Polen bereitet sich für den Krisenfall vor
Rettungsrucksäcke, Sicherheitsratgeber, Aufrüstung: Seit der polnische Luftraum durch russische Drohnen verletzt wurde, bereiten sich Regierung und Bevölkerung intensiv auf den möglichen Ernstfall vor.
Der Drohnen-Vorfall in der Nacht vom 9. auf den 10. September hat gezeigt, dass die Menschen in Polen nicht unbedingt wissen, was sie in einer Bedrohungssituation tun sollen. Auch die Luftabwehr hat Lücken gezeigt. Die Regierung will nun mit einem Sicherheitsratgeber auf den Ernstfall vorbereiten. Währenddessen üben Tausende Polinnen und Polen den Ernstfall in Eigeninitiative.
Krzysztof Lis ist ein bekannter Prepper in Polen. Er bietet Trainings an, macht YouTube-Videos, hat sogar ein Buch geschrieben. Seit dem Drohnenvorfall kann er sich vor Anfragen kaum retten. Mit seinen Workshop-Teilnehmern ist er heute im Kampinos National Park bei Warschau unterwegs - er will im Gelände demonstrieren, was man im persönlichen Rettungsrucksack dabeihaben muss.
"Der Inhalt muss an unsere Bedürfnisse und an die eigene Strategie in Krisensituationen angepasst sein", erklärt Lis. "Aber manche Sachen sollten immer drin sein. Wie zum Beispiel haltbare Spezialnahrung, Trockenfrüchte, Energiegetränke in Pulverform und Wasserfilter."

Polnische Bevölkerung bereitet sich auf Ernstfall vor
Jessica Briegmann, ARD Warschau, Weltspiegel, 28.09.2025 18:30 UhrGroße Nachfrage nach Rettungsrucksäcken
Der Prepper erklärt, dass ein Rettungsrucksack für die ersten 24 Stunden der Flucht zwischen Zuhause und dem Schutzort gepackt werden sollte. Für den Notfall hat er aber auch Outdoor-Gadgets dabei: eine kurbelbetriebene Taschenlampe, einen Kompass, einen Poncho, den man zwischen zwei Bäumen aufspannen kann.
Die Nachfrage nach Rettungsrucksäcken ist in Polen gerade dermaßen groß, dass selbst bekannte Supermarktketten sie vorübergehend ins Sortiment aufgenommen haben. Auf der Internetseite militaria.pl kann man derzeit die Basisausstattung "Brandit US-Cooper 40 Liter" für umgerechnet 128 Euro bis zur "Help Bag Max" für knapp 700 Euro bestellen.

Prepper Krzysztof Lis erklärt, was in einen Rettungsrucksack gehört - für die erste Zeit nach einer möglichen Flucht.
100 Anrufer pro Tag
Die Sendung "Sicheres Polen" läuft seit dem 18. September - jeden Morgen von 9 bis 12 Uhr. Hier rufen Menschen an, die sich Sorgen um ihre Sicherheit machen. Experten vom Verteidigungs- und Innenministerium klären sie auf. Es ist eine gemeinsame Initiative des öffentlich-rechtlichen Senders TVP und der Regierung.
Die Idee zu der Sendung sei entstanden, nachdem russische Drohnen über polnischem Territorium geflogen sind und diese Gefahr spürbar wurde, erklärt Grzegorz Sajór, Nachrichtenchef bei TVP. Korporal Łukasz Lewandowski sitzt in seinem Tarnanzug im Studio und erklärt entschlossen: Wir müssen den Menschen die Lage klar machen, man muss sie bilden. Der historische und politische Hintergrund ist, wie er ist. Wir sollten keine Angst haben, sondern vorbereitet sein.
Wie lange "Sicheres Polen" noch ausgestrahlt wird, hängt davon ab, wie sich die Gefahrenlage entwickelt. Bisher melden sich durchschnittlich etwa 100 Anrufer pro Tag.
Krisenratgeber an alle Haushalte
Neben einer starken Armee und starken Verbündeten müsse es auch eine starke, gut informierte Zivilgesellschaft geben, sagte Vizepremier und Verteidigungsminister Władysław Kosiniak-Kamysz vergangene Woche im polnischen Fernsehen. Deswegen verschickt die Regierung einen Ratgeber per Post an alle 13 Millionen Haushalte. Digital ist der Ratgeber bereits verfügbar. Die 50-seitige Broschüre soll erklären, wie sich die Bürgerinnen und Bürger in unterschiedlichen Krisensituationen verhalten sollen.
"Es geht nicht nur um die schwerste Katastrophe, den Kriegsfall, sondern auch um Umweltkatastrophen wie Überschwemmungen, in denen wir eine Evakuierung vornehmen müssen. Wir machen das, damit alle vorbereitet sind", erklärt Kosiniak-Kamysz
Der Verteidigungsminister empfiehlt, zu Beginn des neuen Schuljahrs auch Kinder mit einzubeziehen in der Erstellung eines familiären Krisenplans. Dazu gehöre auch eine Liste aus wichtiger Telefonnummern, Adressen und Medikamenten. Für den Notfall sollten diese auf einem USB-Stick gespeichert sein.
Das scheine aus heutiger Perspektive alles wahnsinnig weit weg, sagt Kosiniak-Kamysz und erinnert im nächsten Satz an den Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022: "Als von einem Tag auf den anderen Millionen Menschen in der Ukraine ihr Zuhause verlassen mussten. Die meisten waren völlig überrascht. Der Ratgeber ist dazu da, damit wir auf jede Krisensituation vorbereitet sind."
Abschreckung durch Aufrüstung
Die eigene Bevölkerung durch Aufklärung zu schützen ist eine Strategie. Die andere: massive Aufrüstung und mehr Unterstützung durch die NATO. Beim Manöver "Iron Defender" zeigten polnisches Militär und NATO-Verbündete kürzlich ihre ganze Stärke.
Man wolle mit mehr als 200.000 Soldaten nicht nur zahlenmäßig die drittgrößte Armee in der NATO sein, sondern auch zu den "drei besten NATO-Armeen hinsichtlich der Einsatzfähigkeit gehören", erklärte Kosiniak-Kamysz kürzlich. Polen hat deshalb Hunderte von neuen Panzern, Haubitzen und Raketensysteme gekauft. Schon jetzt liegt das Land mit einem Verteidigungsbudget von 4,7 Prozent des Bruttoinlandproduktes an der Spitze Europas, 2026 sollen es 4,8 Prozent werden. Nun will es vor allem die Luft- und Drohnenabwehr verbessern.
Schon am Mittwoch wollen die Verteidigungsminister Polens, der baltischen und der nordischen Länder ein modernes Drohnentrainingsgelände in der Region Karpatenvorland besuchen. An diesem Tag wird der neue Teil des Truppenübungsplatzes Nowa Dęba-Lipa eröffnet. Hier entsteht eines der modernsten NATO-Ausbildungszentren in Mittel- und Osteuropa.
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