Der philippinische «Bestrafer» steht vor Gericht
Grüne Fahnen und Transparente flattern im Wind. Grün ist die Farbe von Ex-Präsident Rodrigo Duterte. Auf Plakaten prangt sein Porträt mit dem Slogan «bring him home».
Sie wollen ihn zurückhaben. Rund 200 Duterte-Fans, sie fahren mit Motorrädern entlang der Küste in Davao. Für sie ist Duterte ein Held, ein Held, der zu Unrecht in Haft sitzt.
«Der beste Präsident aller Zeiten»
Die Verhaftung ihres geliebten Präsidenten sei illegal, sagt Francis Aron – er ist Mitorganisator der Motorrad-Demo. «Er ist der beste Präsident, den wir jemals hatten. Unsere Herzen leiden beim Gedanken daran, dass er vom internationalen Strafgerichtshof eingesperrt wurde.»

Die Schuld dafür gibt Francis Aron dem aktuellen Präsidenten der Philippinen: Ferdinand «Bongbong» Marcos Junior. Das Marcos-Lager habe Vorgänger Duterte als seinen politischen Rivalen loswerden wollen.
Hochburg des Duterte-Clans
Duterte wird nicht nur von Hardcore-Fans wie Francis Aron unterstützt. Dutertes «Krieg gegen Drogen» erfuhr im Land viel Zustimmung. Vor seiner Zeit als Präsident war Duterte Stadtpräsident von Davao. Die Millionenstadt im Süden der Philippinen gilt als Hochburg des Duterte-Clans.
Das zeigte sich erst kürzlich wieder. Rodrigo Duterte wurde erneut zum Stadtpräsidenten gewählt – obschon – oder gerade, weil er in Den Haag in Haft sitzt.

Doch Duterte hat in Davao nicht nur Fans: Die Angehörigen der Opfer von Dutertes sogenanntem «Krieg gegen Drogen» leiden bis heute.
Vier Söhne ermordet
Clarita Alia ist eine von ihnen. Die 71-jährige Frau wohnt hinter einem Fleisch- und Gemüsemarkt – in einer kleinen Hütte mit zwei angeketteten und bis auf die Knochen abgemagerten Hunden.
Die Bezeichnung Hütte ist noch übertrieben, der einfachen Behausung fehlt ein Teil des Dachs. Ihre wenigen Habseligkeiten sind um eine dünne Matratze herum verteilt. Clarita hat Fotoalben ausgebreitet. Sie zeigt Bilder, auf denen lachende Kinder zu sehen sind.

«Der erste, der getötet wurde, war Richard», sagt Clarita Alia und zeigt auf weitere Fotos. Neben Richard wurden auch Christopher, Bobby und Fernando getötet. Alle waren sie noch Teenager. Der jüngste wurde nur 14 Jahre alt.
Alia zeigt mit der Hand auf ihren Hals und ihren Körper, dort, wo auf ihre Kinder eingestochen wurde. Es ist kaum auszuhalten.
Die Söhne von Clarita wurden des Diebstahls verdächtigt. Ausserdem war im Viertel bekannt, dass sie Klebstoff schnüffelten – eine Droge der Armen.
Erstochen, um Munition zu sparen
Umgebracht wurden die Söhne nicht von der Polizei, sondern von der DDS. Dem «Davao Death Squad», den Todesschwadronen der Stadt – im Auftrag der Behörden ermordeten diese vermeintliche Drogenkonsumenten und Kriminelle.
Um Munition zu sparen, töteten sie häufig mit Messern. Der 14-jährige Bobby wurde spätnachts zu ihrem Opfer.

«Ich dachte noch, er würde überleben, er lag mit dem Gesicht nach unten. Aber er war schwer verletzt. Das Messer war so gross. Und die Polizisten schauten einfach zu. Ich war wütend auf sie, weil ich wusste, dass sie es auf ihn abgesehen hatten.»
Die Polizisten hätten gelacht, erinnert sich Clarita Alia. Sie kennt die Beamten und hat ihre Namen fein säuberlich im Tagebuch eingetragen.
Mitleid oder gar Unterstützung von den Nachbarn erhielt Clarita Alia nicht. Im Gegenteil: Die Menschen hätten sie gemieden und sie als Mutter von Kriminellen betrachtet.
«Sichere Stadt für die Reichen»
Das Argument, dass Dutertes ruchlose Politik die Stadt sicherer gemacht habe, empfindet Clarita als blanken Hohn. «Sie sagen, Davao sei sicher, dabei ist es nur für die Reichen sicher. Jene, die kein Geld haben, müssen leiden.»

Rund 1000 Kilometer nördlich in der Hauptstadt Manila: Menschenrechtsanwältin Kristina Conti untersucht die «aussergerichtlichen Tötungen» während Dutertes Amtszeit als Stadtpräsident Davaos und als Präsident der Philippinen. Sie unterstützt die Ankläger in Den Haag mit Unterlagen und Recherchen. Conti hofft auf einen Schuldspruch.
Polizisten decken sich gegenseitig
Laut der Polizei wurden im sogenannten «Krieg gegen Drogen» rund 6000 Menschen getötet, Menschenrechtsorganisationen rechnen gar mit bis zu 30'000 Opfern. «Eigentlich müssten nun Polizisten gegen andere Polizisten ermitteln. Aber wir haben immer schon gesehen, dass sie sich nicht an die Regeln hielten und eklatante Fehler begingen.»

Zum Beispiel, dass sie aus Notwehr getötet hätten, erklärt Conti. Eine unabhängige Untersuchung sei in den Philippinen nicht möglich. Deshalb müsse der Internationale Strafgerichtshof gegen Duterte ermitteln. Auch wenn es Jahre dauern kann, bis das Gericht ein Urteil fällt.
«Keine Gerechtigkeit für Arme»
Dutertes Inhaftierung sieht Anwältin Conti bereits als eine Form der Gerechtigkeit an. Der wegen seiner brutalen Politik als «Bestrafer» bekannte Ex-Präsident muss sich nun selbst vor Gericht verantworten.

Es sei eine neue Erfahrung für die Bevölkerung der Philippinen, sagt Conti. «Ich denke, das rührt von einer allgemeinen Resignation und der Erkenntnis her, dass Gerechtigkeit nicht für die Armen ist.» Das Recht schütze die Reichen und Mächtigen, sagt Conti.
Von einem Schuldspruch gegen Duterte verspricht sich Conti nicht nur Gerechtigkeit für Dutertes Opfer, sondern auch ein Umdenken in der Bevölkerung.
Die Scham müsse von den Opfern auf Duterte übertragen werden. Nicht die Opfer müssten sich schämen, sondern Duterte, er sei der Mörder.
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