, ein staatlicher russischer Konzern habe für eine Million Euro Verträge abgeschlossen, Schein-Verträge.
Im Fernsehen führte der Generaldirektor der Polizei von Moldau, Viorel Cernauteanu, das aus und sagte, das Nationale Zentrum für Korruptionsbekämpfung habe Vertragsfälschungen bei großen Wirtschaftsakteuren dokumentiert. "Mit Schein-Verträgen haben sie sich die Finanzierung eines moldauischen Medienkonzerns gesichert, um Desinformation und prorussische Propaganda zu betreiben."
Desinformationen aufgedeckt
"Ziarul de Gardă" - zu Deutsch: "Zeitungswächter" - ist ein unabhängiges Medienteam, das eine Wochenzeitung auf Russisch und Rumänisch herausbringt. Dazu produzieren die Medienschaffenden in ihrem kleinen Studio Internet-, TV- und Radioprogramme. Gerade haben sie eine Investigativ-Dokumentation veröffentlicht, die zeigt, wie Desinformation funktioniert.
Zwei Journalistinnen der Redaktion hatten eine sogenannte Troll-Farm unterwandert. Eine von ihnen: Natalia Zaharescu. Sie beschreibt in einer Dokumentation, was sie zum Beispiel vor dem Jahreswechsel 2024/2025 leisten sollte: "Eine der der ersten Aufgaben war, ein TikTok-Video zu produzieren - mit einer speziellen Melodie, zu der wir neben einem Weihnachtsbaum tanzen sollten."
60 Euro pro Monat
Dazu, so Zaharescu weiter, sollte sie vier Wünsche für das neue Jahr posten: "Höhere Renten, faire Wahlen, billiges Gas und dass LGBTQ in der Republik Moldau verboten werden müsse."
Neben Zaharescu waren mehrere hundert weitere Trolle angeheuert. Für gut 60 Euro im Monat sollten sie die EU schlecht reden - oder behaupten, Brüssel wolle Moldau in einen Krieg führen. Gleich dem, der in der Ukraine tobt. Das wichtigste Ergebnis der Recherche: Das Geld, das für die Kampagnen zur Verfügung gestellt wurde, sollte direkt aus Moskau überwiesen werden.
Hybride Angriffe geplant?
Doch nicht nur mit Online-Kampagnen versucht Russland, Einfluss auf die Wahl in der Republik Moldau zu nehmen: Am vergangenen Montag kam es im Land zu einem Großeinsatz der Polizei. Im ARD-Interview äußerte sich Regierungschef Dorin Recean dazu:
Prorussische Aktivisten und Politiker widersprechen derlei Erklärungen. Und einer der Hauptgegner von Sandu, der Patriotische Block, wirft der Regierungspartei vor, durch den Bruch mit Moskau die wirtschaftliche Lage verschlechtert und die Gaspreise in die Höhe getrieben zu haben. Die Partei plädiert für eine Entspannung der Beziehungen zu Russland und verspricht höhere Renten.
Diskussion über Geld aus dem Ausland
Der Anwalt Sergey Mishin, der einigen Politikern des Patriotischen Blocks nahe steht, sagt von sich, er sei parteilos. Parteiisch ist er dennoch: Mishin sagt von sich, es gebe niemanden in Moldau, der prorussischer ist als er selbst.
Der Anwalt nutzt den Kurznachrichtendienst Telegram zu offener Kritik an der EU und ihren Fürsprechern in Moldau. Und: Mishin bestreitet, dass Russland sich in Moldau einmische: "Sie denken, wenn die Regierung, der Regierungschef, die Präsidentin, ein Parlamentspräsident so etwas sagt, dann sei es wahr ... . Es stimmt aber hundertprozentig nicht. Die haben keinen Beweis dafür, dass Russland Geld hierher bringt. Nein! Null! Ich glaube der Polizei nicht. Ich sehe viel Geld aus Europa."
Tatsächlich hat Brüssel Moldau einen Wachstumsplan versprochen: 1,8 Milliarden Euro. Davon wurden in diesem Jahr rund 300 Millionen ausgeschüttet, für den Bau von Krankenhäusern, Schulen, Infrastrukturmaßnahmen.
Die Gegner der Regierungspartei behaupten jedoch, das Geld sei überwiegend in den Taschen von Präsidentin Sandu und ihren Pro-EU-Mitstreitern verschwunden. Dabei ist Korruption ein Problem, das laut Transparency International die gesamte Gesellschaft betrifft.
Stimmen der Wahlberechtigten im Ausland wohl entscheidend
Russland und die EU: Sie ringen um Moldau - und der Ausgang der Parlamentswahl Sonntag ist völlig ungewiss. Laut Experten des Think Tanks Watchdog liegt Maia Sandus Regierungspartei PAS in den letzten Umfragen vorne. Für eine Mehrheit reiche es aber möglicherweise nicht. Die Stimmen der Wahlberechtigten im Ausland würden entscheidend.
Bei allem Ringen um Moldau sei eines jedoch klar, so Andrej Curararu von Watchdog: "Der Unterschied ist die Rechtsstaatlichkeit. Die EU nimmt nicht mit illegalen Mitteln in Moldau Einfluss. Wir sehen auch keine verdeckten Aktionen europäischer Geheimdienste, die von russischen dagegen schon."
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