Absage an Abschottung und Egoismus
Scharfe Kritik an Kapitalismus und sozialer Ungleichheit: Papst Leo XIV. wird in seinem ersten Lehrschreiben deutlich. Und erinnert damit an seinen Vorgänger.
Leo der Zurückhaltende, der Vorsichtige: So hat die Welt den neuen Papst in den ersten Monaten nach der Wahl erlebt. Doch langsam bekommt Leo Konturen. Sein erstes Lehrschreiben stammt zwar zu einem großen Teil aus der Feder des Vorgängers. Aber auch das ist ein Signal. Vor allem, wenn es um das Thema Armut geht. Leo XIV. macht sich die deftige Kapitalismuskritik von Franziskus zu eigen: "Diese Wirtschaft tötet."
Wegen Sätzen wie diesen hielten viele Menschen - vor allem in den USA - den Ex-Papst aus Argentinien für einen verkappten Kommunisten. Leo kennt diese Ressentiments und lässt sich dennoch nicht beirren. Vor allem im letzten Abschnitt seines Schreibens wird er zum Systemkritiker eines Wirtschaftsmodells, in dem die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinander geht: "Die Strukturen der Ungerechtigkeit müssen mit der Kraft des Guten erkannt und zerstört werden."
Argumente gegen die Trump-Politik
Leo ahnt, dass so ein Statement vor allem in eher konservativen Kirchenkreisen für Kritik sorgen könnte: Darf sich ein Papst so weit aus dem Kirchenfenster lehnen? Leo sagt: Ja, das Christentum könne nicht nur auf den privaten Bereich beschränkt werden.
Robert Francis Prevost, alias Papst Leo, stammt aus den Vereinigten Staaten. Da liegt es auf der Hand, seinen ersten großen Text durch die Brille der America-First-Ideologen rund um US-Präsident Donald Trump zu lesen. Wenig überraschend: Es gibt keine Schnittmengen. Leo spricht sich gegen nationale Abschottung und für ein solidarisches Miteinander aus. Wer die von der US-Regierung durchgeführten Kürzungen bei Sozialprogrammen oder in der Entwicklungspolitik bekämpft, findet in diesem Text dafür jede Menge Argumente.
Katholische Kirche in den USA gespalten
Vize-Präsident JD Vance wird seine Interpretation der christlichen Botschaft dagegen kaum wiederfinden. Der zum Katholizismus konvertierte Politiker interpretiert den Auftrag zur Nächstenliebe wortwörtlich: "Man liebt zuerst seine Familie, dann seine Nachbarn." Erst danach könne man sich um den Rest der Welt kümmern. Schon vor seiner Wahl hat sich Leo gegen eine solche ideologische Vereinnahmung des Christentums gewehrt. Nun schreibt er: "Wer sagt, dass er Gott liebt, und kein Mitleid mit den Bedürftigen hat, der lügt."
Die katholische Kirche in den USA ist ähnlich gespalten wie die amerikanische Gesellschaft. Viele Bischöfe stehen auf der Seite Trumps. Andere opponieren gegen dessen Politik, etwa das Vorgehen der US-Behörden gegen Migranten oder die Beendigung der Klimaschutz-Projekte. Papst Leo positioniert sich in diesen ideologischen Grabenkämpfen immer deutlicher.
Kein Trump-Verbündeter
Erst in der vergangenen Woche fand er klare Worte. Wer "mit der unmenschlichen Behandlung von Einwanderern in den USA einverstanden sei", dürfe sich kaum Lebensschützer nennen. Als solche sehen sich aber streng konservative Katholiken, weil sie sich gegen die Legalisierung der Abtreibung einsetzen. An Klimawandel-Skeptiker adressiert sagte er: Einige Staats- und Regierungschefs hätten sich entschieden, "diejenigen zu verspotten, die von globaler Erwärmung sprechen". Donald Trump hatte vor der UN-Vollversammlung behauptet, dass die Erderwärmung ein Betrug sei.
Mit dem heutigen Tag hat es der US-Präsident auch schriftlich: Leo, sein Landsmann im Vatikan, ist kein Verbündeter.
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