Indien geht brutal gegen Rohingya-Flüchtlinge vor
Ihre alten Eltern hätten nur die Kleider mitnehmen können, die sie am Körper trugen, sagt Tochter Ayesha am Telefon. Sie seien um zehn Uhr Abends in Handschellen und mit verbundenen Augen abgeführt worden.
Auch die beiden jüngeren Brüder habe die indische Polizei mitgenommen. Alle wurden zuerst ins Gefängnis gebracht, dann auf eine abgelegene Insel geflogen. Dort wurden sie auf ein Boot gesetzt und schliesslich vor der Küste Myanmars im Meer ausgesetzt.
Das war vor drei Wochen. Ayesha, die aus Sicherheitsgründen nicht ihren wirklichen Namen benutzt, blieb in Delhi zurück, verzweifelt. «Ich mache mir solche Sorgen, vor allem um meinen kranken Vater.»
Lebt die Familie noch?
Ayesha weiss nur, dass ihre Familie in Myanmar angekommen ist – zusammen mit 40 anderen Rohingya aus Delhi. Ob sie noch leben, weiss sie nicht. Der Kontakt sei abgerissen. Die Familie war vor 13 Jahren nach Delhi geflüchtet. Sie selbst wurde in einem Flüchtlingslager in Bangladesch geboren.
Wir leben in ständiger Angst. Wir könnten die nächsten sein, die sie abholen.
Die UNO bezeichnet das Vorgehen der indischen Regierung als «Unverschämtheit» und kündigte eine Untersuchung an. Auch der bekannte indische Menschenrechtsanwalt Colin Gonsalves kritisiert die Nacht-und-Nebel-Aktion. «Die Ausschaffung ist total illegal.»
Indien habe die UNO-Flüchtlingskonvention zwar nicht unterzeichnet. Aber das indische Recht habe deren Prinzipien übernommen. Danach sei es verboten, einen verfolgten Flüchtling – ohne Gerichtsverfahren – einfach dorthin zurückzubringen, wo er oder sie verfolgt werde.
Für Delhi sind Rohingya «illegale Infiltratoren»
Das gelte auch im Fall der staatenlosen Rohingya aus Myanmar, sagt Gonsalves. In Indien leben gut 20'000 Rohingya als registrierte Flüchtlinge, viele davon unter schwierigen Bedingungen in Gefangenenlagern. Die indische Regierung bezeichnet Rohingya öffentlich als «illegale Infiltratoren».
Viele Rohingya erleben in Indien inzwischen dieselbe Gewalt wie früher in Myanmar.
Priyali Sur von der indischen NGO «The Azadi Project» arbeitet seit Jahren mit Rohingya-Flüchtlingen. «Viele berichteten, dass sie in Indien inzwischen dieselbe Angst verspüren, dieselbe Gewalt erleben, wie früher in Myanmar», sagt sie.
Sie hätten Angst, aus dem Haus zu gehen und fühlten sich ständig von der Polizei verfolgt und beobachtet. Die Flüchtlinge könnten jederzeit willkürlich festgenommen werden, sagt Aktivistin Sur.
Das Gericht ist nicht aufseiten der Flüchtlinge
Dennoch habe sich niemand vorstellen können, dass die indische Regierung Rohingya einfach ins Flugzeug und aufs Boot verfrachten und ins Meer werfen könnte. Das missachte alle Rechtsprinzipien und die Menschenrechte, so Sur.
Um den Rohingya zu helfen, hat ihre Organisation zusammen mit Menschenrechtsanwälten wie Colin Gonsalves im Namen der betroffenen Familien Petitionen beim obersten indischen Gericht eingereicht. Ziel ist es, die ausgeschafften Rohingya zurückzuholen. Inzwischen hat das Gericht die Entscheidung auf Ende Juli verschoben.
Technisch sei der Fall zwar noch nicht verloren, sagt Anwalt Gonsalves. Aber der Trend sei bereits klar: «Das Gericht ist nicht aufseiten der Flüchtlinge.»
Sollte die Petition Ende Juli definitiv abgelehnt werden, werde die Tür für Massendeportationen geöffnet, befürchtet er. Das sieht auch Ayesha in Delhi so, deren Familie gerade deportiert wurde. «Wir leben in ständiger Angst. Wir könnten die nächsten sein, die sie abholen.»
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